Lolas Schwert
Ein Bild kann manchmal einen Kosmos eröffnen. So war es als eine Freundin mir das Graffiti „Mural Feminista“ am ehemaligen Gefängnis Modelo in Barcelona zeigte.
Bunt, ausdrucksstark, feminin, lebensbejahend. Toll! Da muss man glatt mal die Künstler checken. So kam ich auf Raquel Riba Rossy, eine junge Zeichnerin und Illustratorin aus Katalonien.
Sie wurde 1990 in Igualada geboren und studierte von 2008 bis 2012 Bellas Artes an der Universität von Barcelona. Dann bildete sie sich 2013 an der Escola de la Dona weiter.
Sie arbeitete als Hostess auf Kongressen und wurde sich dort eines sozialen Ungleichgewichts bewusst. Die Mehrheit der Besucher waren Männer und die Mehrheit der wenigen Frauen waren wie sie schmückendes Beiwerk auf Highheels. Es sollte jemanden geben, der sich darüber beschwert, dachte sie. Aber nicht rumjammern, sondern ankreiden, richtigstellen, verbessern. So wurde die Idee ihrer Hauptfigur Lola Vendetta geboren.
Lolas Markenzeichen: lange Haare, schwarz geringeltes T-Shirt, roter Lippenstift, Haare an den Beinen und auf den Zähnen. Lola ging am 8. Mai 2014 auf Facebook online und hat seitdem 283.000 Follower. Lola brezelt sich zu Silvester auf, macht Weihnachten Geschenke, betrinkt sich, denkt über Liebe, Geld, Tierschutz, Rassismus, die Monatsblutung und das Leben nach, und das, was einem dazwischen noch so passiert. Sie hält Netflix für eine ziemlich sichere Verhütungsmethode und wünscht sich manchmal nichts weiter als ein eigenes Zimmer mit Wifi. Sie ist eine Frau, wie du und ich. Abgesehen vielleicht davon, dass sie mit einem Katana durch die Gegend zieht. Mit diesem japanischen Schwert schlägt sie alles klein, was ihr nicht passt. Bis Blut fließt. Dabei prangert sie mit wenigen Worten, aber in deutlichen Bildern die Gesellschaft, die Männer, die Frau-en, die Erziehung an. Was Lola zu sagen hat, füllt Bücher. 2017 erschien das erste Buch „Lola Vendetta. Mas vale Lola que mal acompañada” im Verlag Lumen. 2023 kommt bereits der 5. Lola-Comic auf den Markt „Lola Vendetta. Katamazo al amor romántico“. In ihren Büchern rechnet Lola mit dem Leben nach der Trennung, der Mutter, den Männern im Allgemeinen und der romantischen Liebe ab. Sie durchschreitet existenzielle Krisen, aber verliert ihren Humor dabei nicht.
Raquel Riba Rossy hält Lolas Gedanken in schwarz und rot auf weißem Grund fest. Mehr Farben braucht es nicht, um alles auf den Punkt zu bringen.
Doch Raquel hat auch noch andere Projekte. Ihre Liebe gilt auch der Musik und manchmal vereinigt sie ihre Illustratio-nen mit der Musik, wie in dem Video „Lo innombrable“ zusammen mit Marta Gómez, das unverkennbar ihre Hand-schrift trägt.
Mit Vicky Cuello zusammen hat sie das Wandgemälde am Barceloneser Gefängnis kreiert, das unser Titelbild in dieser Ausgabe ist.
Und auch in der Literatur ist sie nicht nur Einzelgängerin. So hat sie an dem Buch „Voces que cuentan. Una antología“ mitgewirkt, indem 9 Geschichten von verschiedenen namhaften Schriftstellerinnen (wie z.B. Almudena Grandes) und Illustratorinnen des spanischsprachigen Raums in Szene gesetzt wurden.
In Zusammenarbeit mit einer dieser Schriftstellerinnen, Leticia Dolera brachte sie 2022 „Morder la manzana“ heraus, ein Buch, das die Geschichte und Geschichten des Feminismus beleuchtet. Feminismus, sagt sie, erleidet man nicht, man genießt ihn. Aber eigentlich sei es auch gar keine Frage des Feminismus, wenn man sich wehrt, nachdem man begrapscht wurde. Es ist eine Frage der Menschenwürde. Doch wenn frau sich lange genug mit der Menschenwürde befasst, wird frau unweigerlich Feministin.
Ihre Bücher sind mittlerweile auch in Columbien, Mexico, Guatemala und Argentinien bekannt.
Wir hoffen auf baldige Übersetzungen und freuen uns auf neues in der Landessprache.
Von Kati Niermann, Oktober 2023
Infos
https://lolavendetta.com/
Schlagwörter: Barcelona, Frauen, Kultur