200 Jahre Eleganz und Kultur: Passeig de Gràcia

Auf dem Passeig de Gràcia wirkten neben Gaudi viele Architekten wie Pere Falqués i Urpí oder Toyo Ito. Die Skulptur „Pink Barcino“ von Lluís Lleó erinnert an den pulsierenden Schnittpunkt mit der Avinguda Diagonal., Fotos: laiadin
Der Passeig de Gràcia wurde im Jahr 2020 zweihundert Jahre alt, oder er wurde es im Jahr 2024, oder sogar im Jahr 2027.
Niemand weiß es genau. Es hängt davon ab, ob als Datum zum Feiern des Jubiläums der Beginn der Arbeiten (1821), die Wiederaufnahme dieser Arbeiten im Jahr 1824 nach einer Unterbrechung, oder die endgültige Einweihung im Jahr 1827 gewählt wird. Was auch immer der Fall sein mag, was niemand in Frage stellt, ist, dass der Boulevard von Barcelona eine der vollständigsten Straßen auf der Welt geworden ist, denn man kann spaziergehen, einkaufen, essen, Geschichte und Kunst erfahren, die besonderen Fliesen und Laternen bewundern…Alles ist möglich auf dem Passeig de Gràcia!
Das war nicht immer so. Bevor der heutige Boulevard angelegt wurde, war die Straße viel früher al Camí de Jesús bekannt (auch Caminet de Gràcia genannt), denn es handelte sich um eine schmale Straße und war der Verbindungsweg zwischen der nördlichen Stadtmauer von Barcelona und der Stadt Gràcia (bis 1897 eine eigenständige Gemeinde), wo die in der Stadt konsumierte Milch herkam, sowie Sant Gervasi und Sarrià, den beliebtesten Sommerorten der damaligen Barcelona-Bourgeoisie. Damals wurde der Weg in Barcelona durch el Portal de l’Àngel betreten.
Im Jahr 1820 genehmigte der Stadtrat von Barcelona das Projekt des Ingenieurs Ramon Plana zur Verbesserung der Straße, aber die Arbeiten konnten erst nach dem Ende der Gelbfieberepidemie im Jahr 1821 beginnen. Das Reformprojekt verlieh dem Passeig die Breite von 42m, die er auch heute noch hat, und die schmale Straße wurde in einen breiten Boulevard umgewandelt. Diese Neuigkeit wurde mit Begeisterung aufgenommen, da das Gelände von üppiger Vegetation umgeben war. Es erschien perfekt, einen Raum am Rande des überfüllten und erdrückenden, von Mauern umgebenen Barcelonas zu schaffen, wo die Bürger Entspannung fanden.
Im Laufe der Zeit wurden neue Freizeiteinrichtungen wie Kiosks und Cafés eröffnet und die gesamte Promenade wurde mit Gaslichtern beleuchtet (1853). Mit der Umsetzung des Cerdà-Projekts (ab den 60er Jahren) wurde die Promenade zur Allee, die das Eixample nach rechts und links gliedert, und, zu der heute breitesten Straße der Stadt.
Schon bald faszinierte der Passeig de Gràcia die classe burgesa, zuerst mit Sitzplätzen und Gärten, Jahre später, vor den Toren des 20. Jahrhunderts, mit modernistischer Architektur. Industrielle, Apotheker, Ärzte… sie alle konkurrierten miteinander, um von den Architekten der Zeit das originellste und schönste Gebäude schaffen zu lassen: Gaudí, Domènech i Montaner, Puig i Cadafalch oder Enric Sagnier, unter anderem. Und so entstanden la Casa Amatller, la Casa Lleó Morera, la Casa Batlló oder la Casa Milà (La Pedrera). Die zwei letzteren wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Es war eine Zurschaustellung von Kreativität und Opulenz.
Im Jahr 1906 entwarf der Architekt Pere Falqués i Urpí die berühmten Trencadís-Laternenbänke, die entlang der Promenade verteilt sind. Drei Jahre später fügte er 6 weitere Laternen an der Kreuzung zur Diagonal hinzu, die im Februar 1957 entfernt werden mussten, weil sie den Verkehr behinderten (sie stehen jetzt in l’Avinguda Gaudí).
In der Hausnummer 60 hatte die baskische Regierung während des Bürgerkriegs ihren Sitz, und in der Hausnummer 132, in La Casa Fuster, wohnte de Dichter Salvador Espriu, der auch den Gärten oben am Paseo seinen Namen gab, bekannt als die Jardinets de Gràcia.
Im Jahr 1971 wurde entlang des Passeig eine Tiefgarage gebaut, und die Urbanisierung wurde geändert: breitere Bürgersteige auf Kosten der Promenaden. Diese wurden in Parkplätze umgewandelt, wodurch die Laternenbänke vom Durchgang isoliert waren. Gleichzeitig wurden um die Ecken kreisförmige Trencadís-Pflanzenbänke errichtet, die die Laternenbänke imitierten. Auch wurden die Fußgängerwege mit sechseckigen Platten gepflastert (inspiriert von denen in der Küche von La Pedrera), die kürzlich durch kleinere ersetzt wurden, die dem Originaldesign besser ähneln. Die Stücke sind sechseckig, einfarbig und haben ein maritimes Motiv: In einer Gruppe von 6 sind je ein Oktopus, eine Meeresschnecke und ein Seestern zu sehen.
Der Passeig de Gràcia hat sich mittlerweile von der Flaniermeile für die Burgesia zum Handelszentrum und internationalen Schaufenster der Stadt entwickelt. In diesen zweihundert Jahren waren die anderthalb Kilometer des Passeig de Gràcia (genau 1,6 km) stets Schauplatz des Lebens und der Geschichte der Stadt Barcelona.
Derzeit konzentriert der Boulevard ein sehr vielfältiges, kulturelles, touristisches und wirtschaftliches Angebot, das sich durch hohe Qualität und Luxusstandards auszeichnet, darunter das Hotel- und Unterhaltungsangebot, Geschäfte international anerkannter Marken mit großem Prestige, architektonisches Erbe und Feierstätte wichtiger kultureller Ereignisse.
Bemerkenswert ist die Associació del Passeig de Gràcia (APG), 1952 gegründet, einer der ältesten Handelsverbände in Barcelona, mit 150 Mitgliedern und Vertretern der wichtigsten nationalen und internationalen Unternehmen. Der Verband wurde 2014 mit dem Nationalen Handelspreis in der Kategorie „Offene Einkaufszentren” ausgezeichnet, in Anerkennung des Marketingplans für den Kreuzfahrttourismus (Ministerium für Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Regierung).
Interessant ist auch das Buch vom Chronist Lluís Permanyer (geboren 1939) “El Passeig de Gràcia. 200 anys d’un espai burgès“ (Efadós, 2023), in dem der Autor einen Rundgang durch zwei Jahrhunderte Geschichte einer der beliebtesten Straßen der Welt unternimmt, und erklärt warum die Bourgeoisie Barcelonas diesen Ort zum Leben und sich Sehenlassen wählte.
Von Sara Oró, Februar 2025
Schlagwörter: Barcelona, Sehenswert, Unterwegs