Feuerzauber in Alins
Spanien ist ein Land, in dem es von traditionellen, oft verrückten Festen, nur so wimmelt. Man feiert hier gern und ausgelassen. Da gibt es in Alicante das Mehlfest, die Weinschlacht in La Rioja, eine große Tomatenschlacht in Valencia usw. Fast jede Stadt und jedes Dorf hat ein eigenes traditionelles Fest, kunstvoll mit Blumen, grausam mit Tieren, makaber mit Skeletten, oder religiös mit Prozessionen.
Auch in Alins, einem kleinen Dorf in den Ostpyrenäen, ist man kein Kind von Traurigkeit. Hier feiert man aber sehr traditionell am 23. Juni San Juan, das Fest zu Ehren von Juan Batista und gleichzeitig die fiesta major. Die drei Tage der Feierlichkeiten werden schon Wochen vorher von allen Dorfbewohnern in Angriff genommen. Es gibt nämlich viel zu tun, vor allem für das Festkomitee.
Als erstes werden in den umliegenden Wäldern dicke Baumäste abgesägt und in gleichmäßig lange Stücke geteilt. Die braucht man, um einen Scheiterhaufen auf dem Dorfplatz zu errichten. Hier ist bei San Juan nicht nur Feuerwerk, sondern vor allem Feuer wichtig. Und man braucht viele Fackeln und einen hohen schlanken Baum, der sorgfältig ausgesucht werden muss. Das ausgewählte Exemplar muss mindestens sieben Meter hoch sein. Und schon fängt die elektrische Säge an zu surren und natürlich wird begeistert geschrien, wenn der gefällte Baum auf den Waldboden kracht. Das gute Stück wird von starken Männern, oft professionelle Holzfäller, zum nächsten breiten Wanderweg geschleift, mit der Axt entrindet und in gleichmäßigen Abständen tiefe Kerben in den Stamm gehauen. In diese Kerben werden kräftige Holzscheite gesteckt und fertig ist das großartige Mittelstück des Scheiterhaufens, das an San Juan lichterloh in den Himmel lodern wird.
Inzwischen gibt es im Dorf kein anderes Thema mehr, als das bevorstehende Fest. Es wird Zeit, dass jeder seine Fackel fertig schnitzt. Sie sind oft bis zu 1,50 Meter lang und nicht gerade leicht. Einige Dorfbewohner schnitzen das ganze Jahr über und verkaufen Fackeln an die vielen Menschen, die zu San Juan nach Alins kommen, um hier mitzufeiern. Die Fackeln haben schön geschnitzte Kronen, in die ein in Petroleum getauchter Lappen gewickelt wird.
Und dann ist es soweit. Der Scheiterhaufen steht, für die Kinder ist ein Platz mit Unterhaltung eingerichtet, Essen haben alle aus dem Dorf gespendet und zum Marktplatz gebracht, Getränke gibt es, wie bei allen Festen, reichlich, es wuselt von Gästen von überall her, das Fest kann endlich beginnen.
Die Ermita Sant Quir schaut von oben auf Alins hinab und da hinauf steigen nun alle, die schweren Fackeln geschultert, viele mit Rucksäcken in denen Proviant steckt. Die ganz sportlichen nehmen als Ziel das Kreuz auf einem Berg der Sierra de Tuffeló in Angriff, zu dessen Füssen das Dorf Alins liegt. Noch ist es hell, als hunderte von Leuten am Ziel ankommen. Es wird getrunken, gelacht, gevespert, gesungen und auf die Dunkelheit gewartet. Dann klicken die ersten Feuerzeuge, eine Fackel nach der anderen beginnt zu leuchten, wird wieder auf die Schulter gewuchtet und nach dem beschwerlichen Aufstieg, beginnt nun der feierliche Abstieg. Es ist wunderschön und sehr bewegend, wie die hellen Flammen in gleichmäßigem Abstand auf dem gewundenen Weg durch die Nacht hinunter ins Dorf wandern. Plötzlich wird einem die eigentliche Bedeutung dieser Tradition bewusst: Feuer bedeutet Leben und Reinheit, Ängste und böse Geister sollen vertrieben und den Göttern soll für so manches Gute gedankt werden. Danken möchte man auch allen, die mit Fleiß und Muskelkraft zu diesem Fackelzug, der sich jetzt langsam auf der Straße zum Dorfplatz bewegt, beigetragen haben. Vom Anfang des langen Zuges her ertönt feierliche Flötenmusik, der Himmel ist klar und voller Sterne und ja, Gänsehaut pur.
Auf dem Dorfplatz wurde schon längst der Scheiterhaufen angezündet, der hohe Stamm in der Mitte brennt lichterloh. Jetzt stellt jeder seine brennende Fackel dazu und vergrößert damit das Freudenfeuer. Eine Kapelle beginnt mit flotter Tanzmusik, Gläser klingen, Akrobaten zeigen, was sie mit Feuerreifen und Feuerkugeln Erstaunliches vollbringen können und ringsum hört man Lachen und schaut in fröhliche Gesichter, vom hellen Schein des Feuers erleuchtet. Müde vom langen Weg und dem Tragen der schweren Fackel? Ach, woher! Die Arbeit ist getan, jetzt wird richtig gefeiert! Und das Feuerwerk? Ach, das hat noch Zeit bis man zu Ende gefeiert hat und das ist doch erst in zwei Tagen.
Von Dixi Greiner
Schlagwörter: Ausflüge, Familie, Katalonien, Sehenswert, Traditionen, Unterwegs