Learnlife Eco Hub in Castelldefels
Einfach nur eine neue Schule?
Das war für mich die große Frage und die Antworten, die ich bei meinem Besuch vor Ort erhalten habe, gehen tatsächlich weit über meine Erwartungen und auch Vorstellungen von Schule, wie man sie kennt, hinaus. Im Vorfeld zu dem Besuch hatte ich im Inter-net zu dem learnlife Konzept recherchiert, was sich in der Theorie schon spannend und innovativ darstellte.
Nun war ich gespannt auf die Realität. Schon allein die Lage in unmittelbarer Strandnähe und die ausgefallene Architek-tur in Form von einer Art Holzhausmodulen bestärkten mei-ne Neugier auf das Schulkonzept. Und hier muss man direkt mit der Korrektur ansetzen: Schule ist nicht die adäquate Bezeichnung, sondern wie der Name Hub andeutet, handelt es sich um ein Zentrum. Und so beschreibt es auch die Web-site: Ein Nachhaltigkeits- und Innovationszentrum für die ganze Familie. Christopher Pommerening, Gründer und Lei-ter des Zentrums, nahm sich eineinhalb Stunden Zeit mir seine Visionen vom zukunftsorientierten Lernen näher zu bringen. Als Einstieg erzählte er eine Anekdote aus seiner eigenen Kindheit. Immer wenn er eine schlechte Note mit nach Hause brachte, hat seine Mutter ihm sein Lieblingses-sen gekocht. Kein Wunder also, wenn er heute sagt: It`s time to change education… und dem würden doch viele von uns zustimmen, oder? Aber wie? Bietet das learnlife Konzept tatsächlich den großen Wurf in die Zukunft?
Nur etwa 3-4 % aller Menschen gehören zum innovativen Teil der Menschheit führt Christopher Pommerening aus. Zu diesen kann man ihn mit Fug und Recht zählen. Eigentlich ist er Unternehmer und kommt aus der Autobranche, bis er vor acht Jahren das Thema Bildung für sich entdeckte. Hundert Schulen in vierzig Ländern hat er besucht, um deren Best practice-Beispiele zur Grundlage für das learnlife Konzept zu machen. Es lohnt sich, da genauer einzusteigen und wer das möchte, findet im Internet ausreichend Informationen. Es würde den Rahmen des Artikels sprengen, sodass ich mich auf einige wesentliche Aspekte, die ich aus dem Gespräch mit Christopher mitgenommen habe, beschränke.
Schule aktuell ist systemzentriert, das learnlife Konzept dage-gen stellt den Menschen in den Mittelpunkt und die Lernmo-tivation generiert sich über die Sinnhaftigkeit für einen sel-ber. Zeitliche und räumliche Strukturen sollen wegfallen und ersetzt werden durch sogenannte Rahmen. Dieser Rahmen kann je nach Standort durchaus sehr unterschiedlich sein. Der Rahmen für den Eco Hub in Castelldefels liegt beim na-turbelassenen Lernen. Fundamental und Hauptziel ist dane-ben aber das Autonome Lernen, was über verschiedene Autonomielevels erreicht werden kann. In den unteren Le-vels stehen Lernbegleiter zur Seite. Wie der Name Lernbe-gleiter schon sagt, unterscheidet sich dessen Rolle vom her-kömmlichen Lehrer – er ist Begleiter und auch gleichzeitig Mitlerner. Benotung, Examina, Zeugnisse fallen komplett weg und werden durch verschiedene feedback Konzepte, wie Tops und Tipps ersetzt. Statt Klassenraum bieten verschiede-ne Lernhubs den Schülern Angebote in Form von Leiden-schafts- oder Herausforderungsprojekten, um nur einige zu nennen.
Als Untergruppe gibt es dann sogenannte Bildungsblocks, wie zum Beispiel im Grundschulbereich reading oder imagine genannt. Im erst Genannten lesen die Kinder, aber jeder liest das, was ihn persönlich interessiert. Im Block imagine kreie-ren die Kinder eigene Ideen und Projekte. Englisch lernen die Kinder sozusagen by doing, denn die Schulsprache ist Englisch. Die Schriftsprache wird erst im Nachgang also zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt. Ein Spaziergang über das Gelände des Eco Hubs füllt die Theorie mit anschaulichen Eindrücken: In einem Raum lauscht eine große Gruppe Kin-der den Präsentationen ihrer Mitschüler. Draußen rennen spielende Kinder vorbei. Nebenan im Freien konstruieren und basteln Kinder an selbstgewählten oder ausgedachten Projekten. Mehrere Kisten mit verschiedenen Materialien stehen zur freien Auswahl zur Verfügung. Im Schatten meh-rerer Bäume sitzt eine Gruppe Eltern und diskutiert angeregt.
Bis zu sechzig Kinder im Alter von 6-11 Jahren kann das erst kürzlich im Jahr 2022 eröffnete Zentrum aufnehmen und die Kapazität wird wahrscheinlich schon mit Beginn des neuen Schuljahres im September ausgeschöpft sein.
Dass learnlife nicht stoppt, sondern wie ein Trojanisches Pferd die alten Bildungssysteme infiltriert, Methoden und Strukturen aufbrechen hilft, um eine neue Lernkultur zu implementieren, die unsere Kinder und Kindeskinder zu-kunftsfähig macht für eine nachhaltige und lebenswerte Welt, das ist das ganz große Ziel für Christopher.
Mehr als beeindruckt verlasse ich diesen schönen Ort und ich wünschte, ich wäre auch ein Visionär!
Infos https://www.learnlife.com/barcelona-eco-hub
Von Uta Illing, Juni 2023
Schlagwörter: Ausbildung, Moderne Welt