Baustelle Boomstadt Barcelona

Verkehrsberuhigte Zone setzen neue Akzente für Anwohner, Fotos Kolja Bienert
Einige erinnern sich noch an die endlosen LKW-Karawanen auf der Gran Via de les Corts Catalanes. Mit dem Ausbau der AP-7 im Vallès Oriental konnten diese Transportströme schrittweise aus dem Stad-zentrum verbannt werden. Und mit den Olympischen Spielen 1992 kamen die wortwörtlich bahnbrechenden Umgehungsstraßen Ronda de Dalt und Ronda Litoral. Der Prozess der Verkehrsentlastung geht weiter, wie man an den laufenden Verkehrsberuhigun-gen sehen kann.
Internationale Medien haben in den letzten Jahren viel über Barcelonas Stadtentwicklung und besonders die „superilles“ (engl. superblocks) berichtet. Die verkehrsberuhigten Straßenzüge, das Viertel Sant Antoni und auch andere Projekte wie die Umgestaltung der Plaça de les Glòries Catalanes so-wie der Via Laietana haben Barcelonas Stadtlandschaft ins Gespräch gebracht. Die entsprechenden Pläne sind älter als die letzten drei Stadtregierungen, aber das ist ein anderes Thema.
Vielerorts in der Mittelmeermetropole wurde in den letzten zehn Jahren ausgelotet, wie es sich überhaupt anfühlt, einige Straßen anders als bisher zu nutzen. Taktischer Urbanismus, also Pop-Up-Städtebau, war das Wort der Stunde. Die Zeit der Vorschusslorbeeren ist vorbei, vieles ist mittlerweile abgetakelt, einiges ist dennoch geblieben. Zwei Schritte voraus, ein Schritt zurück.
Neulich bin ich zum ersten Mal die Carretera de Sants zu Fuß abgelaufen, mitten auf der Straße. Die autofreien Wochen-enden machen es möglich. Auf den verkehrsberuhigten Carrer del Consell de Cent und Carrer de Girona von A bis Z zu spazieren ist ebenfalls ein Erlebnis. Wer an diesen Straßenoasen Liegenschaften besitzt, ist nicht nur finanziell ge-segnet. Über die Nachteile, die diese Verkehrsberuhigung mit sich bringt, wurde viel diskutiert. Mehr Verkehr und Abgase in den Nachbarstraßen, erschwerte Anlieferungen für Geschäfte, exorbitante Mietpreissteigerungen, etc. Ein Rück-bau wird dennoch unwahrscheinlicher, auch wenn einige AnrainerInnen dafür vor Gericht gezogen waren.
Barcelona hat mit der eingangs unbeliebten Stadterweiterung (kat. Eixample) von Ildefons Cerdà, den Weltausstellun-gen 1888 und 1929, den Olympischen Spielen oder dem „Fòrum de les Cultures“ (2004) immer wieder ganze Viertel strukturiert und so städtebauliche Fakten geschaffen.
Im Norden viel Neues: Glòries und Sagrera
Cerdà wollte die Plaça de les Glòries Catalanes zu einem der Stadtmittelpunkte machen. Diese Vision könnte, rund 170 Jahre später, wahr werden. Der auf das Jahr 1300 zurückgehende Mercat Fira Bellcaire/ Mercat dels Encants war bereits 2013 in das neue Gebäude auf der anderen Seite des Platzes umgezogen. Wie eh und je zieht der Markt Menschenmassen an.
Am, um und unter dem Platz hat sich in den letzten Jahren besonders viel getan. Die Platzgestaltung von 1990-1992 ist Makulatur. Ein oberirdischer Park ist bereits vollendet und der neue Autotunnel wurde auch in Betrieb genommen. In der aktuellen Bauphase sollen nun bis zum Frühjahr 2026 (sic) die Grünachsen auf der Gran Via und, zumindest theoretisch, und in Richtung des zukünftigen Hauptbahnhofs Barcelona-La Sagrera (Züge) bzw. Barcelona | TAV (U-Bahn) entstehen.

Das Verkehrsprojet Bahnhof La Segrare geht nur langsam voran, Foto Kolja Bienert
Der neue Hauptbahnhof in spe befindet sich seit 2008 im Bau und glänzte bisher vor allem durch zahlreiche Verzögerun-gen: archäologische Ausgrabungen, die Eurofinanzkrise, Bankrotte, Neuauflage öffentlicher Ausschreibungen, Pan-demie. Aber Barcelona-La Sagrera (www.barcelonasagrera.com) wird kommen. Wer mit dem Zug nach Girona reist, kann den -gefühlt kilometerlangen- Betonrohbau mit eigenen Augen sehen. 2026 wurde als Planungsziel in den medialen Raum gestellt, aber Papier ist geduldig.
Kolja Bienert, September 2024
Schlagwörter: Barcelona, Geschichte, Moderne Welt, Sehenswert