Was ist eigentlich eine DANA?
Kalter Tropfen auf heißen Stein
Wie in jedem Herbst blieben wir auch in diesem Jahr nicht verschont. Stürme, Gewitter, Blitze im Sekundentakt, sintflutartige Regenfälle und plötzliche Temperatureinbrüche. Man hat das Gefühl, der Sommer endet mit einem Knall. Der Spanier nennt das la gota fría, nach dem deutschen Wort Kaltlufttropfen.
Der Begriff tauchte das erste Mal am Ende des 19. Jahrhunderts in der deutschen Meteorologie auf. Tatsächlich wird er heutzutage nur noch in Deutschland und Spanien verwendet. La gota fría wird beschrieben als isolierter Tropfen sehr kalter Polarluft in 5 bis 10 km Höhe, ein Höhentief. Er hat keine Fronten und ist so hoch über dem Meeresspiegel, dass das Barometer am Boden noch auf Schönwetter steht, während schon dichte Gewitterwolken aufziehen. Ein Kaltlufttropfen ist so labil, dass er teilweise nicht einmal eine Prognose von 24 Stunden zulässt.
Doch woher kommt dieser kalte Tropfen? Sie ahnen es vielleicht schon, es hat mit dem Jetstream zu tun. Ein ordentlicher Schwung Polarluft driftet in einem Rossby-Wellental zu weit südlich und wird von den nördlicher liegenden Hochdruckgebieten abgeklemmt. Daher stammt auch die englische Bezeichnung cut-off low. Umgeben nur von warmer Luft entsteht in der vertikalen eine Art Unterdruck, ein Sog, mit dem enorme Mengen feuchtwarmer Luft angesaugt werden.
Und warum trifft es gerade Spanien? Das ist der geografischen Lage Spaniens geschuldet. Der Sog wird besonders begünstigt, wenn der Kaltlufttropfen über das sommerheiße Mittelmeer zieht. Das rechtsdrehende Tief findet nach Norden in den Pyrenäen eine natürliche Begrenzung und entlädt sich deshalb am liebsten gleich direkt in Küstennähe mit spektakulärer Wucht. Wenn wir Glück haben, gibt es ein ordentliches Gewitter und das war es. Doch wenn wir Pech haben, so wie im September letzten Jahres, dann werden Bäume entwurzelt, Schlamm- und Gerölllawinen rauschen talwärts, Straßen werden geflutet, Stromleitungen gekappt und Blitzeinschläge sorgen für eine Überspannung in den Leitungen, die jedes zweite elektrische Gerät ins Jenseits befördert.
Wenn 40 bis 60 Liter Regen und Hagel in weniger als einer Stunde fallen (zum Vergleich: Im regnerischen Hamburg liegt das Monatsmittel an Niederschlägen bei 40 bis 80 Litern) dann ist die Kanalisation überfordert. Wenn es dann in weniger als einem Tag 600 Liter werden, dann kommt es zu Erdrutschen und Straßenfluten, die alles, was sich ihnen in den Weg stellt, von der Mülltonne bis zum Auto, vom Zaun bis zum Mauerwerk, mitreißen. Da möchte man nicht gerade Urlaub auf einem Campingplatz machen! Im letzten Jahr mussten von Murcia bis Granada tausende Menschen evakuiert werden und es kam abgesehen von den Schäden, die in die Millionenhöhe gehen, auch zu Todesopfern. Es war das heftigste Unwetter seit über 30 Jahren und hinterließ eine Schneise der Verwüstung.
Auch bei diesem Wetterextrem müssen wir leider davon ausgehen, dass es spätestens in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts gehäuft auftritt.
Bleibt also noch die Frage zu klären, warum der Spanier dieses Ereignis auch als DANA bezeichnet? Es gibt ja diesen alten Witz, dass Hochdruckgebiete nach Männern benannt werden, weil sie so ein sonniges Gemüt haben, und Tiefdruckgebiete nach Frauen, weil sie grummelnd daheimsitzen – eine Diskriminierung, die bereits 1998 abgeschafft wurde. Doch hier heißt es nur DANA. Das liegt daran, dass DANA die Abkürzung ist für depresión aislada en niveles altos – isoliertes Tief in hohen Schichten. Dieser Begriff wurde gewählt, um das Naturereignis präziser zu beschreiben, denn viele Spanier sind dazu übergegangen, jeden Herbstregen als gota fría zu bezeichnen, weil er sich eben wie ein kalter Tropfen auf der Haut anfühlt.
Von Kati Niermann, September 2020
Dossier 142 : Wind und Wetter
Schlagwörter: Moderne Welt