Verlorene und (zu) spät erkannte Talente

Louise Josephine Bourgeois: Die Spinne am Guggenheim Museum in Bilbao, Foto: laiadina
Frauen in der modernen Malerei
Sind Frauen in der Kunst immer noch unterrepräsentiert? In den Darstellenden Künsten zumindest sind Frauen auf einem sehr guten Weg, den Unterschied zu ihren männlichen Kollegen aufzuholen.
Aber bei den Bildenden Künsten war der Unterschied immer eklatant und ist es zu einem gewissen Grad immer noch. Viele Malerinnen erlangen Anerkennung und Ruhm erst im hohen Alter, oder erst nach ihrem Ableben. Zu ihnen gehören die ganz großen Namen der modernen und zeitgenössischen Kunst: Louise Josephine Bourgeois (1911-2010), Maria Lassnig (1919-2014), Niki de Saint Phalle (1930-2002) und Frida Kahlo (1907-1954). Preise für Werke dieser Künstlerinnen erzielen auf dem Kunstmarkt vergleichbare Summe wie die ihrer männlichen Kollegen. Louis Bourgeois große Installationen, wie ihre überdimensionierte Spinne, Maria Lassnigs Körperbewusstseinsbilder, Niki de Saint Phalles bunte und ausladende Nanas und der volkstümliche Surrealismus Frida Kahlos sind nicht nur Kunstinteressenten vertraut.
Natürlich werden nicht alle Malerinnen erst posthum berühmt. Cindy Sherman, Isa Gesken, Maria Abramovic und die Japanerin Yayoi Kusama können dies neben weiteren Künstlerinnen bestätigen.
Wo also liegt das Problem?
Die Kunstwelt war lange Zeit von Männern dominiert. Museen, Galerien und Auktionshäuser wurden und werden meistens noch von Männern geleitet. Ähnlich sieht es an den Kunstakademien aus. Zudem wurden die großen Standardwerke zur Kunstgeschichte lange nur von männlichen Kunstprofessoren geschrieben.
Für Frauen war eine akademische Kunstausbildung erst ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts möglich. Viele Künstlerinnen standen im Schatten ihrer berühmten Lebensgefährten. Dazu gehörten die Blaue Reiter-Künstlerin Gabriele Münter und Wasily Kandinsky, oder Marianne von Werefkin und Alexei Jawlensky. Am Bauhaus in Dessau war ein Drittel der Studierenden weiblich, was für die damalige Zeit ein sehr hoher Anteil war. Trotzdem mussten die Frauen mit großen Widerständen kämpfen und wurden zumeist auf sogenannte ‚Frauenklassen‘, wie die Weberei beschränkt. Langsam wird die Bedeutung der Künstlerinnen um Gunta Stölzl, die als einzige Frau am Bauhaus eine leitende Position in der Weberei hatte, aufgearbeitet und öffentlich gemacht.
Welche Auswirkungen der II. Weltkrieg auf die Kunst hatte, ist hinlänglich bekannt.
Auf der einen Seite nationalsozialistische Propaganda und auf der anderen Seite Not, Elend und Zerstörung. Die Frauen wurden nach 1945 verstärkt in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt, ihre individuellen Fähigkeiten, Wünsche und Talente dem Wohl der Familie und Wirtschaftswachstum untergeordnet. Viele dieser Frauen haben erst im relativ hohen Alter die Kraft und den Mut gefunden sich ihrem Talent zu widmen. Viele Kinder und Enkelkinder sind überrascht und betroffen, wenn sie den künstlerischen Nachlass ihrer Mütter und Großmütter entdecken. Neben bemühten Hobbykünstlerinnen sind auch Autodidaktinnen vertreten, die ohne akademische Bildung Kunstschätze geschaffen haben. Leider haben es bis heute nur wenige Künstlerinnen geschafft, aus dieser Gruppe ins Licht der Öffentlichkeit zu treten. Die Amerikanerin Anna Mary Robertson Moses, bekannt als Grandma Moses (1860-1961), begann ihre Kariere erst im Alter von 75 Jahren, nachdem sie fünf Kinder großgezogen und mit ihrem Mann eine Farm bewirtschaftet hatte. Ihre naiven Darstellungen des amerikanischen Farmlebens erzielen heute bis zu 7-stellige Ergebnisse.

Brigitte Bixner, Die Schöpfung 2019
Tatsächlich gibt es noch viele Künstlerinnen und Kunstschätze zu entdecken. Dazu gehört auch das Werk der Österreicherin Brigitte Bixner (1937-2020). Sie hat ihren plakativen Erzählstil erst mit 75 gefunden. Die klaren Linien, ihre figurative Abstraktion, die feine Psychologie ihrer Figuren und die kräftige und doch fein nuancierte Farbigkeit zeugen von einer hohen Kunstfertigkeit. Ein später Ruhm sei ihr sehr zu wünschen. Es ist nur traurig, dass sie diesen, wie so viele ihrer Künstlerinnen-Kolleginnen, nicht mehr selbst erleben kann.
Von Gabriele Jahreiß, September 2025
Schlagwörter: Frauen, Malerei