Daher weht der Wind
Dossier Bewegung
Wind kommt auf, eine frische Brise im Frühling, ein orkanartiger Sturm im Herbst oder auch ein heißer Lufthauch im Sommer. Wir leben an der Küste, Wind ist unser ständiger Begleiter. Doch woher kommt eigentlich das ewige Wehen, das uns umgibt?
Tramuntana
Die Tramuntana oder Tramontane kommt, wie der Name schon sagt, (lat. trans montana) übers Gebirge. Hier um Barcelona weht sie aus den Pyrenäen oder aus dem französischen Massif Central zu uns herab und trifft auf die südfranzösische und nordspanische Mittelmeerküste. Es ist damit per definitionem ein Fallwind, der uns aus Norden oder Westen aus großer Höhe fallend erreicht. Die Tramuntana weht bei hohem Luftdruck im Norden und Westen und niedrigem Luftdruck über dem Mittelmeer. Der Wind ist kalt, da er aus dem Gebirge kommt, und turbulent, da er mehrere Luftschichten kreuzt. Er weht relativ häufig an unserer Küste, besonders in den Wintermonaten. Es gibt eine Linie vom Cap de Creus in Katalonien zum Cap de Fomentor auf den Balearen. Anhand dieser Linie entscheidet sich der Wind. Entweder er tobt sich westlich an der Küste aus, dann wird er bald ermüden. Oder aber er nimmt östlich über das Meer Fahrt auf, dann wird er sehr intensiv und kann in der Seefahrt durchaus gefährlich werden mit Windgeschwindigkeiten um 100 km/h. Auf der Nordseite der Balearen stehen deswegen mehrere Leuchttürme, um das Navigieren zu erleichtern und Schiffbruch zu verhindern.
Das Schöne an der Tramuntana ist, dass sie den Himmel leerfegt und ein strahlendes intensives Blau hinterlässt, das Dichter und Maler wie García Márquez und Dalí inspirierte. Für Urlauber ist es dann schön, Fotos am Strand vor leuchtendem Blau zu schießen und eine schöne Erinnerung für trübe Tage in Deutschland zu haben.
Mistral
Der Mistral, magistral oder mestral ist dem Worte nach der „Meister“ unter den Winden. Er weht im Rhonetal im Süden Frankreichs hauptsächlich von Lyon bis Marseille. Hier werden selbst die Kirchenglocken in die für Südfrankreich typischen Käfige gesperrt, die dem Wind weniger Widerstand bieten als hohe Glockentürme oder Spitzgiebel.
Typisch für das Entstehen des Mistral ist ein Kaltlufteinbruch aus Norden (von England bis zum Mittelmeer) und ein Tiefdruckgebiet über Italien. Der Mistral wird auf seinem Weg aus dem Norden links und rechts von den Alpen und den Cevennen begrenzt und durch das Tal gezwängt, das wie eine Düse wirkt, so dass der Wind richtig Fahrt aufnimmt. Er weht dann konstant über 50 km/h, in Spitzen über 135 km/h. Über dem Meer kann der Mistral über mehrere Tage anhalten. Er bewirkt hier einen tiefblauen Himmel und eine außergewöhnlich klare Sternsicht bei Nacht. Ein auffälliges Phänomen des Mistral sind die sogenannten Lenticulariswolken, runde an den Seiten abgeschliffene Wolken, die auch gern einmal als UFO durchgehen. Anfangs über Land noch angewärmt, verliert der Mistral im Laufe der Stunden und Tage an Temperatur und wird als unangenehm und kalt empfunden.
Über Land ist der Mistral sehr trocken und entzieht dem Boden Feuchtigkeit. Tatsächlich trifft der Mistral Katalonien nicht ganz so oft, da er über dem Meer recht schnell nach Osten abzieht. Es gibt jedoch einen ähnlichen Windkanal, wie den, den der Mistral nutzt, zwischen dem französischen Zentralmassiv und den Pyrenäen, der den Wind Cers hervorruft. Der Cers trifft aus westlicher Richtung durch das Audetal bei Narbonne auf das Mittelmeer. Südlich der Pyrenäen gibt es einen dritten Windkanal, der im Ebrodelta bei Tarragona ausläuft und den katalanischen Cerç hervorbringt.
Levante
Nach so viel Kaltluft fragt man sich, wie es in Spanien überhaupt wieder warm werden kann. Dafür ist der Levante verantwortlich, der oft dem Mistral folgt. Er entsteht im westlichen Mittelmeer, in der Nähe der Balearen und zieht zwischen Spaniens Ostküste und Afrikas nördlicher Küste Richtung Atlantik. Der Levante weht also von Osten nach Westen. Zwischen der spanischen Sierra Nevada und dem afrikanischen Atlasgebirge nutzt er die Straße von Gibraltar als Kanal, um in den Atlantik zu gelangen. Der Levante ist sanft und hat, da er übers Meer weht einen hohen Feuchtigkeitsgehalt. Er bringt gerne den herbeigesehnten Regen. Kommt er ohne Wolken und Regen im Gepäck, nennt man ihn „Levant blanc“. Im Abstand von etwas weniger als 2 Wochen dauert der Wind immer etwa 4 Tage an und bietet in Südspanien die ideale Voraussetzung fürs Surfen und Kitesurfen.
Poniente
Weht der Wind in die Gegenrichtung vom Atlantik her, nennt man ihn Poniente. Dieser Wind ist kühler und weniger stark. Für Kinder gibt es die schöne Eselsbrücke: Kommt der Wind aus der Richtung, wo die Sonne aufsteht, „donde se levanta el sol“, ist es der Levante, kommt er aus der Richtung, wo sich die Sonne zur Ruhe bettet, „donde se pone el sol“, ist es der Poniente.
Fortsetzung von S. 21
An der nördlicheren Küste Spaniens sorgt der Levante hin und wieder für die Entstehung einer DANA, des so genannten Kaltlufttropfens, der hin und wieder verheerende örtlich begrenzte Niederschläge auslöst. Was früher so gefürchtet war, wird allerdings heutzutage herbeigesehnt, denn eine Regenkatastrophe wäre in der aktuellen Situation der mittlerweile dreieinhalb Jahre andauernden Dürre in Katalonien ein Segen.
Garbí
Ein dem Namen nach nicht so bekannter Wind ist der Libeccio oder Lebeche, der bei uns in Katalonien Garbí genannt wird.
Bekannt geworden ist allerdings insbesondere in den letzten Jahren das Phänomen, das er mit sich bringt. Aus Nordafrika kommend trägt der heiße trockene Wind den feinen Saharasand über weite Strecken. In der Luft bildet sich dann ein orangeroter Schleier, calima genannt, der wie ein Nebel die Sicht verkürzt. Wenn es dann die üblichen 3 Tropfen regnet, ist alles mit einer rötlichen Staubschicht überzogen. Bei einer Hitzewelle steigert der Garbí zusätzlich das Empfinden der Hitzewirkung. Die gefühlte Temperatur ist dann noch einmal höher als die tatsächliche und noch schwerer zu ertragen.
Als sehr trockener Wind bildet der Garbí auch einen hohen Risikofaktor für Waldbrände. Wenn sich in einer Hitzewelle der Wald entzündet, wir das Feuer von diesem Wind zusätzlich angefacht und schnell weiterverbreitet.
Von Kati Niermann, Februar 2024
Schlagwörter: Katalonien, Magazin, Umwelt