Netzwerken im innovativen Gründergeist
Interview mit M. Schirmer, Mitbegründer und Geschäftsführer des Netzwerks Deutschsprachiger Nachwuchskräfte (NeDeNa) Barcelona
An einem der ersten lauen Frühlingstage treffen Marten Schirmer und ich uns auf einer Strandterrasse, wo wir bei einem Kaffee schon die wärmende Sonne genießen können. Die Mobilität ist seit kurzem weniger eingeschränkt, bald sollen auch Abendtreffen wieder möglich sein. Wir warten ungeduldig darauf, dass wir unsere Netzwerke wieder zum Laufen bringen können.
Worin liegt der Unterschied zwischen dem Kreis Deutschsprachiger Führungskräfte und NeDeNa?
Grundsätzlich besteht kein großer Unterschied. Beide Netzwerke basieren auf der gleichen Idee. Sie wollen eine deutschsprachige Community mit Ausrichtung auf Business bilden, um sich untereinander zu vernetzen und zu kommunizieren. Aber das Profil unserer Mitglieder ist etwas anders. Unsere Zielgruppe geht bis 45 Jahre. Wir wollen ein junges Netzwerk sein. Da wir Gründer vor fünf Jahren in dem Altersspektrum waren, haben wir das so festgelegt. Eine andere Aufnahmebedingung hier ist, dass man berufstätig ist. So haben wir sowohl Unternehmer*innen als auch Arbeitnehmer*innen.
Was zieht Deutsche nach Barcelona?
Barcelona hat sich als ein Technologie-Hub1 herauskristallisiert. Die Stadt stand schon immer für Innovation, Kultur und Kreativität. Das hat sich in den letzten Jahren dahingehend entwickelt, dass ein Gründergeist hier herrscht. Das ist für mich einer der Hauptgründe. Als Smart-City ist die Stadt ein großer Vorreiter – das alles zieht viele junge Leute an.
Bei NeDeNa scheint die Gleichberechtigung bereits vollbracht? Wie haben Sie es geschafft, dass mehr als 50% der Mitglieder Frauen sind?
Das hat sich ganz natürlich entwickelt. Es liegt sicher auch daran, dass die Leute, die in unserer Altersstruktur in Barcelona leben, ungefähr 50/50 sind. Unser Netzwerk bildet ab, was sich in der Gesellschaft bewegt. Unsere Aktivitäten sind so breit gefächert, dass sie jeden ansprechen, und daraus hat es sich ergeben, dass das Netzwerk sogar etwas weiblicher ist als männlich.
Was bringt Ihnen der Kontakt mit der FEDA?
FEDA ist eine von mehreren Institutionen, mit denen wir kooperieren wollen. Wir wollen eine Community schaffen, also ein Sprachrohr für die jungen Deutschsprachigen in Barcelona sein. Daneben haben wir eine zweite Säule: mit lokalen Institutionen in Kontakt treten und so unseren Mitgliedern zeigen, was Barcelona bietet. Das Goethe-Institut, das Deutsche Generalkonsulat, den Kreis deutschsprachiger Führungskräfte usw. Wir wollen das ganze Spektrum vermitteln, weil viele Neuankömmlinge es gar nicht mitbekommen, was es vor Ort an Möglichkeiten gibt. Wir bieten also diese Kontaktmöglichkeiten an. Mit der FEDA und dem Konsulat haben wir z.B. gemeinsam ein tolles Event im Konsulat gemacht. Solche Cross-Events kann ich mir weiterhin gut vorstellen. Ausbildung ist ein sehr spannendes Thema. Leider musste zuletzt ein geplantes Event mit den Studenten der FEDA.EDU wegen der Pandemie abgesagt werden. Wenn es für ein Start-up2 vielleicht auch schwieriger ist, zu Beginn schon auszubilden, bleibt es doch eine tolle Option. Neue und klassische Unternehmensstrukturen ändern sich momentan. Da finden wir es interessant, wenn wir diese Bereiche zusammenbringen. Wir wollen uns breit aufstellen. Wir sind auch im Kontakt zu Schweizer und österreichischen Institutionen, ebenso zu den hiesigen. Wir sind komplett offen in der Hinsicht.
Lässt sich aus NeDeNa ein europäisches Netzwerk machen?
Die Grundlage NeDeNas ist die Deutschsprachigkeit. Dadurch ist das Netzwerk so erfolgreich. Es spricht natürlich nichts dagegen, sich mit anderen Netzwerken auszutauschen, es ist sogar für die nähere Zukunft angedacht.
Hat die Pandemie positive oder negative Auswirkung auf NeDeNa gehabt?
Wir leben von den Präsenzveranstaltungen. Ein Treffen mit fast 200 Leute in der Fábrica Estrella Damm war z.B. eine absolut gelungene Aktion. In der Pandemie haben wir – wie viele andere auch – Online-Events organisiert, bei der deutschsprachige Persönlichkeiten aus Barcelona interviewt wurden. Anfang April haben wir unsere Aktivitäten wieder aufgenommen. Das erste Event war ein Lunch von Mitgliedern unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften. Im Mai und Juni werden wir weitere Events anbieten.
Wie funktioniert ein Meetup3?
Wir überlegen uns ein Motto für unsere monatlichen Events. Zum Beispiel berichten Unternehmensgründer*innen in Form von „Kamingesprächen“ von Erfahrungen in einem sehr intimen Format. Oder wir organisieren Afterwork-Treffen ohne spezielles Thema an ausgefallenen Locations. Das kann man als Meetup bezeichnen. Durch Vielfältigkeit und immer wieder neue Formate wollen wir einen Stammtischcharakter vermeiden. Es ist uns wichtig, in verschiedenen Stadtteilen aufzutreten, um neue Interessenten anzuziehen. Je nachdem, was wir veranstalten, sind bis zu 200 Personen beim Event. 95 % der Events sind kostenlos für unsere Mitglieder.
Das ist ein starkes ehrenamtliche Engagement.
Meistens sind unsere Events organisiert mit einem Speaker oder mit einem thematischen Aufhänger. Danach besteht die Möglichkeit zum Netzwerken. Wir hatten Masterclasses mit Experten, die uns spezielle Themen näherbringen konnten. Oder wir haben eine Start-up-Competition gemacht, wo sich unsere Mitglieder gepitcht4 haben. Ja, es muss viel organisiert werden: Treffpunkte, Termine, Einladungen, Anmeldungen… Wir haben inzwischen einen Sponsorenpool, der unsere Ideen gut findet. Ziemlich cool ist, dass wir momentan eine Warteliste haben von Sponsoren, Unternehmen und Institutionen, die gerne eine Veranstaltung mit uns ausrichten möchten. Wir haben ein paar Events auf dem Schirm, die wir unbedingt machen wollen. Unser Hauptziel bleibt Business, aber man kann dies natürlich durch andere Events, wie zum Beispiel ein Beachvolleyballturnier, ergänzen.
Wie sieht es momentan in der Start-Up-Szene in Barcelona aus? Welche Sektoren sind besonders aktiv?
Momentan entwickelt sich in Barcelona viel im Gesundheitssektor. Im Healthtec überschneidet sich dieser Sektor mit dem Technologiesektor. In Barcelona werden zurzeit sehr viele Hubs in verschiedenen Bereichen aufgebaut. KI – künstliche Intelligenz und Mobilität, um nur ein Beispiel zu nennen. Barcelona ist als Smart City sehr experimentierfreudig. Ein wichtiger Sektor ist Gaming, von dem viele Impulse ausgehen, auch wenn das schon nicht mehr die Startup-Szene ist. Im Viertel @22 sitzen die „Bigplayer“, um die sich ein Öko-System von Startups entwickelt hat. Auch eine Programmierschule sitzt dort. Einige Institutionen, wie Barcelona Activa, mit denen wir auch zusammenarbeiten, pushen das. NeDeNa sucht den Kontakt zu den lokalen Institutionen, damit wir Tipps geben können, wo man Hilfe bekommt, um z.B. eine Firma zu starten.
Corona hat den Sport ins Rampenlicht geholt. Erzählen Sie uns von Sport und Tourismus.
Ich leite den Reiseveranstalter Iberia Sports. Wir organisieren Trainingslagerreisen für Sportmannschaften. Wenn eine Schwimmmannschaft aus Deutschland nach Barcelona kommt, um hier eine Woche lang zu trainieren, organisieren wir die Schwimmanlage, das Hotel, den Transport. Oder für eine Fußballmannschaft organisieren wir die Freundschaftsspiele. Durch die Pandemie ist dies natürlich komplett eingebrochen. Nur Profisportler reisen im Moment. Bei Reisen für Jugendmannschaften rechnen wir ab Oktober damit, dass sich der Sektor wieder belebt. Die Nachfrage ist auf jeden Fall da. Wir müssen nur sehen, wie wir das umsetzen können.
Sport ist generell wichtig geworden als Ausgleich für den Arbeitsalltag. Die Leute sind digital komplett überflutet. Erst einmal geht es darum, dass man raus will, wenn man die ganze Zeit zu Hause verbracht hat. Wenn man dies mit Sport verknüpfen kann, ist das gut. Der Trend geht momentan dahin und wird es wohl bleiben.
Die Natur ist auch im Kommen. Wir bieten Casas rurales in der Garrotxa mit ecoRETREAT, Outdoorsports oder Mindfullness-Aktivitäten für Unternehmen an, um ein Incentive zu organisieren oder den Kopf freizumachen.
Wenn die Restriktionen aufgehoben werden, verdient unsere Community dann eine große gemeinsame Feier?
Das wäre toll! Wir hatten so etwas schon im Kopf. Die Grundidee ist, ein gemeinsames Fest zu veranstalten, das alle Institutionen aus der Community vereint. Ich denke, die Umsetzung ist relativ einfach und es besteht auch ein allgemeines Interesse daran. Am besten noch im September, wenn es noch warm ist. Oder wir warten bis 2022 und machen es in Ruhe. Wir von NeDeNa wollen jetzt erstmal wieder unsere Treffen zum Laufen bringen.
Herr Schirmer, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch. Wir sind im Kontakt und schauen, wann wir eine große Feier gemeinsam organisieren.
Ina Laiadhi, April 2021
Infos
Netzwerk deutschsprachiger
Nachwuchskräfte
Rambla de Catalunya, 92, 6
Barcelona
Tel: +34 618590875
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