Birdie: Ein Vogel im Stadtbild Barcelonas

Der Graffitero Birdie prägt mit seinen Vögeln das Stadtbild, Foto: @gorkaatxa
Von den engen Gassen des Raval bis zu den S-Bahn-Zügen am Stadtrand – überall in Barcelona begegnet man ihm: Einem Vogel, gezeichnet mit sauberen Linien, aber unverkennbar. Birdie ist mehr als nur ein Graffito. Er ist ein Symbol für die Lebendigkeit einer Stadt und für die Leidenschaft eines Mannes aus dem Raval, der seit über 20 Jahren nicht aufhören kann zu malen.
Wie alles begann – Von Buchstaben zum Vogel
„Ich habe 2000 oder 2001 angefangen“, erzählt Birdie. „Am Anfang war ich alleine unterwegs, nachts, mit der Dose in der Hand. Buchstaben, Tags, schnelle Pieces.“ Doch schon nach weniger als einem Jahr skizzierte er etwas Neues: einen Vogel. „Er war richtig hässlich, aber irgendwie gefiel er mir. Und ich blieb dabei.“
Er gehörte zu der ursprünglichen Graffiti-Szene Barcelonas – einer Subkultur, in der es nicht um Genehmigungen oder Fördergelder ging, sondern um Präsenz. Er nannte sich zunächst Bird – bis er erfuhr, dass es schon einen anderen Writer mit diesem Namen gab. Also hängte er ein -ie an: Birdie. Ein kleiner Vogel, als Zeichen für seine damalige Rolle in der Szene: Der Neue.
Begegnungen, die alles veränderten
2002 kam es zu einem Schlüsselmoment. Birdie lernte den Künstler Pez kennen – bekannt für seinen lächelnden Fisch, der schon damals Barcelonas Wände zierte. „Wir haben uns zufällig am MACBA getroffen. Er malte dort, ich auch.“ Es entstand ein erstes gemeinsames Mural.
„Plötzlich sprachen alle über das Bild“, erinnert sich Birdie. „Es war besonders, weil unsere beiden Logotypen in Barcelona schon überall zu sehen waren – und jetzt vereint auf einer Wand.“ Aus der Begegnung wurde Freundschaft, und Pez öffnete ihm Türen zu neuen Kreisen: „Durch Pez habe ich die AMH-Crew kennengelernt. Leute wie Kenor und Naer – und später internationale Größen wie London Police, Chatnoir und Boris.“

Foto: @gorkaatxa
„Ich kann nicht aufhören“
„Ich habe immer Vollzeit gearbeitet. Birdie ist mein Hobby, meine Therapie. Ich muss es tun. Seit über zwanzig Jahren kann ich nicht aufhören.“
Auch heute noch zieht er mit Kenor frühmorgens los – Leiter, Farbe, Adrenalin im Gepäck. „Wir entscheiden spontan, in welchem Viertel wir malen. Es gehört zu meinem Leben. Ohne das könnte ich nicht sein.“
Für Birdie ist Kenor wie ein großer Bruder: „Wir sind total verschieden: Er ist voller Energie, immer motiviert. Ich bin ruhiger, brauche Pausen, achte mehr auf Sicherheit.“ Anfangs arbeiteten sie getrennt, ihre Motive nebeneinander. Doch inzwischen verschmelzen das K von Kenor und der Vogel von Birdie oft zu einem einzigen Werk. „Wir ergänzen uns. Es ist wie Tag und Nacht.“
Respekt vor der Straße
Er unterscheidet klar zwischen Streetart und Graffiti: „Ein Straßenkünstler malt mit Genehmigung für ein Gebäude, mit Themen und Konzepten. Einem Graffitero geht es ums Bombing* – seinen Namen oder sein Logo zu zeigen.“
Er riskiert Strafen, muss aufpassen nicht erwischt zu werden, sich sein Material beschaffen. „Aber dieser Kick, das ist Teil davon.“ Für ihn ist es wie das Gefühl nach gutem Sex – für Kenor wie das Gefühl nach einer guten Paella.
Birdie folgt stets einem eigenen Ehrenkodex. „Ich male nie über andere Graffitis oder Streetart. Neben den Graffiti-Codes ist mir auch der Respekt für die Straßenkunst wichtig.“
Erfolg ohne Kommerz
Heute verkauft Birdie einzelne Leinwände – für mehrere Tausend Euro in der Galerie Baseelements. Doch er lehnt es ab, daraus ein Geschäft zu machen. „Ich könnte leicht viel Geld verdienen. Aber ich will meinen Vogel nicht prostituieren. Birdie gehört auf die Straße.“ Aus diesem Grund entscheidet er bewusst, wie viele Leinwände er für den Verkauf zur Verfügung stellt.
Warum Graffiti wichtig ist
Birdie steht für das, was viele an Graffiti nicht sehen: Affirmation der eigenen Existenz durch ein Zeichen, Leidenschaft, Freundschaft und Ausdruck. „Ein Graffitero ist jemand, der nicht anders kann, als zu malen. Es kommt von tief innen. Ich mache das zu 100 Prozent für mich selbst.“
Denn egal, wie man dazu steht: Birdie und Kenor prägen das Stadtbild Barcelonas wie kaum jemand sonst. Egal, in welchem Viertel man unterwegs ist – man wird an mindestens einem ihrer Werke vorbeikommen.
von Yasmina Abd Elrahman, August 2025
Info:
Instagram: @birdiebcn
*Graffiti Bombing: Beim sogenannten Graffiti Bombing wollen die Sprüher Stellen markieren, „bombardieren“, etwas gut sichtbar platzieren. Man spricht auch von einem Piece.
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