Ein kaum bekanntes architektonisches Schmuckstück

Montferri in Schiffsform, Foto: Anna Camps
Santuari de la Mare de Déu de Montferri
Es gibt Orte, an die man zunächst zufällig zu gelangen scheint, doch im Nachhinein erkennt man, warum das Leben einen dorthin geführt hat.
Das kleine Dorf MONTFERRI, mit knapp 400 Einwohnern, liegt in der Region Alt Camp knapp 100 km von Barcelona entfernt in Richtung Tarragona. Es ist eingebettet in eine sanfte Hügellandschaft, umgeben von Weinbergen. Auf einem kleinen Hügel außerhalb des Dorfes inmitten von Feldern erhebt sich majestätisch die Kuppel der Wallfahrtskirche Mare de Déu de Montserrat.
Die besondere Form des Pinakels und die beeindruckende Architektur erinnern an die charakteristischen Formen des Montserrat-Gebirges. Der Jesuit Daniel Marià Vives, Sohn von Montferri, war begeistert darüber, dass seine Gemeindemitglieder einmal im Jahr nach Montserrat pilgerten, um zur Schwarzen Madonna, La Moreneta, zu beten. Er sprach mit seinem Cousin, dem Bürgermeister des Dorfes Montferri, und erhielt am 25. Mai 1922 die Erlaubnis, eine Kapelle im Dorf zu errichten, welche seine Bürger ebenfalls begeistern sollte.
Die Grundsteinlegung fand am 15. November 1925 statt und das ganze Dorf beteiligte sich am Bau. Die Einwohner fertigten die Backsteine nach einem konkreten Muster an, wofür sie Beton und speziell ausgearbeitete Holzformen verwendeten. Diese benutzten Holzgussformen kann man heute noch in der Kapelle sehen. Die Bauarbeiten hatten mehrere Etappen und wurden für einige Jahre aus verschiedenen sozial-politischen Gründen unterbrochen. Erst 1985 wurden die Arbeiten wieder konstant aufgenommen, um das Projekt zu beenden.
Schließlich wurde das Heiligtum am 30. Mai 1999 geweiht.
Das beeindruckende Werk wurde vom Architekten Josep Maria Jujol entworfen, der mit Hilfe und Beratung vom Jesuit Marià Vives, die Kapelle als Schiffsform gestaltete. Die Kapelle ist in Richtung des Montserrat-Gebirges ausgerichtet und von kleinen gemauerten Wänden umgeben, die an Meereswellen erinnern. Diese Mauern wurden aus recycelten Materialien wie alten Lattenrosten gefertigt, was die nachhaltigen Prinzipien der Künstler des Jugendstils unterstreicht.
Josep Maria Jujol ist auch bekannt, weil er ein brillanter Mitarbeiter von Gaudí war. So ist es nicht verwunderlich, dass die Kapelle modernistischen Bauformen folgt. Sie wird auch schon hier und da als die andere oder kleine Sagrada Familia bezeichnet. Jujol war nicht nur Architekt, sondern auch Zeichner und Designer. In der Kapelle von Montferri fällt besonders das geschmiedete Geländer auf, das die Form eines Fischernetzes hat und die Treppe zum Altarraum umrahmt. Dieses Design ist eine biblische Allegorie, inspiriert von den Worten Jesu: „Kommt, folgt mir nach! … Ich werde euch zu Menschenfischern machen.“ (Matthäus 4:19-20; Markus 1:17-18).
Josep Maria Jujol integrierte in all seinen Werke zwei zentrale Symbole: das Meer und die Madonna von Montserrat. Das Meer war ein wiederkehrendes Motiv, da Jujol in seiner Kindheit im Fischerviertel Serrallo in Tarragona lebte und vom Meer tief geprägt wurde. Die Madonna von Montserrat als Teil seiner Kultur und seiner tiefen Religiosität. Die Kapelle wurde erst 50 Jahre nach seinem Ableben fertiggestellt.
Die Kapelle ist montags und dienstags geschlossen. Ein Besuch ist sehr lohnenswert und lässt sich gerade im Februar oder März hervorragend mit einer Calcotada im nicht weit entfernten Restaurant Castell de Rocamora verbinden.
Von Anna Camps, März 2025
Infos
Tel.: 621.265.905/ 621.223.815
www.montferri.altanet.org
Schlagwörter: Ausflüge, Katalonien, Kultur, Museen und Sehenswürdigkeiten