Kratz mich mal, sagt der Himmel über Barcelona IV
Die Zwillinge
Als im Zuge von Olympia 1992 die gesamte Strandlinie von Barcelona remodelliert wurde, um die Stadt zum Meer hin zu öffnen, hat sich die Ciudad Condal ein Denkmal von 154m Höhe gesetzt. Besser gesagt zwei Denkmale, denn das Hotel Arts Barcelona und die Torre Mapfre sind als die Twin Towers von Barcelona bekannt. Sie bilden das Eingangstor zum Olympischen Hafen.
Das Hotel Arts ist ein 5-Stern e-Luxushotel der Ritz-Carlton-Gruppe. Es soll zu den teuersten in Spanien gehören. Nichtsdestotrotz hat Ariana Grande 2016 hier schon einmal eine ganze Etage gemietet. Der indische Milliardär Lakshmi Mittal reservierte für die Hochzeit seiner Nichte sogar fast das ganze Hotel, auch die Infanta Cristina hatte zu ihrer Hochzeit vor fast 25 Jahren zahlreiche Gäste hier untergebracht. Neben 483 Zimmern und einem halben Dutzend Restaurants gibt es in den oberen der 44 Etagen 30 Luxusapartments. Die 42. und die 43. Etage sind einem Spa-Bereich vorbehalten und am Fuße des Hotels sorgt ein Casino für aufregende Nächte. Außerdem gibt es quasi im Vorbeigehen eine exquisite Sammlung zeitgenössischer Kunst zu bewundern.
Fertiggestellt wurde das Hotel tatsächlich erst 1994, also zwei Jahre nach der Olympiade in Barcelona. Auch der Architekt Bruce Graham setzte auf viel Glas für die Fassade. Dieses wird von einem stählernen weißen Exoskelett eingefasst. Der Stahl, der nahe dem Meer natürlich der Korrosion ausgesetzt ist, machte 2016 Wartungsarbeiten erforderlich. Diese mussten quasi an Extremsportler vergeben werden, die zum einen die große Höhe nicht scheuen und zum anderen den außergewöhnlichen Witterungsbedingungen wie Wind und Hitze, aber auch extremem Sonnenlicht, verstärkt durch die Spiegelung in der Glasfassade, gewachsen sind. Zweimal täglich wurde der Wetterbericht geprüft, um den Einsatzort der Mitarbeiter so ungefährlich wie möglich zu gestalten. Zur Sicherheitsausstattung der Arbeiter gehörten damals neben allem, womit man einen Sturz aus großer Höhe vermeiden kann, auch anständige Sonnenbrillen.
Die Torre Mapfre gleich neben dem Hotel Arts verdankt ihren Namen der Versicherung Mapfre, deren Logo in großen roten Lettern am Dach des Gebäudes prangt. Es ist ein Bürokomplex, der vielen von uns ein Begriff ist, da auch das Deutsche Generalkonsulat hier residiert. In der 30. Etage kann man sich die Wartezeit auf einen neuen Pass mit dem Genuss der spektakulären Aussicht versüßen.
Der Überblick über den gesamten Strand von Barcelona ist nicht nur schön, sondern wurde zu Zeiten der Pandemie auch sinnvoll genutzt, um Menschenansammlungen zu vermeiden. Hierzu wurden kurzerhand vom Ayuntamiento auf der Torre Mapfre Kameras installiert und je nach dem Bild, das sich ergab, wurden die einzelnen Strandabschnitte gesperrt.
Auch von unten betrachtet, haben die Architekten Iñigo Ortiz und Enrique León ein tolles Detail eingebracht. Die Fassade aus Granit und Edelstahl ist so designt, dass die leicht geneigten Fenster den Boden reflektieren. Je nach Standpunkt kann man ein Pixelbild der Stadt einfangen oder eine gigantische Spiegelung des Hotel Arts. Schön für Selfies ist der Blick vom Strand, der auch die riesige Skulptur eines Fisches von Gehry mit ins Bild bringt. Hier kann man gut mit Perspektiven spielen.
Von unten nicht zu sehen ist, dass die Torre Mapfre einen eigenen Heliport auf dem Dach hat (auch hier macht Google maps das Wissen frei verfügbar). Dieser sollte wohl eigentlich als Flughafenzubringer dienen. Eine Idee, die schnell verworfen wurde. Heute dient der Hubschrauberlandeplatz nur noch für Notfälle.
Tatsächlich waren die Zwillingstürme seinerzeit die zweithöchsten Gebäude in Spanien, nur übertroffen von der Torre Picasso in Madrid. Im Laufe der Jahre und im Bauboom sind die beiden im Ranking zwar stark nach unten gerutscht, in Katalonien sind sie allerdings konkurrenzlos geblieben.
Nun – vielleicht nicht ganz, denn ein nicht ganz so hohes, aber deutlich ausgefalleneres Zwillingspärchen findet sich vor den Toren der Stadt.
Kati Niermann, Februar 2022