Die Frau Merkel Parodie kommt mir nicht auf die Bühne
Interview mit dem Kabarettisten und Chansonier Thomas Pigor
Wir lernen Thomas Pigor und Benedikt Eichborn im vergangenen Mai im ehrwürdigen Ateneu von Barcelona kennen, wo sie ein Deutsch-Spanisch sprechendes Publikum mit einem Quer-schnitt durch ihr Programm begeistern. Leider bleibt keine Zeit um während des sich anschließenden Cava-Empfangs im Foyer ein persönliches Interview zu machen, so realisieren wir es virtuell per Email.
Wie kamen Sie zum Kabarett?
Ich habe eigentlich schon immer Songs geschrieben: In der Schule, auf Familienfeiern, später dann im Stu-dium, politische Songs, Straßenmusik. Den Schritt, Künstler zu werden, habe ich mir jedoch nicht leicht gemacht, mir war das zu unsolide. Zum Glück habe ich den Schritt dann doch gewagt und die Naturwissenschaften an den Nagel gehängt. So war ich nie in Gefahr, arbeitslos zu werden.
Sie spielen mit Ihrem Publikum und fordern es heraus. Auf Einladung des Goethe-Instituts Barcelona sind Sie zusammen mit Ihrem Partner Benedikt Eichhorn im Mai im Ateneu aufgetreten. Wie fanden Sie das Publikum in Barcelona?
Wir sind nicht zum ersten Mal in Barce-lona und es ist immer sehr spannend zu sehen, wer da unten sitzt: Spanisch sprechende Deutsche, Deutsch sprechende Spanier oder auch Theaterinteressierte, die kein Deutsch verstehen. Auf der letzten Veranstal-tung waren viele spanische Deutsch-lehrer da, die zu einem Kongress gekommen waren. So etwas hatten wir noch nicht, und der Abend ging ab wie Bolle.
Wer schreibt Ihre Texte? Ist es eine eigene Textform? Spielt man auch die Texte anderer (wie im Theater) oder sind sie maßgeschneidert?
Die meisten Texte sind von mir, die Musiken und Arrangements entstehen oft gemeinsam. Dadurch, dass Autorenschaft und Interpre-tation in einer Hand liegen, kann ich mir die Texte pass-genau in den Mund legen und mir Dinge erlauben, die sonst beim Übertragungsprozess vom Autoren zum Interpreten verloren gehen. Deutsche Texte von anderen singen wir nicht, aber in jeder Show gibt es ein fremdsprachiges Cover. Wir suchen noch die finale spanische Schnulze. Hat jemand einen Tipp?
Wie entsteht die Musik zu den Texten?
Von mir kommt meist ein Gitarren-Lay-Out, mit einem durchrhythmisierten Text, mit mehr oder weniger weit vorangetriebenen Melodie-fragmenten. Darauf folgt die Ausharmonisierung in der Klavierversion, zusammen mit Benedikt Eichhorn, der unbestrittenermaßen die größere musikalische Kompetenz hat. Am Ende stehen die Arrangements zusammen mit den Musikern. Der Computer ist bei allem ein wichtiges Hilfsmittel.
Wie muss man sich Ihren Alltag vorstellen? Sind Sie oft auf Reisen (das Reisen ist ein Thema, das in Ihren Texten häufig auftaucht)?
Wir haben ca.100 Auftritte im Jahr und das Reisen, das Organisatorische und die Promotion nimmt sehr viel Zeit ein. Wir haben eine hervorragende Agen-tur, die uns viel abnimmt. Dennoch würde ich gerne den kreativen, künst-lerischen Anteil an unserer Arbeit erhöhen.
Wie sehen Sie sich? Als engagierten Künstler?
L´art pour l´art steht vor hehren Zielen, was nicht heißt, dass man nicht auch mal Position bezieht.
Welche Message haben Sie? Was wollen Sie ausdrücken?
Das ist die Frage nach den hehren Zielen. Wir spielen natürlich für den Sieg der Vernunft, der Demokratie, dafür, dass alle Menschen Brüder werden und versuchen, dabei möglichst wenig CO2 auszustoßen. Unser Kampf gilt aber vor allem der Omnipräsenz von Bauarbeiten.
In einem Ihrer Songs leiden Sie mit dem katholischen Zölibat: Hatten Sie schon mal Ärger mit der Kirche?
Wir hatten mal einen Song „Römisch-katholische Jungs“ im WDR-Fernsehen gespielt. Live. Und diese Sendung durfte dann nicht wiederholt werden. Das ist aber schon einige Zeit her.
Sind sie schon mal zensiert worden? Warum?
Die Zensur läuft ganz subtil, und über Argumente wie: „Supersong, aber das ist nichts fürs Fernsehen, das kommt nur auf der Bühne rüber.“ Es gibt viele ängstliche Redakteure.
Hat das politische Kabarett einen wichtigen Platz in Europa? Gibt es das auch in anderen Ländern? Tauschen Sie sich mit internationalen Künstlern aus?
Da politisches Kabarett in erster Linie über die Sprache funktioniert, ist interna-tionale Zusammenarbeit nicht so naheliegend wie bei den Musikern, Tänzern oder Artisten. Wir bedauern das und suchen immer wieder Wege, um mal aus dem deutschsprachigen Gebiet rauszukommen. Dabei ist immer wieder überraschend festzustellen, dass „Berlin Cabaret“ ein weltweit bekanntes Markenzeichen für deutsche Kultur ist. Wie Fado oder Crema catalana. Das weiß zu Hause nur niemand.
Die Deutschen haben alles. In arabischen Ländern bräuchte man jetzt sicher auch ein politisches Kabarett. Aber ist das in Deutschland notwendig?
Es ist ein Teil der kritischen Öffent-lichkeit. Sowohl in den Medien als auch auf den kleinen Bühnen, von denen es ein dichtes Netzwerk in Deutschland gibt. Es gibt landauf, landab Verrückte, die in ihren Nestern Freiwilligenvereine gründen und in den dortigen Kartoffelkellern, Scheunen und Tanzsälen wichtige Kulturarbeit leisten.
Thomas Pigor, wir danken für das sehr interessante Interview.
Sabine Bremer/ Ina Laiadhi
Ein kleiner Schlagabtausch
Sie fordern Ihr Publikum gern in einem Assoziationsschlagabtausch heraus: Was fällt Ihnen ein zu:
Die Berliner Mauer haben sie vorschnell und viel zu gründlich entfernt. Wer kommt denn nach Berlin um Schinkel anzugucken!
Die Frau Merkel Parodie kommt mir nicht auf die Bühne.
Europa ist eigentlich eine Erfolgsgeschichte und trotzdem ein bevorzugtes Nörgel-Thema. Genau wie die Deutsche Bahn.
Die Bibel Leute, lest die Apokryphen!
Diktatoren Es gibt gute und böse. Die bösen werden isoliert, die guten haben Öl und seltene Erden.
Brandt Meinen Sie den Kanzler oder den Zwieback?
Hildebrandt Chapeau.
Schlagwörter: Kultur, Moderne Welt