Das schlafende Virus in unseren Nervenknoten
Varizella-Zoster
Gefühlt hat so jede*r Dritte in meinem Freundeskreis in letzter Zeit Gürtelrose bekommen, mehr oder weniger schlimm. Das hat mich veranlasst in die Statistik zu schauen. Hab nur ich das Gefühl, dass diese Krankheit häufiger auftritt? Oder ist das wieder so ein „Altersding“, da mein Freundeskreis nun mal mit mir in die Jahre gekommen ist?
Tatsächlich bekommt jede*r Vierte im Laufe des Lebens Gürtelrose und tatsächlich häufen sich die Krankheitsfälle in den letzten Jahren, und ja, auch das Alter ist schuld, denn ab 50 steigt die Wahrscheinlichkeit zu erkranken.
Doch was ist eigentlich Gürtelrose und wieso tritt sie momentan so häufig auf?
Gürtelrose, spanisch la culebrina und medizinisch Herpes zoster, wird durch das Varizella-Zoster-Virus ausgelöst, das nach Erstkontakt, meist im Kindesalter die Windpocken verursacht. Nach überstandener Windpockeninfektion zieht sich das Virus in bestimmte Nervenknoten zurück, verbleibt dort lebenslang und kann reaktiviert werden und erneut zu einer Infektion führen, der Herpes-Zoster-Erkrankung.
Theoretisch kann das bei jedem Menschen, der Windpocken hatte jederzeit passieren. Die Wahrscheinlichkeit einer Reaktivierung nimmt aber ab 50 Jahren kontinuierlich zu und tritt besonders dann auf, wenn eine akute oder auch chronische Immunschwäche vorliegt. Studien haben gezeigt, dass die momentane Häufung als Folge der Pandemie aufgetreten sein könnte. Durch die Coronainfektion, aber auch durch eine Coronaimpfung, kann es zu einer Immunschwäche kommen, in deren Folge der Zostervirus aktiv werden kann. Da die Gürtelrose zumeist nach oder während einer Immunschwäche auftritt, wird sie auch manchmal als „Zeigerkrankheit“ bezeichnet, die auf körperliche oder auch psychische Störungen hinweist und z.B. eine Krebserkrankung oder eine Depression anzeigen kann. Es lohnt sich also, beim Auftreten einer Gürtelrose auch auf die Ursache der Reaktivierung zu achten.
Wie erkennt man die Krankheit und wie kann man sie behandeln?
Zuerst bemerkt man ein Jucken oder Brennen in einem bestimmten Hautareal. Dann tritt ein Bläschenausschlag auf, der sich bandartig ausbreitet. Typischerweise ist der Ausschlag am Rumpf, an der Brust oder am Kopf, meist halbseitig zu sehen. Die Haut in diesem Bereich ist stark gerötet. Häufig kommt es zu starken, stechenden Nervenschmerzen im Bereich des Ausschlags. Die betroffenen Stellen sind sehr berührungsempfindlich. Die Phase, in der sich der Ausschlag bildet, dauert zwischen sieben und zehn Tagen. Danach verschorfen die Bläschen und fallen ab. Mit den Bläschen verschwinden normalerweise auch die Schmerzen. Leider kommt es bei etwa zehn Prozent der Patienten zu bleibenden starken Nervenschmerzen, die Monate oder auch Jahre anhalten können.
Während der Bläschenphase ist Herpes zoster ansteckend und kann bei Personen, die noch keine Windpocken hatten und dagegen nicht geimpft sind, zu einer Windpockeninfektion führen.
Zur Therapie der Gürtelrose sollte ein antivirales Medikament, zurzeit meistens Zostex, gegeben werden. Es ist sehr wichtig mit der Behandlung in den ersten drei Tagen nach Auftreten des Ausschlags zu beginnen, um den Krankheitsverlauf zu verkürzen und Komplikationen zu vermeiden.
Gibt es eine Impfung und ist sie zu empfehlen?
Bei den Impfstoffen unterscheidet man zwischen dem Impfstoff gegen Windpocken und dem Impfstoff gegen Gürtelrose. Heute werden die meisten Kleinkinder gegen Windpocken mit einem Lebendimpfstoff geimpft, der abgeschwächte Impfviren enthält. Er soll eine Windpockeninfektion verhindern. Die Impfviren können genau wie die Wildviren in den Nervenknoten verbleiben und später Gürtelrose auslösen. Daher schützt die Windpockenimpfung nicht sicher auch vor Gürtelrose. Allerdings soll die Reinfektion seltener sein und schwächer verlaufen. Da es erste Impfstoffe gegen Windpocken erst seit den 80er Jahren gibt und es in Deutschland erst seit 2004 eine Impfempfehlung für Kinder gibt, kann man die Auswirkung der Impfung auf die Reinfektionsrate zurzeit nur abschätzen.
Es wird davon ausgegangen, dass alle ab 50 Jahren in ihrer Kindheit Windpocken hatten. Für alle ab 60 Jahren und alle mit einer Immunschwäche ab 50 Jahren empfiehlt die Stiko daher die Impfung mit dem Herpes-Zoster-Totimpfstoff, der sehr wirksam vor einer Gürtelrose und ihren Komplikationen schützt. Der Impfstoff (Shingrix) wird zwei Mal im Abstand von zwei bis sechs Monaten gespritzt. Bei vielen Patienten kommt es zu Nebenwirkungen wie Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, leichtem Fieber und Müdigkeit, die aber nach zwei Tagen verschwinden. Man sollte sich darauf einstellen und sich impfen lassen, wenn man sich zwei Tage nach den jeweiligen Impfungen schonen kann.
Ich werde als Apothekerin oft gefragt, ob diese Impfung sinnvoll ist. Das ist eine persönliche Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen sollte. Gegen eine Impfung sprechen die Nebenwirkungen, die viele ertragen müssen, obwohl sie ja zum Zeitpunkt der Impfung gesund sind. Anderseits können Komplikationen durch die Gürtelrose schwerwiegend sein und auch die Gürtelrose selbst ist sehr unangenehm und trifft die Patienten oft zu einem Zeitpunkt, an dem sie durch körperliche oder auch psychische Probleme ohnehin schon stark belastet sind. Zudem bekommt im Alter ab 60 fast jeder Dritte in den nächsten Jahren Gürtelrose und dieses Risiko kann man mit der Impfung um circa neunzig Prozent reduzieren.
Birgit Carls-Eisenberg, September 2024
Schlagwörter: Gesundheit, Moderne Welt