Der Palau Novella im Garraf-Gebirge
Von Kuba nach Tibet
Die Anfahrt zum Palast dauert von Barcelona aus eine gute halbe Stunde. Am westlichen Ende des Strands von Castelldefels gelangt man nach der Unterquerung der C32 in die Urbanizació Rat-Penat, von wo aus die Carrer Maria Cristina Güell hoch in das Garraf-Gebirge führt. Bereits nach ein paar Serpentinen kann man vom Mirador de la Serra de Lladre aus der Vogelschau auf die Küste blicken. Auf dem Weg nach Olivella liegt dann rechterhand das Zentrum für experimentale Kunst Vallgrassa.
Nach etwa 12 km gelangt man in den Ort Olivella und orientiert sich an den Schildern zum Restaurant „El Parador del Garraf”, das allerdings nur von Freitag bis Sonntag geöffnet hat. Das buddhistische Kloster Sakya Tashi Ling liegt in der Avinguda de Plana Novella, etwa 500 Meter entfernt vom Restaurant. Man erkennt es schon von Weitem an den verschiedenen Türmen und der Stupa. Es verfügt über einen eigenen Parkplatz.
Wenn man sich dem Kloster nähert, fragt man sich, ob das Gebäude, in dem es untergebracht ist, wirklich tibetanisch ist. Bei dem riesigen, fast schlossartigen Landgut handelt es sich aber um den Palau Novella (auch genannt Heretat de la Plana Novella), der eine ganz besondere Geschichte hat.
Das Hauptgebäude wirkt wie eine Festung mit ausragenden Ecktürmchen für Wachposten, wie man sie überall an der spanischen Küste findet, typisch für die spanische Militärarchitektur des 17. Jahrhunderts, auch in den Kolonien. War dies also früher eine militärische Einrichtung?
Nein, keineswegs. Der Palast wurde im eklektizistischen Stil gebaut, d.h. der Bauherr ließ alle architektonischen Elemente integrieren, die ihm besonders gefielen. So gibt es auch ein Badezimmer im neoarabischen Stil und ein Brunnenbecken im Stil Gaudís. Dass sich auch Elemente aus Kuba finden, liegt an der Lebensgeschichte des Bauherrn Pere Domènech i Grau (1831-1898).
Domènech i Grau aus Sitges war das, was man einen „indio“ nannte, also ein Katalane, der als Jugendlicher 1846 nach Kuba ausgewandert und dort zu Reichtum gekommen war. Er machte sogar Karriere in der spanischen Regierung der Insel. 1868 ließ er für seine Eltern in Sitges ein Haus errichten (Ribera 20) und erwarb über Mittelsmänner 1875 mehrere alte Bauernhäuser und Grundstücke im Gebiet des heutigen Olivella. 1885 ließ er seinen Besitz in das Kolonialrecht einbeziehen und erhielt dadurch eine Konsumsteuerbefreiung und die Befreiung vom Militärdienst für die dort lebenden Familien – immerhin 38 Personen.
1887 errichtete Doménech i Grau auf dem Gelände eine landwirtschaftliche Kolonie, welche Wein produzieren sollte. Die Aufschrift „Colonia agricola” ziert noch eines der Gebäude der Finca, auch der Brunnen, die Weinkeller (damals angeblich die am besten eingerichteten in Katalonien, heute Restaurant) und die Weinpressen sind noch erhalten. Aber schon im Jahr 1893 vernichtete die Reblaus die Weinberge. 1896 verlor Domènech i Grau sein Vermögen an der Börse, verschuldete sich und die Finca wurde versteigert. Von da an gehörte sie verschiedenen Besitzern, bis sie 1996 von Mönchen erworben wurde, welche dort das Kloster Sakya Tashi Ling gründeten, das erste buddhistische Kloster in Katalonien.
Dr. Katharina Städtler, September 2024
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