Kultur ist politisch und persönlich
Foto: Dorothee Elfring
Klub Hannah am 10. Juli mit Judith Maiworm, Leiterin des Goethe-Instituts Barcelona
Beim letzten Treffen des Klub Hannah vor der Sommerpause stellte Judith Maiworm, Institutsleiterin des Goethe-Instituts in Barcelona, das Goethe-Institut als „Agent für die kulturelle Politik“ sowie ihren eigenen beruflichen Werdegang vor. Es könnte nicht passender sein, dass Maiworm in dem nach Hannah Arendt benannten Format, die Idee erklärte, auf die die Gründung des in München ansässigen Goethe-Instituts Anfang der 1950er Jahre zurückgeht. Es bedurfte einer Kulturpolitik, um Deutschland nach den Schrecklichkeiten des Zweiten Weltkrieges wieder in einen Dialog mit den anderen, und in erster Linie den europäischen Nationen auf kultureller Ebene zurückzuführen.
Nach dem ersten Goethe-Institut, das 1952 in Athen eröffnete, geht die Vertretung in Barcelona bereits auf die 1955 von Rosemarie Hess gegründete Deutsche Bibliothek zurück. 1957 kam das Goethe-Institut in Madrid hinzu und kürzlich im Jahr 2019 zwei Kooperationen in den Städten Palma de Mallorca und San Sebastian.
Inzwischen arbeiten zirka 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt auf 159 Institute in 98 Ländern für den kulturellen Austausch mit jährlich ca. 30.000 Kulturprogrammen und ca. 272.000 Deutschschülerinnen und -schülern. Dass es darunter mehr Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter gibt, ist laut Maiworm typisch für die Arbeit im Kulturbereich und lasse sich in einigen Ländern auch durch die verhältnismäßig niedrige Gehaltsstruktur erklären. Im Goethe-Institut sei aber in den vergangenen Jahren ein merkbarer Wandel zu spüren, gerade in Führungspositionen. Zentrale Aufgaben des Goethe-Instituts seien neben der Förderung des Deutschen und der Wissensvermittlung über Deutschland im Ausland, die Kooperation mit den kulturellen Institutionen vor Ort. Maiworm präsentierte einen bunten Strauß aktueller und vergangener Kulturprojekte in Barcelona. Derzeit beherbergt das Goethe-Institut beispielsweise die Ausstellung des Fotografen Harald Hauswald, der mit seinen Bildern den Alltag der DDR dokumentierte. Daneben wird auch regelmäßig das aktuelle deutsche Kinoprogramm vorgeführt. So letztens der Film „Mackie Messer“ nach Motiven von Brechts Dreigroschenoper, bei dessen Ausstrahlung auch der Schauspieler Lars Eidinger im vergangenen Herbst anwesend war.
Ihre Karriere beim Goethe-Institut startete Maiworm in Cincinnati, Ohio, mit sich anschließenden Stationen in New York, Santiago de Chile, La Habana und schließlich Barcelona. Maiworm beschrieb, wie die Arbeit in der internationalen Kulturpolitik auch das persönliche Leben stark prägt. Aufgrund ihrer Arbeit im Goethe-Institut in Chile konnte sie einen ihrer Lebensträume – die Zusammenarbeit mit Pina Bausch – realisieren. Während einer Künstlerresidenz der Choreografin und ihrer 21 Tänzerinnen und Tänzer bereisten diese im Rahmen des Festivals „Santiago a Mil“ 2009 zwei Wochen lang das Land. Am Ende stand eine Choreografie für das von Chile handelnde Stück, das in Wuppertal uraufgeführt wurde. Zwei Wochen später verstarb die Künstlerin und erlebte die dadurch noch außergewöhnlichere Aufführung in Chile nicht mehr. Die von Maiworm dargestellten Projekte zeigen, welche Themen ihr am Herzen liegen und für sie in der Kulturarbeit im Zentrum stehen. Chile prägte Maiworm auch aufgrund der gerade in der Kultur durch Michelle Bachelet in koordinierter Weise vorangetriebenen Aufarbeitung der Geschichte des Landes. Auch hier gab es eine ausgeprägte Zusammenarbeit mit dem Institut, das viel von der „deutschen Erinnerungskultur“ beitragen konnte. Maiworm erzählte zudem von dem 2018 entstandenen Projekt „Freiraum“, das die Frage stellte: was ist Freiheit in Europa.
Daneben machte Maiworm deutlich, welche Auswirkungen das Rotationsmodell auch auf das Leben der Einzelnen und ihrer Familien haben kann. Als eines von drei Institutspaaren initiierten sie und ihr Ehemann als erste das „job sharing“ und teilten sich den Posten in Cincinnati, später New York. Damit habe man im Nachhinein einen Wandel vom klassischen Modell des mitziehenden Ehepartners im nun deutlich flexiblere Arbeitsmodelle anbietenden Institut eingeleitet. Durch eine klare Arbeitsteilung unter Gewährleistung eines Ansprechpartners pro Aufgabenbereich konnte das ohnehin aufgrund der regelmäßigen Rotation herausgeforderte Familienleben erleichtert werden.
So wird zugleich das sehr politische und das sehr persönliche der Kultur deutlich. Sie hat einen Platz auf der großen (internationalen) Bühne, kann Menschen (wieder) verbinden und eine ebenso wichtige Rolle für die Einzelnen spielen.
Von Alma Laiadhi
Schlagwörter: Frauen, Klub Hannah in Barcelona