Tierisch menschlich

Die Giraffe – entspannt auf der Rambla, Foto: laiadina.
In einem Kinderlied heißt es: Ich bin stark wie ein Tiger und groß, wie eine Giraffe so groß! Und schon die Kleinsten zeigen dabei mit Armbewegungen stolz an, wie stark und wie groß sie sind.
Man vergleicht die Attribute eines Menschen gerne mit denen eines Tieres: Der schlaue Fuchs, das schwarze Schaf, der dumme Esel, der Angsthase, das fromme Lamm, usw. Tatsächlich waren sich Mensch und Tier schon von Beginn ihres Daseins an in ihren evolutionären Wurzeln sehr ähnlich. Sie flüchteten bei Gefahr und Angst, suchten Schutz vor Hitze und Kälte und mussten sich ihre Nahrung erjagen. Und schon früh wurden in der Mythologie den Göttern Tiere als Symbol ihrer Macht und Kraft zur Seite gestellt. Als bekannteste tauchen immer wieder der Löwe oder der Stier als absolutes Machtsymbol auf. Am besten noch ließ man Tier und Mensch gleich göttlich miteinander verschmelzen. Wir kennen den Centaurus, halb Mensch, halb Pferd. In der griechischen Mythologie finden wir den Satyr mit den Ziegenbeinen und den Minotaurus mit dem Stierkopf und aus der römischen sind uns die Faune bekannt. Na ja, was heißt bekannt, aber in der Schule mal darüber gehört haben wir doch alle. Genau wie über die Tierfabeln, deren erstes Erscheinen man Äsop zuschreibt. Sie lesen sich wie Märchen. Die vermenschlichten Tiere unterhalten sich und machen Dummheiten, und als Kinder fanden wir das absolut normal und ganz natürlich. Dass in der Fabel den Tieren die zentrale Rolle zufällt, menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen zu symbolisieren, und die Tiere sich teils dumm und töricht oder auch besonders gewitzt verhalten, war doch echt lustig zu lesen. Der erhobene moralische Zeigefinger wurde uns erst später bewusst.
Es gibt wohl kaum ein Tier, mit dem sich nicht durch eine Assoziation von Mensch-Tier so ziemlich jeder Charakter oder jede Emotion verständlich darstellen lässt. Sie sollen Stärke, Intelligenz, Sauberkeit, Dummheit, Kinderliebe usw. ausdrücken. Fangen wir mal an: Wer kennt nicht das fleißige Bienchen, das ewig schlafende Murmeltier, oder das Menschlein, das lammfromm daherkommt, aber eigentlich ein richtiges Stinktier ist. Oder die ewigen Kampfhähne, denen man mal ihre Hammelbeine langziehen sollte. Dabei fühlt man sich heute so hundemüde und hundeelend und muss dicke Krokodilstränen weinen. Natürlich bestaunen wir den bärenstarken Superhelden, lassen jedem Mann die Freude, Hahn im Korb oder bestes Pferd im Stall zu sein, einem alten Hasen hat man offensichtlich einen Bären aufgebunden und nun steht er wie ein begossener Pudel da. Und wir fragen uns, welches Kamel das Wasser im Garten angelassen hat.
Genau! Das Kamel war jetzt nicht gerade ein Kompliment, und es ist erstaunlich und eigentlich traurig, wie oft meistens Tiere als Schimpfwörter missbraucht werden. Dabei sind diese Tiere meist sehr viel klüger und angenehmer als die Menschen, die andere beschimpfen. Offensichtlich ist das Tier, mit dem der Mensch bei Beschimpfungen assoziiert wird, geschlechterabhängig. So muss sich eine Frau Kuh, Ziege, Huhn, Schaf oder Gans an den Kopf werfen lassen (verbal natürlich). Einen Mann mit „du dumme Gans“ zu betiteln, kommt einfach nicht gut an. Für den Mann hagelt es dagegen Worte wie Hirsch, Bock, Gockel, Dackel oder Rindvieh. Bei den Tierschimpfwörtern handelt es sich oft um metaphorische Beleidigungen, wie zum Beispiel: „du dummer Ochse“ oder „du bist ein sturer Esel“.
1910 schrieb der Oberlehrer Prof. Dr. Hugo Cohn einen ca. 27 Seiten langen wissenschaftlichen Bericht mit dem Titel „Tiernamen als Schimpfwörter“. Auf den ersten Seiten (mehr habe ich mir nicht angetan) schreibt er, dass man bei Goethe, Schiller, Lessing oder Gerhard Hauptmann Worte wie Lumpenhund, Ochsenkopf, Schafskopf und Schweinehund lesen kann. Also auch bei gebildeten Leuten beschimpfte man sich schon wie die Rohrspatzen.
Zum Glück gibt es aber auch viele liebenswerte menschliche Charakterzüge, die mit Tiernamen in Verbindung gebracht werden: der Frechdachs, die Leseratte, Turteltauben und Schmusekatzen und tapfere Löwen und tolle Hechte. Den Elefant im Porzellanladen kennt man bei beiden Geschlechtern. Und hängt man dem Tier ein „chen“ oder „lein“ an, entstehen die allerliebsten Koseworte: mein Schneckchen, mein Häschen, mein Spatzilein, mein Fröschchen, mein Schäfchen, mein Kätzchen, mein Kuschelbärchen. Na ja, Sie haben sicher noch einige hinzuzufügen.
Ich hatte das jetzt alles mal so per Hand geschrieben, aber meine Sauklaue kann ja kein Schwein lesen. Also doch lieber getippt! Aber Achtung, wenn Sie sich jetzt an die Stirn tippen und mir damit für den Artikel einen Vogel zeigen, kann das teuer werden, denn sowas ist strafbar.
Von Dixi Greiner, Oktober 2025
Schlagwörter: Barcelona, Moderne Welt
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