Skype macht´s (un-)möglich
Ein Virus geht um und wir werden in Quarantäne geschickt. Für Wochen! Und jeder versucht, das Beste daraus zu machen. Da wird geputzt, geheimwerkelt, gepuzzelt, gelesen, gehandarbeitet; also Dinge getan, die einem halt sonst nicht so liegen oder zu denen man normalerweise aus Zeitmangel nicht kommt. Aber große Hilfe, die dafür sorgt, dass uns nicht die Decke auf den Kopf fällt, bieten ja glücklicherweise Fernsehen und Internet. Und welch ein Segen, dass es Skype gibt! Da kann man stundenlang mit Verwandten und Freunden aus aller Welt Verbindung aufnehmen. Aber nun kommt die Crux. Nach langer Zeit zuhause, ohne Büro, ohne gesellschaftliche Treffen und Einkäufe, bei denen man sich hinter einer Maske verstecken kann, wird man ziemlich lässig. Das lästige Rasieren wird als unnötig abgetan und verschönert nicht jeden Mann. Es ist erstaunlich, was man morgens schon alles im Nachthemd erledigen kann! Und wenn man dann endlich unter der Dusche war, zieht man schnell irgendetwas nicht gerade elegantes, aber unheimlich bequemes an. Einen Spiegel bräuchte man eigentlich nicht, da schminken und Haare stylen im Moment out sind. Im Grund ist das mal richtig schön und könnte so herrlich genossen werden, wenn …ja, wenn da nicht Skype wäre. Jederzeit kann es piepsen und liebe Menschen wollen uns unbedingt sehen und mit uns plaudern. Durch die weltweiten Verbindungen und die dadurch bedingte Zeitverschiebung, kann man nie sicher sein, wann jemand plötzlich Sehnsucht nach uns hat. Und wenn jemand mit uns skypen möchte, dann hat er sich sicher vorher ein bisschen nett zurechtgemacht, logisch. Und wir? Nein, das geht nun wirklich nicht. Also stehe ich morgens zeitig auf, verschwende viel Zeit im Badezimmer, benutze alle Tuben und Stifte, die notwendig sind, um mein Aussehen auf Hochglanz zu bringen, durchwühle meinen Kleiderschrank jeden Tag aufs Neue nach einem flotten Outfit (man möchte ja bei wiederholten Anrufen derselben Person nicht immer im gleichen Dress vor dem Computer sitzen). Die Umgebung hinter mir ist hübsch aufgeräumt und ein Topf mit Stiefmütterchen schmückt den Anblick noch ungemein. Das bauchige Glas mit Rotwein wird (natürlich nur zur passenden Tageszeit) ins Bild gerückt. So, alles bereit. Und? Warum ruft jetzt keiner per skype an? Also dann melde ich mich halt mal. Meine Freundin erscheint mit 5 Lockenwicklern im Haar und einem zerdrückten Pulli auf dem Bildschirm. Es wirkt so gemütlich und natürlich. Sie grinst: wie siehst du denn aus, musst du heute noch zum Müllcontainer? Irgendwie komme ich mir blöd vor und nach unserem Plausch verschwinde ich im Bad, verwandle mich in einen normalen Menschen in Quarantäne und beschließe, beim nächsten Skypen endgültig im Nachthemd zu antworten.
Von Dixi Greiner
Schlagwörter: Europa, Geschichte, Kultur, Moderne Welt