„Cases Singulars“ – Ein Haus am Tag
Mit „Cases Singulars“ sind besondere Häuser in Barcelona gemeint, die durch ihre Geschichte, ihre Bewohner und ihre Architektur für die Stadt von Bedeutung sind. Gegründet wurde dieses Projekt 2010 von Laura Pastor Duran und Isabel Valles Audouard. Seit den 1990er Jahre sind sie aktiv im Kreis der Freunde der Museen Kataloniens tätig. Ab 2005 waren sie federführend mit den Renovierungsarbeiten der Casa Amatller beschäftigt. Sie organisierten Ausstellungen und gründeten den Freundeskreis der Casa Amatller.
„Cases Singulars“ fing mit sechs Häusern an. Die Idee ist es, die Geschichte Barcelonas durch ausgewählte Häuser und deren Bewohner anschaulich zu machen. Meistens stehen die Architektur und die kunsthistorische Bedeutung der Bauten im Mittelpunkt des Interesses. Laura Pastor Duran und Isabel Valles Audouard stellen aber die Geschichte der Erbauer und deren Schicksale auf die gleiche Stufe mit den Bauten. Hier erhalten die Bauten Leben und eine persönliche Geschichte. Ein großer Teil der Häuser wird noch privat genutzt. Aus diesem Grund können viele nur an einem Tag in der Woche geöffnet werden. Das Konzept ist so angelegt, dass man an jedem Wochentag ein anderes Haus besichtigen kann, was auch zu dem cleveren Slogan „ein Haus am Tag“, geführt hat.
Die Woche kann man mit dem Palauet Casades (C/Mallorca 283) dem Palast der Advokaten beginnen. Pau Casades i Espoy, ein reicher Industrieller, beauftragte 1892 den heute wenig bekannten damaligen Meisterarchitekten Antoni Serra i Pujals mit dem Bau seiner Villa. Nachdem es keine weiteren Erben gab, ging die Villa 1924 an die Barcelona Bar Vereinigung. Das Interesse dieser bedeutenden Vereinigung ist es, die berufstätigen Juristen zu unterstützen. Zu diesem Zweck wurde der ursprüngliche Bau ab 1950 erweitert und 1953 als neue Zentrale der Vereinigung eingeweiht.
Am Dienstag kann die Bibliothek des Philanthropen und Freimaurers Rosend Arus i Arderiun (Pg. de Sant Joan 26), besichtigt werden. Dieser hatte in seinem Testament verfügt, eine Bibliothek zur besonderen Bildung der Arbeiterklasse zu errichten. Ursprünglich umfasste sie 24.000 Bände. Heute ist die Bibliothek auf 75.323 Bände angewachsen und gilt als Bibliothek der Freimaurer und Anarchisten. Unter Francos Regime, dem die Freidenker ein Dorn im Auge waren, war die Bibliothek von 1939 – 1967 geschlossen worden. Auch deshalb kann man heute noch neben den interessanten Buchtiteln die originale Einrichtung bestaunen.
Foto: Palau baro de cuadras. Autorin: Gabriele JahreißAm Mittwoch und am Samstag sind die Tore des Palau Baro de Quadras (Av. Diagonal 373) geöffnet, einem Werk des Architekten Josep Puig i Cadafalch. Dieser Palau veranschaulicht, wie die herrschaftlichen Häuser dieser Zeit geplant waren. Im Erdgeschoss der Eingangsbereich, einmal feudal für die Eigentümerfamilie, die ihre Privaträume in der Belletage hatten, dann im hinteren Bereich des Erdgeschosses der Eingangsbereich zu den Mietwohnungen in den oberen Etagen und dann ziemlich versteckt der Bereich und die Stiege für das Personal. Man lebte zwar unter einem Dach, aber doch strikt voneinander getrennt. Die Privaträume der Familie des Barons besaßen eines der frühesten Bäder nach unserem heutigen Standard.
Am Donnerstag kann man sich in der Casa Rocamora (C/Ballestre 12) an der Sammlung herausragender Textilien und anderer Kunstwerke des Exzentrikers Manuel Rocamero y Vidal (1892-1972) erfreuen.
Casa Felip (C/Ausias Marc 20) ist am Freitag geöffnet. Es steht in der damals als ‚goldene’ oder ‚textile Zone’ bezeichneten Lage, da sich hier die durch die Textilindustrie zu Reichtum gekommenen Unternehmer mit den Künstlern und Architekten zusammentaten und ihre Häuser bauten. Casa Felip ist ein gutes Beispiel hierfür und wird nicht zu Unrecht als die „Schöne der Dekorativen Kunst“ bezeichnet.
Casa und Museum Amatller (Pg. De Gracia 41) ist von Montag bis Sonntag zu bewundern. Diesem Werk des Architekten Josep Puig i Cadafalch für den Schokoladenfabrikanten Antoni Amatller Costa wird ein eigner ausführlicher Beitrag gewidmet werden, da es sich hier um eine viel zu wenig gewürdigte ‚Architekturperle’ mit spannender Familiengeschichte handelt.
Das Projekt der „Cases Singulars“ wird seit diesem Frühjahr durch weitere Bauten ergänzt. Hinzugekommen sind die Casa de les Punxes, von Josep Puig i Cadafalch, ein Bau, der einem mittelalterlichen Schloss gleicht und in seinen Räumen die virtuelle Geschichte des Heiligen Georg zeigt, ebenso das Studio und die Sammlung des heute weniger bekannten Malers Oleguer Junyent, wo man aber viele Schätze entdecken kann. Mit dem Palau Macaya kommt noch eine weitere sehr schöne Villa von Josep Puig i Cadafalch hinzu und endlich wird auch die Real Academia Catalana de Bellas Artes in das Zentrum des Interesses geholt. Die Wahl, die Casa Batllo von Gaudí während der Renovierungsarbeiten mit in das Projekt einzubeziehen kann auch kritisch gesehen werden. Das Angebot von „Viajes Casas Singulares“ ist in diesem Jahr auch neu im Konzept.
Die „Cases Singulars“ sind ein spannendes, sehr abwechslungsreiches Projekt, bei dem es sehr viel zu entdecken gibt und das sicher noch nicht abgeschlossen ist.
Mehr Info: https://casessingulars.com/
Von Gabriele Jahreiß, Kunsthistorikerin
Schlagwörter: Barcelona, Familie, Museen und Sehenswürdigkeiten, Unterwegs