Die Finanzkrise – Mutter aller Stresstests
Die Anfangsjahre des Euro (1999-2008) waren in puncto Wirtschaftswachstum, Inflation und Staatsschulden vergleichsweise stabil, auch wenn der Euro-Kurs 2001 in den Keller purzelte. Die gemeinschaftlichen Durchschnittswerte der Eurozone waren gut, die in-ternen Unterschiede vor allem bei der Staatsver-schuldung allerdings enorm. Das gegenseitige Ver-trauen in der Eurozone war Grundvoraussetzung, die enge Abstimmung aber wichtiger.
Die globale Finanzkrise ab 2007, die Weltwirtschaftskrise und die Eurokrise 2010 wurden zur Mutter aller Stresstests für den Euro. Über Jahre dominierten diverse Rettungspakete (Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern) immer wieder die Schlagzeilen. Nach dem Euro-Rettungsschirm EFSF kam ab 2012 der dauerhafte Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Aus Hilfspaketen als Ausnahmefall, aus all den Krisen, erwuchs eine besser koordinierte, engmaschige Haushaltsabstimmung der Regierungen der Eurozone. Grundgesetze und Verfassung mussten im Eilverfahren geän-dert werden, strukturelle Versäumnisse per Krisenmanagement nachgeholt werden. Die Lage war brenzlich, dennoch ist kein Land aus der Eurozone ausgetreten.
Europa wächst Krise um Krise zusammen
Helmut Kohl und François Mitterrand äußerten vor Einführung des Euro erhebliche Bedenken, dass eine erfolgreiche, gemeinsame Währung zwangsläufig zu einer engeren politischen Integration der EU-Staaten führen müsse. 12 souverä-ne EU-Mitgliedstaaten mit eigener Zentralbank, ohne eine gemeinsame, lückenlose verzahnte Steuerpolitik – wie sollte das gutgehen? Eine Währung, ein einziger Souverän? So weit haben wir es bis heute nicht geschafft. Auch beim Blick auf die jüngsten Europawahlergebnisse kommt wenig Hoffnung auf eine stärkere politische EU-Integration auf. Das ist aber nichts Neues.
Schon Jahrzehnte vor dem Start des Euro empfahl der Wer-ner-Plan eine gemeinsame europäische Währung, als das Bretton-Woods-Systems (Stichwort: Bindung an den US-Dollar) zur Neige ging. 1979 kam die Europäische-Währungseinheit (ECU), als Rechnungseinheit der damaligen Europäischen Gemeinschaften (EG). Der Delors-Report wies 1989 eine europäische Währungsunion als wichtiges Funda-ment des Europäischen Binnenmarkts mit seinen vier euro-päischen Grundfreiheiten (freier Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr) aus. Wieder fehlte der politische Willen.
Die Eurozone hat in den vielen Krisen seit 2008 pragmatische Lösungen gefunden, um sich engmaschig(er) abzustimmen und somit weiter zusammenzuwachsen. In der letzten gewaltigen Krise kam es in der EU sogar zum bisher Undenkbaren, der Aufnahme gemeinsamer Schulden in Coronazeiten. Der politische Wille war plötzlich da, wo er während der Eurokri-se noch fehlte. Wurde vor 15 Jahren noch bestimmten EU-Mitgliedstaaten in Südeuropa die Schuld an der Eurokrise zugeschanzt, war an der Corona-Pandemie niemand allein oder überhaupt schuld. So zumindest das Fazit einer Analystin.
Zukunft im Weltenwandel
Die konstruktive Kritik der Anfangsjahre, dass der Euro einer engeren Abstimmung bedarf, ist auch 25 Jahre nach Einführung noch an der Tagesordnung. Die Welt hat sich verändert, vom SMS-Handy zu digitalen Währungen, von einer westlich dominierten zu einer um Asien erweiterten Weltwirtschaft.
In dieser Zeit ist die Europäische Zentralbank (EZB) zu einem anerkannten Akteur geworden, dem die Finanzmärkte weltweit ganz genau folgen. Die aktuelle EZB-Präsidentin, Christi-ne Lagarde, zieht zwar eine bisher positive Euro-Bilanz, rät aber auch zu einer Kapitalmarktunion, also einer stärkeren Verzahnung der Kapitalmärkte. Braucht die Eurozone wieder eine Krise, um diesen Schritt zu gehen? Übrigens, seinen Namen bekam der Euro 1995 in Madrid und vom Kurstief im September 2022 hat sich der Euro mittlerweile auch erholt.
Von Kolja Bienert, Juli 2025
Schlagwörter: Europa, Geschichte, Moderne Welt