Wer oder was ist CRISPR?
Was sich anhört wie Schoko-Cornflakes begeistert weltweit viele Forscher und hat bereits die Medizin revolutioniert. Es führt allerdings auch zu ethischen Grundsatzfragen und die Anwendungsmöglichkeiten sollten dringend zu einer gesellschaftlichen Debatte führen.
Gemeint ist die „Genschere“ CRISPR/CAS9, die 2012 von der Forschergruppe um Jennifer Dounda/ Emanuelle Charpentier entwickelt wurde.
Um zu verstehen, worum es hier eigentlich geht, ist ein Exkurs in die Geschichte der Gentechnik notwendig:
Den Anfang machte G. Mendel Mitte des 19. Jahrhunderts mit seiner Vererbungslehre. Dann folgte 1944 die Identifizierung der DNA als Träger der Erbinformation und 1953 die Entschlüsselung der DNA-Doppelhelix durch Watson und Crick.
Danach verlagerte sich die Forschung auf die Frage, wie Informationen aus dem Genom, also dem Erbgut der Zelle, verarbeitet werden. Für großes Erstaunen sorgte dann die Erkenntnis, dass der Genetische Code, mit dessen Hilfe alle Proteine hergestellt werden, nur aus einem Triplett von jeweils 3 Basen besteht und von allen lebenden Organismen, also Menschen, Tieren aber auch Pflanzen und Bakterien gleichermaßen gelesen werden kann. Das bedeutet, dass zum Beispiel die Information zur Herstellung von tierischen Proteinen auch von Bakterien verarbeitet werden kann.
Kurze Zeit nach der Entschlüsselung des genetischen Codes wurde ein Enzym entdeckt, dass einzelne Stücke (Basenfolgen) aus der DNA herausschneiden kann. Die so zerschnittenen Enden mehrere DNA-Stränge passen wieder ineinander, wie bei einem Stecksystem.
Das ermöglicht nun gentechnisch veränderte DNA herzustellen. Da Bakterien die Codes lesen können, konnte man humane DNA Stücke nun in ihre DNA einschleusen und sie so veranlassen zum Beispiel menschliches Insulin herzustellen.
1982 kam dann das erste gentechnisch hergestellte Insulin auf den Markt, ein Humaninsulin, das nun nicht vom Menschen selbst, sondern von Bakterien hergestellt wurde und für Diabetiker wesentlich besser verträglich war, als die bis dahin verwendeten Schweine- oder Rinder-Insuline.
Zurzeit sind mehrere Hundert gentechnisch hergestellte Arzneimittel auf dem Markt. Obwohl die Gentechnik in anderen Bereichen, wie der Landwirtschaft stark kritisiert wird – innerhalb Europas werden nur hier in Spanien und in Portugal gentechnisch veränderte Lebensmittel hergestellt – , wird sie in der Medizin akzeptiert und vorangetrieben.
Bei den Versuchen DNA zu verändern, kam es aber immer wieder zu Rückschlägen, da die Systeme nicht spezifisch genug arbeiteten, bis dann 2012 CRISPR /Cas9 entwickelt wurde. Entdeckt wurde es bei Bakterien, die mit Hilfe besonderer DNA-Fragmente Viren abwehren können. Da der Genetische Code bei Bakterien und Menschen gleich ist, funktioniert dies auch bei Menschen.
Das Besondere an der CRISPR/Cas9 -Methode ist die Genauigkeit, mit der in einem großen Genom mit tausenden von Basen genau die Stelle gefunden wird, die repariert werden soll. Dazu wird das schneidende Enzym, also die eigentliche Gen-Schere, mit einer „Suchsonde“ verbunden, die der jeweiligen Zielbasenfolge entspricht und nach ihrem Pendant sucht. Wenn sie es gefunden hat, dockt sie dort an. In der DNA-Doppelhelix wird dann genau an der Stelle das gesuchte Basenstück von dem Enzym herausgeschnitten. Anschließend setzen die natürlichen Reparaturmechanismen der Zelle ein und fügen die DNA-Enden wieder zusammen (ohne das herausgeschnittene Stück). Inzwischen ist es auch möglich neue Stücke dabei einzufügen.
Mehrere so hergestellte Wirkstoffe sind inzwischen zugelassen und werden vor allem in der Krebstherapie verwendet. Sie werden bislang jedoch immer nur zur Gentherapie eingesetzt. Denn dabei werden nur bestimmte Körperzellen (z.B. Tumorzellen) eines Patienten verändert und eine Vererbung ist damit, anders als bei Keimbahneingriffen ausgeschlossen ist.
Mit dieser Methode könnte man aber auch – so erhoffen sich die Forscher -, bestimmte Erbkrankheiten, die nur eine Veränderung in einem bestimmten Basenstück mit sich bringen, in der Zukunft heilen oder sogar auslöschen. Das würde aber einen bislang durch Embryonenschutzgesetze untersagten Eingriff in die Keimbahnen bedeuten. Daher sorgte das Experiment, das der Chinese Jiankui He 2018 veröffentlichte für eine große Aufregung nicht nur unter den Wissenschaftlern: Er hatte die Genschere CRISPR/Cas9 in eine Eizelle gebracht, um das CCR5-Gen zu zerstören, das die Andockstelle für HIV-Viren ist und damit immun gegen HIV-Infektionen macht. Es ist allerdings unklar, welche anderen Bedeutungen dieses Gen noch hat und welche Probleme durch dessen Zerstörung auftreten können.
Eingriffe in die Keimbahn bringen aber nicht nur enorme Risiken mit sich, sondern werfen auch ethische Grundsatzfragen auf: Sollte man jedes von der Norm abweichende Leben verändern? Wieviel Diversität können wir zulassen? Wer entscheidet, was verändert werden darf? Es ist an der Zeit, dass wir uns damit auseinandersetzen, denn medizinisch ist schon vieles möglich, was bislang (zum Glück?) verboten ist.
Von Birgit Carls-Eisenberg
Schlagwörter: Gesundheit, Moderne Welt