Vegetarische Küche ist eher feminin
Interview mit Teresa Carles, Restaurantsbesitzerin, Küchenchefin und Expertin für Gemüse- und Naturprodukte, Autorin von Büchern über vegetarisches Essen, Inhaberin mehrerer Restaurants.
Ich treffe Teresa Carles in ihrem Restaurant Flax & Kale im Zentrum von Barcelona mit seiner Terrasse voller Gewürze und einem Saal für Gesundheitsvorträge. Wir probieren Vegan Vampire, einen ihrer kaltgepressten Powersäfte aus Rote Beete, Karotte, Ingwer, Zitrone, Birne, Ananas und Orange.
Wie sind Sie zur vegetarischen Küche gekommen?
1979 eröffneten mein Mann Ramón Barrí und ich das El Paradis, das erste vegetarische Restaurant in Lérida. Es war eine echte Herausforderung. Wir waren Anfang Zwanzig und hatten in London gerade die vegetarische Ernährung und Küche entdeckt. Das hat mein ganzes Leben verändert. Ich bin seitdem vom Einfluss gesunder Nahrung auf die Konstitution der Menschen überzeugt. Durch die Öffnung Spaniens bekamen wir damals auch einen ersten Einblick in die asiatische Kultur. Wir waren begeistert. Das hat uns sehr motiviert.
War es nicht ein großes Risiko, sich in diesem Land des Schinkens, Lamm der Pyrenäen und argentinischen Rindfleischs auf vegetarische Küche zu spezialisieren?
Risiko und Herausforderung. Vor allem in einer Stadt wie Lleida, wo bei jeder Feier Fleisch gereicht wurde. Als wir dieses kleine, kulinarische Restaurant eröffneten, gab es viele Menschen, die nach der Öffnung schmecken wollten, wie man in anderen Teilen der Welt lebt. Durch die nahe gelegene Universität bekamen wir unsere ersten Kunden. Meistens waren es Studenten. Wir hatten lange Tische aufgestellt, an denen man gemeinsam essen konnte. Viele Paare lernten sich so im „Paradis“ kennen. Sie begannen unsere Küche zu lieben, denn vegetarische Küche kann sehr lecker sein. Man genießt beim Essen. Schwierig war damals, dass wir nur saisonale Produkte zur Verfügung hatten. Heute dagegen haben wir Zugang zu Produkten aus aller Welt.
2011, nach fast 35 Jahren, wagten wir den Sprung nach Barcelona. Wir haben zwei Kinder, Jordi und Mar, die die Küche ihrer Mutter völlig angenommen haben. Jordi sagte uns: “Wir müssen ein Restaurant in Barcelona eröffnen. Es gibt dort nichts, wo gute, vegetarische Küche angeboten wird. Ich kümmere mich darum. Er studierte Business Administration an der Universität Pompeu i Fabra, arbeitete in verschiedenen Unternehmen und erwarb so das nötige Wissen, um ein Unternehmen zu gründen. Nach einigen Jahren sagte er: “Jetzt bin ich bereit, wir können loslegen.” Nach einer Marktstudie haben wir das erste Restaurant in der Calle Jovellanos unter meinem Namen „Teresa Carles“ eröffnet. Sie lacht. Ich war so stolz. Es war eine Herausforderung in dieser viel größeren und offeneren Stadt. Wir wussten nicht, wie meine Art vegetarische Küche aufgenommen würde.
Gibt es in Spanien eine Nachfrage nach vegetarischer Küche?
Ich startete mit vegetarischer Küche, jetzt mache ich viel vegan. Vegetarisch bedeutet ohne Fleisch und vegan vermeidet auch Produkte von Tieren wie Honig, Eier und Milch. Studien bestätigen, dass der erhöhte Verbrauch von Milch und Eiern der Gesundheit nicht zuträglich ist. Vegetarisch ist ein Trend, der bleiben wird. Nicht nur der Vegetarier, sondern auch der Veganer. Das Echo auf unsere Restaurants in Barcelona ist sehr gut. Jedes ist ein bisschen anders. Für ganz junge Leute haben ein einfaches Café eröffnet in einer internationalen Modekette in der Gran Via mit unseren Salaten, Wraps, Sandwiches, veganer Bäckerei und spezieller Kaffeebar kleiner Kaffeeröster. Für Gluten-Allergiker eröffnen wir ein Restaurant mit glutenfreien Gerichten, auch mit Pizza. Sie lacht.
Wie erklären Sie Ihren persönlichen Erfolg?
Vielleicht die jahrelange Erfahrung, die mich mit dieser Küche verbindet. Und natürlich die Hingabe, um die Vorteile gesunden Kochens zu verbreiten. Darüber hinaus fasziniert mich vor allem die Innovation. Da ich jetzt auf ein professionelles Team setzen kann, habe ich mehr Zeit, mich der Forschung und Entwicklung zu widmen. Ich mag es, die Welt zu bereisen, um zu sehen, was in anderen Ländern und Kulturen passiert. So sind wir auf die kalt gepressten Säfte gestoßen. Wir haben diese Technik auf einer Reise nach Amerika entdeckt. Im Gegensatz zu Zentrifugalentsaftern, die mit hoher Geschwindigkeit arbeiten und Enzyme zerstören, ist die Kaltpressung langsamer. Die so wichtigen Enzyme bleiben intakt. Diese Technik wird seit jeher verwendet, zum Beispiel um Olivenöl zu extrahieren.
Hat die vegetarische Küche in den Medien ihren Platz?
Inzwischen findet man in vielen Restaurants Hinweise auf vegetarische und vegane Gerichte auf der Speisekarte. Nach und nach wird die Bevölkerung sensibilisiert. Es war ein langer Weg, auf dem wir viel gekämpft haben. Es gibt immer mehr Artikel in Zeitschriften. Es gibt mehr Kochbücher zu diesem Konzept.
Sie haben vegetarische Kochbücher geschrieben. Wie ist das Feedback der Leser?
Positiv. Ich habe zwei Bücher auf dem Markt. Viele Leser sagten mir, dass sie wirklich danach kochen. Die Rezepte funktionieren gut. Deshalb haben wir dieses Jahr ein umfangreicheres mit Rezepten, Grundrezepten und Prinzipien der vegetarischen Küche veröffentlicht. Daneben beschreibt es meinen eigenen Werdegang.
Welche Strategie hilft uns, weniger Fastfood zu essen? Oder selbst mehr zu kochen?
Ich verstehe, dass das Leben heute uns zum Fastfood bringt. Aber das Wichtigste ist, Fertiggerichte wegzulassen. Wir wissen nicht, was wir da zu uns nehmen. Für eine gute Gesundheit brauchen wir viel Obst und Gemüse. Wir müssen uns täglich mehr bewegen und aktiver sein. Wer seine Zeit besser organisiert, hat weniger Stress und kann sich besser weiterentwickeln.
Was machen Sie für Kinder?
In unserem Auditorium bei Flax & Kale bieten wir freie Kurse und Vorträge mit externen Fachleuten an. Gerade junge Verbraucher zeigen großes Interesse, von uns zu lernen. Informationen über gesundes Essen für Kinder spricht natürlich junge und werdende Eltern an.
Ist vegetarische Küche bei Frauen oder Männern beliebt?
Es ändert sich langsam, aber es ist immer noch eine weiblichere Küche. Ein hoher Prozentsatz meiner Kunden sind Frauen. Aber Frauen haben viel Macht. Wir ziehen unseren Partner mit. Der beste Weg zu popularisieren ist, es auszuprobieren.
Als das Kochen eine tägliche Angelegenheit von Frauen zu Hause war, wurde keine Frau Koch. Jetzt, da sich die Küche der Restaurants durchsetzt, gibt es fast nur männliche Köche.
Es ist komisch. Ich habe es mich auch mein ganzes Leben lang gefragt. Seit der Antike ist es eine unserer Aufgaben für die Familie, Nahrung, Gesundheit, Ausbildung der Kinder zu sorgen. Auf professioneller und kulinarischer Ebene sind Frauen erst seit kurzer Zeit tätig. Ich denke, die Gesellschaft hat viel damit zu tun.
In diesem Restaurant kann man nicht nur essen, sondern auch eine Atmosphäre genießen.
Es ist eine wichtige Erfahrung. Als wir im Jahr 2011 das erste vegetarische Restaurant in Barcelona „Teresa Carles“ geöffnet haben, haben wir großen Wert auf das Ambiente gelegt und sind neue Wege gegangen. Es geht nicht nur um Essen und Gesundheit. Wer essen geht, will es in einer angenehmen Umgebung genießen, mit Freunden oder der Familie. Die Augen essen mit.
Bleibt vegetarische Küche eine Modeerscheinung?
Mehr als vegetarisch oder vegan wird sich wohl die „flexitarische“ Küche durchsetzen. 80% der sogenannten flexitarischen Küche sind pflanzliche, lokale Produkte, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse, Obst und Gemüse. Die anderen 20% bringen tierisches Protein. In unserem Fall nur blauer Fisch. Wir denken, dass er der gesündeste Beitrag für das Gehirn und das Herz-Kreislauf-System ist. Raffinierter Zucker und gesättigte Fette sollten von unserem Speiseplan verschwinden, sie rufen Krankheiten wie Allergien, Krebs, Bluthochdruck hervor. Wir müssen uns besinnen. Wie haben unsere Eltern oder Großeltern gegessen? Sie aßen viel Obst und Gemüse, meistens aus der Saison. Und wer es sich leisten konnte, auch tierisches Protein, also Fleisch. Sie taten ihrer Gesundheit einen Gefallen.
Wird jeder Zugang zu diesem hochwertigen Essen haben?</st rong>
Ich hoffe, die Welt wird aufwachen. Wir müssen uns darum bemühen. Auch die Tiere müssen rationaler behandelt werden. Es ist nicht nur Nahrung, sondern die Erde selbst ist durch unseren Konsum in Gefahr. Wenn wir weniger Fleisch essen, leben wir viel nachhaltiger. Wenn wir Lebensmittel ohne so viele Konservierungsstoffe und Farbstoffe konservieren, tut uns das gut.
Welches Publikum kommt in vegetarische Restaurants?
Viele junge Leute. Viele Frauen, aber immer mehr Männer. Aber im „Teresa Carles“ sieht man genauso Familien mit Großeltern und Kindern. Unsere Kundschaft ist sensibilisiert.
Haben Sie Kontakte zu Vegetarier- und Bio-Fans in Europa?
Nein, sehr wenig. Aber mein neues Buch wurde ins Englische übersetzt.
Welches typische vegetarische Gericht empfehlen Sie deutschen Reisenden in Spanien?
Im Winter eine Escudella mit veganer Wurst. Gemüsegerichte, Salate, Suppen und im Sommer Erdbeer-Gazpacho, Rüben oder Wassermelonen. Eine Gemüsepaella mit Seetang. Wir bieten viele Supernahrungsmittel wie Tofu, Miso, Quinoa, Chia oder Seetang. Abgesehen von den guten mediterranen Speisen.
Hat die Mittelmeerdiät eine Zukunft?
Sie ist immaterielles Kulturerbe der Menschheit. Sie lacht. In den sogenannten blauen Zonen gibt es überdurchschnittlich viele langlebige Menschen. Viele dieser Gebiete liegen am Mittelmeer, in Griechenland und auf Sardinien. Ein Teil dieses Geheimnisses ist die Ernährung. Die Mittelmeerküche hat mich persönlich stark inspiriert, um meine eigene Küche zu entwickeln. Mit frischen Produkten und ein wenig Phantasie kann man sehr interessante Gerichte kreieren.
Welche Projekte haben Sie?
Wir wollen unser Angebot an gesunden Säften stark erweitern und die Produktion vergrößern. Noch werden sie hier hergestellt. Außerdem werden wir Pasta mit Algen und Gemüsechips aus Grünkohl produzieren. Und wir wollen das Kombucha für neue Getränke einführen. Es ist auch bekannt als Mandschurischer Pilz, Teepilz oder chinesischer Pilz. Es ist ein fermentiertes Getränk aus Bakterienkolonien mit einem leichten Säuregeschmack. Es ist eine enorme Quelle von Probiotika. Es ist erfrischend und kann viele Limonaden ersetzen.
Eine Standardfrage ist: Welches Buch würden Sie mit auf eine einsame Insel nehmen, wenn Sie nur eines mitnehmen könnten? Welches Gewürz würden Sie auswählen?
“Unmöglich, nur ein Buch zu wählen! Ich würde drei Genres wählen: im Bereich der Ernährung „El Estudio de China”, im historischen Genre die Trilogie des Jahrhunderts von Ken Follet, um die Ereignisse des letzten Jahrhunderts zu verstehen und auf der aktuellen Ebene “Patria” von Fernando Aramburu, die uns eine neue Vision unserer jüngsten Vergangenheit bietet.” Bei Gewürzen wird es noch schwerer, da sie ein wesentlicher Teil meiner Küche sind. Wenn ich nur eines wählen müsste, wäre es Thymian. Es ist ein Gewürz, das mir im Blut liegt, denn es ist ein Grundbestandteil der mediterranen Küche und in meiner Heimatstadt wächst es überall! Ich bin mit Thymian aufgewachsen. Man kann es für Gerichte einsetzen oder wegen seiner heilenden Eigenschaften Infusionen zubereiten … es gibt so viele Anwendungen ”
Vielen Dank Teresa Carles, es war ein sehr interessantes Gespräch und ein toller Saftgenuss.
Von Ina Laiadhi
Schlagwörter: Ausgehen, Biografisches, Frauen, Gesundheit, Interviews