El Abanico = der Fächer
Ich liege hingegossen auf einer Otomane, rechts und links davon zwei leichtbekleidete muskulöse Jüng-linge, die eifrig je einen großen Wedel aus Ibisfedern auf und nieder bewegen, herrlich! Wie erfrischend ist diese kleine Brise.
Auf solche Weise hat schon Kleopatra im alten Ägypten die heißen Tage überstanden, denn dass bewegte Luft Abkühlung durch die entstehende Verdunstungskälte auf der Haut erzeugt, war schon damals nicht neu. Auf und nieder bewe-gen sich die Ibisfedern. Ich seufze zufrieden und wache da-bei leider auf und starre auf den rotierenden Ventilator über meinem Bett. Kühlt auch, aber ist nicht halb so exotisch wie mein Traum.
Und es bleibt ein Traum, denn Kleopatras „Wedelknaben“ gehören längst der Geschichte an. Heutzutage bewegen wir an heißen Tagen selber unser Handgelenk und wedeln uns mit einem Fächer Kühlung zu. Stierkampf, Flamenco, Mantilla und was gehört noch zu den gängigen Klischees einer Spanierin? Na klar, der Fächer. Viele glauben, er sei ein typisch spanischer Gegenstand, stimmt aber nicht. Auch wenn wir bei einem Fächer sofort an Spanien denken, tauchte er zuerst ganz woanders auf. Die ersten Faltfächer gab es in Japan schon im 7. Jahrhundert. Sie bestanden aus Stäben aus Holz, Bambus oder Kunststoff, an denen Papier befestigt wurde, während die einzelnen Stäbe mit einem Dorn, einem kleinen Nagel, am Ende zusammengehalten wurden. Erst später kamen diese Fächer aus Korea nach China und von dort brachten sie portugiesische Händler im 16. Jahrhundert nach Eu-ropa. Vor allem zu Zeiten von Ludwig XIV und Ludwig XV gehörte der Fächer in Frankreich als modisches Accessoire zur Garderobe und wurde sowohl von Männern als auch von Frauen verwendet. Auch in Spanien, Portugal, Italien begeisterte man sich mehr und mehr für die Faltfächer und als die Nachfrage immer größer wurde, begann man mit der Herstellung auch in Europa. Die Konkurrenz war groß und die Fächer wurden immer schöner und ausgefallener. Das Fächerblatt wurde aus Elfenbein, Seide und Spitze gestaltet, mit allen möglichen Farben und Ornamenten versehen. Es entstanden zauberhafte Gemälde darauf und bei Festen und Bällen konnte man die neuesten Modelle bewundern. In Spanien war Valencia (und ist es auch heute noch) die Hochburg für schöne und ganz erlesene Fächerherstellung. Die Preise schwanken zwischen drei und 1.000 Euro.
Aber der Fächer diente nicht nur der Kühlung und der sicher damit verbundenen Verhinderung von so manchem Ohnmachtsanfall. Beim Flamenco ist er, genau wie die Kastagnetten, zu einem typischen Element dieses Tanzes geworden. In den 90ern wurde die spanische Musikgruppe Locomìa nicht nur mit ihren selbst entworfenen irren Kostümen, sondern auch durch ihren ausgefallenen Fächertanz, berühmt.
Im 18. Jahrhundert wurde der Fächer intensiv zur Kommunikation verwendet. Vielleicht war es ein Marketing-Gag, aber der Fächerhersteller Duvelleroy legte seinen Fächern einen Gestencode bei, der vor allem bei adligen Frauen ein großer Erfolg und als „Fächersprache“ bekannt wurde. Je nach Handhabung des Fächers, ob man ihn geschlossen unter das Kinn legte oder an die Wange, ihn schnell oder langsam öffnete und schloss oder wie auch immer man ihn verwendete, alles hatte eine Bedeutung: schnelles Fächern hieß „nein“, langsames Schließen war ein“ ja“, den Fächer über die Brust legen verstand man als „ich liebe dich“, den geöffneten Fächer über die Augen ziehen bedeutete „geh weg“. Es gab Unterrichtsstunden dafür und die adligen Damen verständig-ten sich und flirteten begeistert mit dieser Gebärdensprache. Ich glaube, jede Fremdsprache ist leichter zu erlernen als die Fächersprache. Aber heute wird sie praktisch auch nicht mehr verwendet, wir haben doch WhatsApp. Aber wie bei jeder Ware muss immer wieder neues auf den Markt gebracht werden und so verkaufte der Parfume Hersteller Kimmel einen Duftfächer. Für jede Gelegenheit wurden neue Modelle erfunden. Es gab einen extra Fächer für den Stierkampf, der riesig war und ordentlich Schatten spendete. Es gab Fächer und gibt sie auch heute noch, in der Form von Früchten und Blumen sowie mit lustigen und bunten Bildern und Aufschriften für die Werbung.
Die Modeikone Karl Lagerfeld kennt man hauptsächlich mit großer Sonnenbrille und Fächer, von dem er in einem Interview mitteilte, er diene ihm als Schutz vor Paparazzi und schütze ihn vor Zigarettenrauch und schlechtem Mundgeruch seiner Gesprächspartner. Aber was soll‘s, die meisten verwenden ihn tatsächlich zur Kühlung bei großer Hitze.
Von Dixi Greiner, Juli 2024
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Schlagwörter: Barcelona, Geschichte, Traditionen