Denn immer wieder geht die Sonne auf
Zum Start ins neue Schuljahr möchte ich ein paar Gedanken den Eltern, dem Lehrpersonal und den Schülern in den vergangenen Lockdowns widmen. Aus dem Stand mussten Eltern Aufgaben der Pädagogen übernehmen und nicht nur ihre Kinder erziehen, sondern ihnen auch noch den anstehenden Schulstoff vermitteln. Ein Job, für den sie nicht eingerichtet oder ausgebildet sind. Homeschooling war das neue Zauberwort. Ich ziehe vor all den Eltern den Hut, die das – oft neben ihrem eigenen Homeoffice- meist vorbildlich gemeistert haben. Die mit dem Lockdown verbundenen Schließungen haben die Schulen und ihr Personal quasi kalt erwischt. Auch die Lehrkräfte kann ich nur bewundern, denn sie wurden zu IT-Spezialisten, die geschwind online-Konzepte entwerfen und umsetzen mussten. Da nicht alle Haushalte mit Computer oder Internet ausgestattet sind, stellten sie daneben Papier-Kopier-Konzepte bereit. Pädagogen wissen, dass Homeschooling den Präsenzunterricht keinesfalls ersetzen kann, auch wenn leistungsstarke Schülerinnen und Schüler unter Umständen vom Homeschooling profitieren. Kinder aus weniger privilegierten Familien oder leistungsschwache Schüler wurden von den Lehrern besonders betreut, denn es fällt ihnen schwerer, ohne ein strukturiertes Umfeld mitzuhalten. Soziale Ungleichheiten vergrößern sich. Auch Kinder und Jugendliche mussten sich komplett neu einrichten. Von jetzt auf gleich waren sie an ihr Zuhause gebunden. Jüngere Studien zeigen, dass die Motivation zu lernen stark abnahm und die Zeitspanne, die Kinder mit Schulaufgaben verbrachten, sich auf weniger als 3 Stunden pro Tag verkürzte. Gemeinschaftliche Tätigkeiten wie Gesellschaftsspiele oder Basteln nahmen signifikant ab, dafür verbrachten die Kinder wesentlich mehr Zeit vor Bildschirmen. Zur Schule gehen ist nicht nur wichtig zum Erlernen von Wissen. In einer Gesellschaft formt die Schule unser soziales Herz durch die vielfältigen Verbindungen zu anderen und Aktivitäten, die neben dem reinen Lernen angeboten werden, um aus unseren Kindern Bürger und Bürgerinnen zu machen. Im Homeschooling fehlt es oft an Motivation aus lernstimulierenden Rückmeldungen und Anregungen. Das Lernen auf Distanz verlangt ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Es ist eine Herausforderung, den Arbeits- oder Schultag selbständig zu gestalten, sich nicht ablenken zu lassen. Selbstdisziplin und Durchhaltevermögen sind von allen gefordert. Zeit für Ruhe und Muße ist nicht mehr so klar abgegrenzt. Die Konzepte geraten durcheinander und verwischen. „Ist ja eh schon egal.“ Die Freizeitgestaltung mit anderen wurde zurückgefahren. Gerade Jugendliche und junge Erwachsene leiden darunter, wenn sie nicht wie gewohnt ihre Freunde und Freundinnen sehen dürfen. Ihnen wurde eine prägende Zeit genommen. Sicher hat es viele negative Aspekte dieser komplexen Situation gegeben, aber wir haben auch viel neues gelernt, auf andere aufgepasst und können uns nun wieder zusammenraufen.
Von Ina Laiadhi, Chefredakteurin, Editorial, Nr 148, Oktober November 2021