Unsere Lese- und Geschenktipps
Weihnachten naht mit schnellen Schritten, auch im 2. Corona-Jahr ein Fest unter besonderen Vorzeichen. Auf jeden Fall gehören für viele sorgsam ausgesuchte Geschenke dazu. Auch und gerade Bücher! Unsere Redakteurinnen haben ihre Lesetipps für die kommenden Feiertage aufgeschrieben.
Liebe in Zeiten des Hasses, Chronik eines Gefühls 1929–1939, von Florian Illies
Mit “1913 Der Sommer des Jahrhunderts“ hat Florian Illies eines der erfolgreichsten Bücher der letzten Jahre geschrieben, in dem er das Bild der Epoche vor dem ersten Weltkrieg formte. In seinem neuen Buch wendet er sich den 30er Jahren zu. Er beschreibt berühmte Paare vor dem Hintergrund der beginnenden politischen Katastrophe.
Es sind Schlaglichter vom ersten Date zwischen Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir in Paris zu dem von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel, dazwischen fällt man mit Picasso, Brecht und Benn zwischen viele unglücklichen Frauen, mit Zelda und Scott Fitzgerald in eine Ehekrise und in die Ménage-à-trois auf Ibiza zwischen dem Dadaisten Raoul Hausmann, seiner Ehefrau Hedwig Mankiewitz und seiner „Muse“ Vera Broido. Auch Marlene Dietrich, Erika Mann, Salvador und Gala Dalí und viele andere mehr ergeben ein Epochengemälde dieser „wilden“ Jahre. Florian Illies erweckt die dreißiger Jahre voller politscher und kultureller Spannungen durch die Augen der größten Liebespaare zum Leben.
Ferdinand von Schirach: „Ich habe in dem Buch so viel Neues erfahren, über die Liebe, die Kunst und das Grauen“
Fischer Verlag, Frankfurt 2021, 432 Seiten, 24 €
Die Suche, von Charlotte Link
In Nordengland wird die Leiche der 14-jährigen Saskia Morris entdeckt, die vor einem Jahr spurlos verschwand. Kurz darauf wird ein weiteres Mädchen vermisst. Die Polizei in Scarborough ist alarmiert. Handelt es sich in beiden Fällen um denselben Täter? In den Medien ist schnell vom Hochmoor-Killer die Rede, was den Druck auf Detective Chief Inspector Caleb Hale erhöht. Charlotte Link schreibt mit viel Stil Kriminalromane, in welchen man bis zur letzten Seite immer und immer wieder überrascht wird und bis zum letzten Satz das Ende nicht erraten kann. Diese Spannung trägt den Leser durch die Geschichten, welche auf sehr natürliche Weise, mal bewusst, mal rein zufällig, die Erzählstränge der einzelnen Charaktere punktuell zusammenführen. Links Werke, gebettet in das atemberaubende Ambiente der schroffen englischen Landschaften, laden zum Ermitteln, Rätseln und Träumen ein.
Blanvalet, 2018, 656 Seiten, 12€
Der Apfelbaum, „Armer Steppke, keen Vata nich!“, von Christian Berkel
Der aus Film und Fernsehen bekannte Schauspieler Christian Berkel erzählt in dem Roman seine Familiengeschichte, beginnend in den Zwanziger Jahren, über die Zeit des Nationalsozialismus bis ins Berlin der Fünfziger Jahre.
Dieser spannungsreiche Roman führt über drei Generationen von Ascona, Berlin, Paris, Gurs und Moskau bis nach Buenos Aires. Es ist die Geschichte zweier Liebender, die unterschiedlicher nicht sein konnten, im Nationalsozialismus und durch die Wirren des Krieges getrennt wurden und doch ihr Leben lang nicht voneinander loskamen.
Unter dem Apfelbaum hat Christian Berkel als Junge beim sonntäglichen Kaffeetrinken eher zufällig erfahren, dass er „ein halber Jude“ ist. Wenn er nur halb ist, dann müsse ja wohl etwas kaputt sein, habe er sich als Kind gesorgt. Christian Berkel hat lange Jahre und viele Recherchen gebraucht, die Teile zusammenzufügen, und das Ergebnis ist lesenswert.
Ullstein Verlag, Berlin 2018, 416 Seiten, 22 €
Neuleben, von Katharina Fuchs
Dieses Buch von Katharina Fuchs lässt sich einsortieren unter die Schlagwörter deutsch-deutsche Geschichte, Frauenschicksale und Emanzipation in der Nachkriegszeit. Doch es ist viel mehr, die Biografie von zwei jungen Frauen, die unabhängig voneinander ihren eigenen Weg finden müssen, den Konventionen im Nachkriegsdeutschland zum Trotz. Therese Throta, die nach West-Berlin geht, um Jura zu studieren, wo sie der frauenfeindlichen Einstellung von Professoren und Kommilitonen ihren brillanten juristischen Verstand, aber auch ihren eisernen Willen, sich zu behaupten, entgegensetzt. Gisela Trotha, die voll Lebenslust die Ehe mit Thereses Bruder eingeht und damit ihr Schicksal als Hausfrau zu besiegeln scheint, dann aber doch ihren Weg in die Modewelt findet.
Die beiden Frauenfiguren sind der Familiengeschichte der Autorin entstiegen. Beim Lesen kann man sich den Kampf der jungen Frauen vergegenwärtigen, der kein lautes Aufbegehren ist, sondern ein stetiges Vorantasten und Auseinandersetzen mit den eigenen Unsicherheiten. Hinzu kommen der West-Ost-Konflikt und die deutsche Kriegsbewältigung. Viele interessante Themen, die nur angeschnitten werden und bei denen man froh ist, wenn man am Ende des Buches im Internet recherchiert und feststellt, dass die Autorin mit „Zwei Handvoll Leben“ noch ein weiteres Buch über ihre außergewöhnliche und doch beispielhafte Familiengeschichte veröffentlicht hat.
Droemer TB, 2021, 496 Seiten, 12 €
Morgen, Klufti, wird’s was geben, von Klüpfel und Kobr
Für die Fans des Kommissars Kluftinger, der seit Jahren im Allgäu ermittelt, haben die Autoren ein besonderes Weihnachtspaket geschnürt. Eine Weihnachtsgeschichte mit 24 Kapiteln. Ja das klingt nach Adventskalender. Jeden Tag ein Kapitel lesen und an Heiligabend in Friede, Freude und Wohlgefallen schwelgen, wenn sich trotz oder wegen Kluftis Einsatz wie immer alles zum Guten wendet.
Ullstein Hardcover; 2021, 144 Seiten, 14€
Zur Sache, Mädels, von Ina Kloppmann
Es ist der 2. Band aus der Reihe Short Storys to Go. In dem spannenden, aber auch humorvoll geschriebenen Roman geht es um Freundschaft, Liebe und Kriminelle, die soziale Netzwerke, wie z.B. Facebook für ihre Machenschaften nutzen.
Um ihre Urlaubskasse aufzufüllen, organisiert Suzan am Wochenende Toy-Partys für Frauen, zu der die jeweilige Gastgeberin ihre Freundinnen zu sich nach Hause einlädt. Statt Tupperware präsentiert Suzan erotisches Spielzeug, Badesalze, Lotion und Dessous. Nach einem dieser Abende trifft sie in dem Wartehäuschen an einer Bushaltestelle auf Gregor und gerät in eine peinliche Situation, die zu einem Missverständnis und einem amüsanten verbalen Schlagaustausch führt. Die tempera-mentvolle Diskussion endet im gegenseitigen Interesse und bevor sich die beiden trennen, hinterlässt Gregor seine Telefonnummer auf der Innenseite von Suzans Handfläche. Als sie später zu Hause duscht, stellt sie enttäuscht fest, dass die Nummer nicht mehr sichtbar ist. Es bleibt ihr aber keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn irgendjemand verbreitet auf Facebook sexistische und beleidigende Kommentare, die ihre Person betreffen. Mit ihren Freundinnen versucht sie herauszufinden, wen sie sich und warum zum Feind gemacht hatte. Wie gefährlich diese Person ist, wird sie bald erfahren.
Weitere Info: www.krimisfuerfrauen.de
Books on Demand, 2019, Kindle, 1.99€
Die letzten Tage der Nacht, von Graham Moore
Wie gehen wir mit wissenschaftlichen Erkenntnissen um? Wer darf sie ausschlachten?
Nicht jede Erfindung, die wir heute täglich nutzen, stand von Anfang an allen zur Verfügung. New York, 1888. Der frisch gebackene Anwalt Paul Cravath gerät in einen Patentkrieg zwischen dem Erfinder Thomas Edison und seinem Gegenspieler George Westinghouse. Die Glühbirne, eine bahnbrechende Erfindung und ihr Patent, verspricht die Macht und hohe Gewinne, um das gesamte Land zu elektrifizieren. Edison ist ein gefährlicher Gegner mit einem Netzwerk aus Spionen, gekauften Journalisten und selbst der Unterstützung von J.P. Morgan. Cravath erhält nur Unterstützung vom etwas verschrobenen Erfinder Nikola Tesla, der sich auch der Anwendbarkeit von Elektrizität widmet, und der Mandantin und Freundin Agnes Huntington. Moore mischt Zutaten wie Erfindergeist, Genie, Ehrgeiz und Machtkampf in einem packenden Roman, der auf wahren Ereignissen beruht, allerdings mit einigen literarischen Freiheiten.
Lübbe, 2018, TB 464 Seiten, 11€
Blackout – morgen ist es zu spät, von Marc Elsberg
Aktueller kann das Thema gerade nicht sein. An einem kalten Februartag brechen in Europa alle Stromnetze zusammen. Der totale Blackout. Der italienische Informatiker Piero Manzano vermutet einen Hackerangriff und versucht, zu den Behörden durchzudringen – erfolglos. Der Debutroman von Marc Elsberg ist sehr spannend und liest sich wie ein Krimi über eine mögliche Katastrophe in der Stromindustrie. Informativ und zum Nachdenken anregend. Etwas lang, aber interessant geschrieben.
Blanvalet 2012, 800 Seiten, 12€
Projekt Lightspeed, von Joe Miller, Uğur Şahin, Özlem Türeci
Die Debatte um die Covid19 Pandemie, Impfstoffe und Medikamente ist in vollem Gang. Wer liefert als erste Lösungen, die umsetzbar sind und Erfolg versprechen? Die beiden Wissenschaftler Uğur Şahin und Özlem Türeci, Mitgründer von BioNTech, waren in diesem Rennen ganz vorne mit dabei. Sie haben einen der ersten zugelassenen Covid-19-Impfstoffe entwickelt – und damit Medizingeschichte geschrieben. Im November wurden sie dafür mit dem Deutschen Zukunftspreis von Bundespräsident Steinmeyer ausgezeichnet. Wie haben sie das geschafft? Der Financial Times-Journalist Joe Miller erzählt ihre Geschichte von den ersten Stunden des Kampfes gegen Covid-19 bis zur Zulassung des Impfstoffs. Die beiden Wissenschaftler konnten auf 30 Jahre Forschung an der neuartigen mRNA-Technologie aufbauen, um ihren Ausweg aus der Corona-Pandemie anzubieten. Neben Şahin und Türeci sprach Miller mit über 50 Wissenschaftlern, Politikern und Mitarbeitern von BioNTech über dieses Projekt, das sie Lightspeed genannt haben. Es teilt die Vision der Mediziner, mit der mRNA-Technologie Therapien gegen viele andere Krankheiten wie Krebs, HIV oder Tuberkulose zu finden. Ein beeindruckender Einblick in die Medizinforschung und der Umsetzung von Ergebnissen in praktischen Heilmitteln.
Rowohlt, 2021, 352 Seiten, 22€
Das Glas-Universum: Wie die Frauen die Sterne entdeckten, von Dava Sobel
Auch in diesem Buch geht es um wissenschaftlichen Fortschritt. Manchmal geht die Fleißarbeit, die dahintersteckt, ein wenig unter. Als Edison mit seiner elektrischen Glühbirne für Aufsehen sorgte, erkundeten Sternbeobachterinnen an der amerikanischen Ostküste erstmals die Gestirne. Ein Professor der Harvard University engagierte sie Anfang der 1880er-Jahre zunächst als »Computer« – als Rechnerinnen – am Observatorium. Es waren zumeist Absolventinnen der neuen Frauen-Colleges. Diese begeisterten Sternbeobachterinnen leisteten Erstaunliches, weil sie von dieser neuen Wissenschaft der Astronomie gefesselt waren: Die ledige Mutter und ehemalige Haushälterin Williamina Fleming etwa machte durch ihre Berechnungen allein schon an die 300 Sterne ausfindig. Die Pfarrerstochter Antonia Maury entwickelte eine eigene Klassifikation der Planeten, die heute als Grundstein der modernen Astrophysik gelten kann. Doch wenige der Harvard-Frauen fanden später die verdiente Anerkennung auf einer eigenen Forschungsstelle. Dava Sobel setzt mit ihrem spannenden Buch dem Wirken der ambitionierten Wissenschaftlerinnen ein Denkmal.
Piper TB, 2019, 464 Seiten, 14€