Kratz mich mal, sagt der Himmel über Barcelona I
Nichts zeichnet eine Großstadt so aus, wie ihre Wolkenkratzer. Barcelona bildet da trotz oder vielleicht auch wegen seiner besonderen Architektur keine Ausnahme.
Der bekannteste
Die Torre Glòries beispielsweise, das wohl emblematischste Hochhaus in Barcelona, ist aus der Skyline nicht mehr wegzudenken. Früher Torre Agbar als Akronym für Aguas de Barcelona, bildet das 144 m hohe Gebäude seit nunmehr 16 Jahren den Eingang zur innovativen Technologiezone 22@ und hat seinen Namen der erst kürzlich fertiggestellten Plaça de les Glòries angepasst.
Mit seinen 34 überirdischen Stockwerken ist die Torre Glòries das dritthöchste Gebäude nach den Zwillingstürmen Torre Mapfre und Hotel Arts Barcelona. Es beherbergt hauptsächlich Büroräume und gehört einer Immobiliengruppe.
Die Form des Wolkenkratzers ist sehr umstritten. Zum einen, weil sie der des zeitlich etwas eher erbauten Londoner Wahrzeichens 30 St Mary Axe verblüffend ähnlich sieht. Zum anderen, weil die vom Architekten Jean Nouvel viel zitierte Anlehnung an die Gipfel der Berge von Montserrat doch weniger naheliegt, als ein anderes augenfälligeres Bild. Auch die sprudelnde Fontäne erkennt nur, wer den Zusammenhang mit den Voreigentümern, den städtischen Wasserwerken kennt.
Dass die Torre Glòries sich allerdings nicht ins Stadtbild mit den Vorgaben des hier beliebtesten Architekten Antoni Gaudí einfügt, stimmt so nicht. Denn tatsächlich gibt es einen Entwurf von Gaudí für das Hotel Attraction in New York, der zwar nie zur Ausführung kam, aber doch die charakteristische… nun, sagen wir: Ei-Form aufweist, die auch die Torre Glòries hat.
Außerdem ist die Struktur gänzlich verschieden von der der Londoner „Gurke“. Sie besteht aus 2 übereinander gestülpten Betonzylindern. Die Außenhaut ist ein in 40 verschiedenen Farben lackiertes Aluminiumgerüst mit knapp 60.000 Glaslamellen, die verschieden geneigt und unterschiedlich transparent sind.
Der Grundriss ist nicht rund, wie man annehmen möchte, sondern leicht oval. Die Neigung zur Kuppel beginnt erst in der 15. Etage. Bis dahin ist die Torre eben sehr aufrecht…
Das Highlight ist natürlich die Beleuchtung in der ersten Nachthälfte der Wochenenden. Hierzu wurden 4500 LEDs installiert, die computergesteuert in bis zu 16 Mio. verschiedenen Farben leuchten. Die Anlage ist dabei so effizient, dass eine Stunde Komplettbeleuchtung gerade mal 6 € kosten soll (zumindest vor den Tariferhöhungen). Mittlerweile ist die Torre Glòries für Besucher so attraktiv, dass sie eine eigene Haltestelle für den Bus Turístic hat. Von da oben mal runterschauen, denkt sich so mancher. Dies muss kein Wunschtraum bleiben, denn ab dem Frühjahr 2022 soll auf vielfachen Wunsch die Kuppel des Wolkenkratzers öffentlich zugänglich gemacht werden. Von dort dürfte man einen spektakulären Blick auf die nicht einmal 20 Gehminuten entfernte Sagrada Familia haben.
Kati Niermann, Februar 2022