Die WHO sagt so

Auf die Plätze fertig: Hüpf!!!
Foto: Niermann
6.000 Schritte zum Gewicht halten und 10.000 Schritte zum Abnehmen. Dass diese Faustformel zu kurz greift, wissen wir, spätestens seit Smartwatches auch noch den nächtlichen Weg zum Kühlschrank mitzählen.
Ende November hat nun auch die WHO (Weltgesundheitsorganisation) nachgelegt und neue Empfehlungen, oder wollen wir es Vorgaben nennen, betreffend sportliche Aktivitäten herausgegeben. Erwachsene sollen sich mindestens 150 Minuten in der Woche bewegen. Diese geschlagenen 2 ½ Stunden sind das absolute Minimum, ideal wären 5.
Etwas mehr als 20 Minuten am Tag, das könnte der tägliche Weg zur Arbeit und zurück auf dem Fahrrad sein oder der Fußweg, um das Kind zur Kita zu begleiten, der Weg ins Zentrum, um mit der Freundin Kaffee zu trinken, der Weg zum Schneider, um die Kleider in eine neue Passform zu bringen. Mal ganz abgesehen von Rasenmähen, Fensterputzen oder Wäsche auf dem Dachboden aufhängen, Tätigkeiten, die früher alltäglich waren und heutzutage von Maschinen übernommen werden oder von der Prioritätenliste verschwinden. Zeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Fakt ist, dass wir gelernt haben, viele Dinge gleichzeitig zu machen, und wenn man sich nicht zerreißen will oder wie ein Lastenschlepper durch die Gegend hecheln möchte, nimmt man notgedrungen das Auto. Zeit ist Geld und Multitasking hoch im Kurs. So kommt denn auch circa ein Viertel aller Erwachsenen nicht auf das Minimalpensum an Bewegung.
Noch schlimmer sieht es bei Kindern und Jugendlichen aus. Eine Stunde täglich sollen sie sich bewegen. Sich an drei Tagen in der Woche richtig auspowern. Lächerliche 20% erreichen das. Wo sind die hüpfenden tollenden Kinder auf den Straßen geblieben? Sie sitzen in der Nachhilfe, beim Fremdsprachenkurs oder vor dem Handy. Die Leistungsvorgaben im Sportunterricht sind für viele Kinder nicht zu erreichen und so wird diskutiert, ob vielleicht lieber das Bemühen als die Leistung bewertet werden sollte. Das klingt nach Aufgeben. Besser wäre doch ein Umdenken.
Sport und Bewegung sind echte Allrounder, was die Gesundheit angeht. Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes und Krebserkrankungen könnten vermieden, Depressionen und Angstzustände gelindert werden, von Rückenschmerzen, Nackensteife und Verspannungen ganz zu schweigen. Fünf Millionen Menschen sind zu früh gestorben, weil sie unfit waren, allein im Jahr 2019. 45 Milliarden Euro sind weltweit in der Gesundheitsfürsorge für Bewegungsmuffel verpufft, weitere 12 Milliarden gab es an wirtschaftlichen Einbußen wegen gesunkener Produktivität, in nur einem Jahr. Das ist genug Stoff, um eine neue Denkrichtung einzuschlagen.
Im Gegensatz zu Projekten wie Klimawandel stoppen, Artensterben verhindern, Waldsterben aufhalten oder Meere säubern kann sich hier jeder und jede sofort auf den Weg machen, individuell und in der eigenen Geschwin-digkeit. Die WHO gibt Empfehlungen hinsicht¬lich Intensität und Dauer der Aktivitäten. Sie sagt aber auch, jede Bewe-gung zählt. Sei es das Aufstehen in der Werbe¬pause, der kurze Verdau¬ungsspaziergang nach dem Mittag im Büro, die Runde um den Block zwischen Abendbrot und Primetime.
Sitzen ist, was die Gesundheit angeht, das neue Rauchen! Wer viel sitzt, sollte sich proportional mehr bewegen.
Dass es geht, hat uns der Corona-Lockdown gezeigt. Wenn man nur eine Stunde am Abend rausgehen darf, dann finden sich plötzlich unendlich viele Spaziergänger auf den Straßen. Wenn die Kinder nur eine Stunde am Tag rausdürfen, geht der eine oder andere Erwachsene gern täglich mit Rollschuh-fahren oder den Kinderwagen schieben. Wenn man nur durch Sport seinen Bewegungsradius erweitern darf, gibt es erstaunlich viele Jogger in neuen Sportklamotten am Strand. Wenn die Kids den ganzen Tag zu Hause nerven, schmeißt man die Konsole an und macht das gute alte „Medizin nach Noten“-Aerobic-Training mit, das heute vielleicht Just Dance heißt oder Tabata.
Die Empfehlungen der WHO geben die Richtung vor. Kinder sollen sich richtig ins Schwitzen bringen, um ihre Leistungsgrenzen zu erweitern und besser gerüstet ins Leben zu starten. Erwachsene sollen nicht nur die Ausdauer trainieren, sondern auch mindestens zweimal pro Woche am Muskel-aufbau arbeiten. Muskeln sind der Körperbestandteil, der hilft, ungesunde Ernährung zu kompensieren, weil sie den Fettstoffwechsel beschleunigen. Ältere ab 65 sollen an Gleichgewicht und Koordination arbeiten, um die gefährlichen Stürze zu vermeiden, die im Alter häufig drohen.
Die Richtung ist klar, aber wie Sie es umsetzen, bleibt Ihnen überlassen: Joggen, tanzen, Haushalt, Blinde Kuh spielen, reiten, zum Bus rennen, Morgenspaziergang, Yoga, Treppensteigen, Gartenarbeit, wandern…
Mein Favorit: am Strand hüpfen.
Los geht’s!
Von Kati Niermann, Februar 2021
Schlagwörter: Magazin