Zurück zur Natur … in der Stadt
Wer schon länger in Barcelona lebt, wird die wichtigsten Highlights dieser wunderbaren Stadt bereits ein oder mehrmals besichtigt haben. Besuche von Freunden und Familien bieten sich immer an. Ich hatte mir bisher das Casa Batlló noch aufgehoben. Als Juwel des Modernisme gehört es zum Weltkulturerbe.


Mit ausgedruckter Karte und nicht zu spät am Morgen kein Problem. Man gelangt direkt zum Tresen im Treppenhaus, wo einem Kopfhörer und ein Smartguide in der gewünschten Sprache in die Hand gedrückt werden. Und schon taucht man in die städtische Naturwelt Gaudis ein. Eine geschwungene Prachttreppe mit weitem Holzhandlauf führt in den ersten Stock. Eine Kaminecke in Pilzform lädt sofort zum Knipsen ein. Es ist zwar wuselig wie in einem Bienenstock, weil man mit Dutzenden anderen durch das Gebäude streift, aber durch den Führer im Kopfhörer bleibt man abgeschirmt. Jeder Raum hat seine eigenen architektonischen Besonderheiten: Technische Neuheiten in der Belüftung, ausgeklügeltes Dekor, versteckte Kammern und Lichtspiele mit Beleuchtung oder mit bunten Fensterscheiben. Grade Linien sind verpönt.
Man kann so lange, wie man will, in jedem Raum verweilen und sich die Erklärungen wieder und wieder anhören und dabei am Smartguide die ursprüngliche Möblierung in Augenschein nehmen. Hightech macht es möglich. Leider ist kein einziges Möbelstück mehr in den Räumen. Das wäre bei diesem Massenansturm auch eher unpraktisch. Nur der Formenreichtum von Türen, Fenstern, Lüftungselementen und Paravents lädt zum Träumen ein. Der Durchgang zur Terrasse an zwei Trencadis-Säulen vorbei oder die Deckenlampen entschädigen ein wenig. Kaum 100 Jahre ist es her, dass Gaudí dieses „Mietshaus“ um 1906 im Auftrag der Familie Batlló-Godó komplett im Modernisme-Stil renoviert – also nicht errichtet- hat und doch ist schon viel Wissen abhanden gekommen, welche Naturelemente er darstellen wollte, was er warum gewählt hat, wovon er inspiriert wurde. Die Natur sollte auf jeden Fall wieder einen Platz in der Stadt bekommen.
In der Mitte der ca. 450m² großen Belle-Etage liegt der einzigartige, blaugekachelte Lichthof, über den das Personal in die Wirtschaftsräume unterm Dache und die Mieter in ihre Etagen gelangten und der auch mit einem Aufzug ausgestattet ist. Mir war nicht bewusst, dass es sich um ein Haus mit verschiedenen Wohneinheiten handelte. Viele dieser Stadthäuser waren von der Besitzerfamilie nur teilweise bewohnt und die Wohnungen vermietet. Das war schon ein prächtiges Wohnen. Zurück zum Treppenhaus im Lichthof: Gaudí setzte unten sehr hell blaue Kacheln ein, die sich nach oben zu einem dunkelblau verstärken. Dadurch wird ein sehr lichter Raum geschaffen. Man nimmt beim Aufstieg diesen Farbwandel als sehr angenehm wahr.
Und dann kommt noch ein Hingucker dazu: die seitlichen Abgrenzungen sind aus Reliefglas, so dass man meinen könnte, mitten im Meer zu stehen, weil alles so flimmert und blau verschwimmt. Himmlisch! Auf der Dachterrasse angekommen dann die berühmten Kamine und natürliche das eigentliche Dach, das mit Drachenziegeln wie Schuppen den Effekt eines Reptilienrückens erzielt, besser gesagt eines Drachens. Auch ein Kreuz darf nicht fehlen. Eine runde Sache, dieser Ausflug hat sich gelohnt. Zurück auf dem Paseo der Gracia reihen wir uns in die vielen Toruisten ein, die ein paar eigene fotografische Eindrücke von der mit verschiedensten Elementen verzierten Fassade dieses Wunderwerkes des katalanischen Jugendstils mitnehmen wollen.
Das Haus befindet sich in privater Hand. Nach mehrfachem Besitzerwechsel wurde es 1993 von der Firma Chupa Chups erworben, instandgesetzt und seitdem kommerziell genutzt.
Von Ina Laiadhi
Weitere Informationen:
9-21h, Eintritt zwischen 20-40€, je nach Package. www.casabatllo.es
Schlagwörter: Barcelona, Europa, Kultur