Erfahrung in finsteren Zeiten. Hörszenen. Walter Benjamin
IDEE, TEXT UND REGIE: Claudia Kalász, TECHNIK UND TON: Detlef Jesgarz
Walter Benjamin (1892 Berlin – 1940 Portbou), heute einer der meistzitierten Intellektuellen der Weimarer Republik, dachte und lebte in Extremen. Er versuchte sich als Universi-tätsprofessor zu etablieren, sprengte aber alle akademischen Fesseln. Als freier Publizist verfasste er brillante Kritiken und Essays zu Literatur, Fotografie, Theater und Film. Als unermüd-lich Reisender schuf er kontemplative Städtebilder. Mit sei-nen oft selbst gesprochenen Rundfunkbeiträgen erforschte er die innovativen Möglichkeiten des Radios. Sein Denken trug der Tatsache Rechnung, dass der Erste Weltkrieg nicht nur die bürgerliche Ordnung des 19. Jahrhunderts umgestürzt hatte, sondern auch die Grundlagen des metaphysischen Denkens und das historische Vertrauen in den technischen Fortschritt. Auf den materiellen und ideellen Ruinen seiner Zeit wollte er einen neuen Begriff von Erfahrung gründen.
Als Sohn aus gutbürgerlichen Verhältnissen trieb ihn das Exil in die Heimat- ja Wohnungslosigkeit und extreme Armut. Bis zum Einmarsch der Nazis in Paris im Juni 1940 verharrte er in der Stadt, die ihn zu seinem Lebenswerk inspiriert hatte und verfasste die Thesen „Über den Begriff der Geschichte“, die sein Vermächtnis werden sollten. Zu einem Zeitpunkt, als er ahnte, dass nur Wenige sich würden retten können, konzi-pierte er die Möglichkeit einer blitzartig einschlagenden his-torischen Erinnerung zur Rettung der namenlos untergegan-genen Opfer der Geschichte.
Das Hörstück von Claudia Kalász und Detlef Jesgarz ist der Versuch einer Denkbiographie mit allen der Radiokunst zur Verfügung stehenden Mitteln. Zwischen Stimm- und Klangcol-lagen, musikalischen Fragmenten und akustischen Effekten, Zitaten und Kommentaren, die von verschiedenen Spre-cher*innen vorgetragen werden, vermitteln die Szenen auf dramatische Weise die Entwicklung von Benjamins Denken unter den widrigen Umständen seiner Zeit. Benjamins ein-dringliche Warnung schallt zu uns herüber: Bevor der Funke an das Dynamit kommt, muß die brennende Zündschnur durchschnitten werden.
Infos
Präsentation im Goethe-Institut Barcelona am 14.12.2023 um 19 Uhr, Dauer: 54 Minuten
Eine Produktion von Radio Niemandsland Radioart ©Barcelona 2023
niemandsland.contrabanda.org CONTRABANDA FM 91.4 FM
Schlagwörter: Biografisches, Kultur