Heilsversprechen per Gitarrenriff

Hartmut Rosa sprach in der Buchhandlung Finestres über sein neues Buch, Foto: NIermann
Es ist Samstagvormittag, blaue Stunde, keine drängenden Termine, ein guter Zeitpunkt für ein bisschen Kultur und Philosophisches. Am 12. September hatten wir die Freude, an der Vorstellung des Buches „When monsters roar and angels sing“ von Hartmut Rosa teilzunehmen. Das Goethe Institut hatte in die Buchhandlung Finestres geladen und etliche waren dem Aufruf gefolgt. Mich lockte vor allem die Ambivalenz des Themas. Ein renommierter deutscher Soziologe hat ein Buch über Heavy Metal geschrieben? Es wurde jetzt auch ins Spanische übersetzt.
Mit diesem Buch hat Hartmut Rosa sich wissenschaftlich dem Verständnis der auch von ihm selbst präferierten Musikrichtung gewidmet. Es scheint, als hätte er hier lustvoll Beruf und Hobby verknüpft.
So sitzt er an diesem Vormittag ganz entspannt und beantwortet die Fragen, die Oriol Rosell, Kritiker, Promotor und Lehrer für Geschichte und Ästhetik der elektronischen Musik ihm stellt.
Die Hauptfrage ist natürlich, was finden die unzähligen treuen Hörer an dieser Musikrichtung, die doch gleichzeitig vom Rest der Welt als Krach und Radau empfunden wird.
Rosa sagt, es sind die leichten fast engelhaften Harmonien, die dem Growling entgegengesetzt werden. Es sind archaische Strukturen, himmlische Klänge, die über dem Inferno schweben, es mute fast frühchristlich an.
Er vergleicht die Metal-Hörer mit den Fans klassischer Musik. Sie können ähnlich detailliert stundenlang über Nuancen verschiedener Versionen fachsimpeln. Sie seien auch entgegen dem gemeinen Mythos, der Metalfan sei eher tumb, sehr belesen. Es gebe 8 regelmäßig erscheinende Fachzeitschriften zum Metal in Deutschland, so viele wie in keiner anderen Stilrichtung. Auch vereint beide ein romantisches Kunstverständnis entgegen dem mainstream.
Diese Musik sei ein „Nein“ in die Welt, sie nehme das Dunkle ernst und verbinde konservative Züge (siehe Geschlechterrolle) mit linksliberal progressiven Ansätzen (Grundtrotzhaltung). Sie vermittle ein Grundvertrauen ins und eine Lust am Leben, die uns mehr und mehr verloren geht. Über dem Schrecklichen, dem höllischen Krach gibt es immer auch ein Heilsversprechen als Sehnsuchtsziel. Wohlgesetzte Gitarrenriffs oder ätherische Frauenstimmen vermitteln die Idee, dass eine andere Wirklichkeit erfahrbar ist, fernab der gängigen Entfremdung.
Viele Metal-Fans geben an, die Musik hätte ihnen das Leben gerettet. Da kann man doch mal drüber nachdenken, oder eben ein Buch schreiben.
Vielen Dank dafür Hartmut Rosa.
Von Kati Niermann, Septembre 2025
Schlagwörter: Kultur