Der Palau Novella im Garraf (2.Teil)
Von Kuba nach Tibet
In Teil 1 der Beschreibung des Novella-Palasts wurde seine Entstehungsgeschichte beschrieben, insbesondere wie der Katalane Pere Domènech i Grau aus Sitges, der in Kuba zu Reichtum gekommen war, ihn als weinwirtschaftliche Musterkolonie ausbauen ließ.
Der “indio”, wie man im 19. Jahrhundert Spanier nannte, die in Amerika reich wurden, ließ den Palau Novella als Sommerpalast für seine Frau und seinen Sohn erbauen. Dafür beauftragte er den modernistischen Architekten Manuel Comas i Thos (1855-1914), der für ihn in Barcelona bereits die Casa Víuda Marfà am Passeig de Grácia 66 gebaut hatte, mit dem Entwurf und der Bauleitung. Comas i Thos krempelte das alte Anwesen komplett um. Er ließ ein Herrenhaus im antillischen Stil mit großen Dimensionen erbauen: ein zentrales Gebäude mit drei Stockwerken und zwei Nebenflügeln sowie einem Turm und einer Aussichtsterrasse, die man über eine Wendeltreppe mit 122 Stufen erreicht.
Die Bauarbeiten dauerten von 1887 bis zum 29. Oktober 1890, der Bischof von Barcelona weihte das Gebäude ein. Abbildungen der Hausherrin Maria de Vilanova, der Ehefrau Domènech i Graus, findet man sowohl innerhalb als auch außerhalb des Palastes. Auf ihre Initiative hin wurde das Wasser aus den Bergen durch vier Kilometer lange Rohre auf die Finca gebracht. Daran erinnert eine Inschrift auf einem Marmorblock im Eingangsbereich des Palau.
Während der Bauzeit musste der Architekt Comas i Thos jeden Tag 11 Kilometer von Sitges nach Plana Novella (dem Baugrund) auf einem Esel zurücklegen. Der Hin- und Rückweg auf dem Esel mit einem Führer aus Sitges kostete jeweils ein Goldstück. Nachdem der Palast fertiggestellt war, konnte man auf verschiedenen Wegen dorthin gelangen, je nachdem, wie es um die ökonomischen Verhältnisse des/der Reisenden bestellt war. Herr Domènech fuhr in einer vierspännigen Kutsche, wodurch der Weg fortwährend repariert werden musste.
Der Palau Novella und sein romantischer Park waren in den 1890er Jahren das kulturelle und soziale Zentrum des Garraf-Gebirges. Es gab einen künstlichen See zum Schwimmen und Bootfahren, auch für Spaziergänge und kulturelle Zirkel sowie Opernaufführungen mit italienischen Sänger*innen, und angeblich kam sogar der spanische König Alfons XII. zu Besuch. Domènech i Grau gründete auch den Club Nautìc de Barcelona, mit dem er mehrere nationale und internationale Regatten gewann. Er starb 1898 in Barcelona.
Eines der interessantesten Bauwerke auf dem Palast-Gelände ist das Waschhaus. Es ist typisch für die Zeit, als das Herrenhaus in Blüte stand, nämlich die Zeit der katalanischen Kuba-Magnaten und des Verlusts von Spaniens überseeischen Kolonien Kuba und Philippinen (1898). Das Waschhaus (safareig) imitiert den gotischen Stil nordeuropäischer Kathedralen und wird daher als gaudinià (im Stile Antoni Gaudís) bezeichnet. Gleichzeitig wirkt es wie eine indische Pagode. Es verfügt auch über Windtrompeten aus Zink, die durch den im Gebirge herrschenden Wind zum Klingen gebracht werden. Der Gaudí-Lehrstuhl der Politechnischen Universität von Katalonien unter der Leitung von Prof. Joan Basegoda i Nonell restauriert das Waschhaus seit 2003.
Die Mönche des heutigen buddhistischen Klosters bieten kostenpflichtige Führungen durch den Palast an und setzen auch die Tradition der Colonia agricola in Form eines Restaurants fort. Die Finca umfasst neben dem Palast noch mehrere Nebengebäude und eine Kapelle. Das offene Waschhaus im Zitronengarten sieht aus wie ein buddhistisches Tempelchen, so dass die Gebetsmühlen und Gebetsfahnen, welche sich auf dem Gelände befinden, nicht einmal besonders exotisch wirken. Den unglaublichen Reichtum der Innenausstattung kann man sich in Google Fotos ansehen unter dem Stichwort Sakya Tashi Ling.
Wer nach so viel Kunst und Geschichte noch etwas Handfestes braucht, kann weiterfahren nach Jafre zur Masia La Fassina, wo es Bio-Produkte aus dem Garraf im Hofladen gibt und eine Bar-Cafeteria für das leibliche Wohl sorgt. Von der Masia führt der bessere, aber lange Weg bergab nach Garraf oder Vallcarca.
Dr. Katharina Städtler, November 2024
Infos
https://parcs.diba.cat/documents/182160/a187be27-4109-4b52-
Schlagwörter: Ausflüge, Barcelona, Geschichte, Museen und Sehenswürdigkeiten, Sehenswert, Unterwegs