In rasendem Stillstand

Prof. Dr. Hartmut Rosa Foto: Daniel Hinterramskogler
Interview mit Prof. Dr. Hartmut Rosa, Soziologe und Politikwissenschaftler an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Direktor des Max-Weber-Kollegs der Universität Erfurt.
In der Buchhandlung Finestres im Herzen Barcelonas lernte ich Prof. Dr. Hartmut Rosa bei der Vorstellung der spanischen Ausgabe seines Buches „When monsters roar and angels sing“ kennen. Seine Begeisterung für Heavy Metall riss das Publikum mit. Das Interview führten wir per Zoom.
Prof. Rosa, wie viel Zeit habe ich? Denn ich weiß, dass Zeit für Sie das Wichtigste ist.
(Er lacht) Ne, das Wichtigste nicht, aber sie ist überall einfach knapp.
Wie erklären Sie den Widerspruch, dass die Welt uns heute scheinbar alles bietet – und wir trotzdem oft frustriert sind?
Ich sehe zwei Krisensymptome. Einmal die politische Wut, die sich in den rechtspopulistischen Bewegungen äußert, und das andere ist das Burnout, dass die Menschen nicht mehr können und fertig sind. In beiden Fällen – würde ich sagen – ist es eigentlich eine Störung in der Weltbeziehung. Wir kriegen vom Leben nicht das, was wir brauchen oder was uns versprochen worden ist. Die Frage ist, was kriegen wir nicht, was wir brauchen? Manchmal sagen die Menschen, weil ich nicht genug Lohn habe oder weil ich zu viel arbeiten muss oder meine Wohnung nicht gut genug ist. Was im Einzelfall natürlich immer sein kann, aber grundsätzlich interpretiere ich die Art, wie wir miteinander leben, als eine Störung mit der Weltbeziehung. Ich kann das auf verschiedene Arten beschreiben. Die eine ist: Die Unzufriedenheit oder der Frust oder die Wut oder der Burnout kommt daher, dass wir immer schneller laufen müssen, ohne dass wir irgendwohin laufen. Schnell laufen ist für Menschen gar kein Problem, wenn es eine Ziellinie gibt, einen Horizont, den wir erreichen möchten, aber wenn ich weiß, dass ich nächstes Jahr noch schneller laufen muss, das habe ich als rasenden Stillstand versucht zu beschreiben.
Das andere ist, dass es uns an Resonanz fehlt. Dass wir das Gefühl haben, was auch Menschen sagen, die Burnout haben: „Ich habe getan, was ich konnte, ich habe so viel gegeben, aber es kam nichts zurück.“ Diese Art von Rückbindung oder Rückfluss fehlt. In meinem neuen Buch versuche ich zu beschreiben, dass wir in unseren Tätigkeiten in unserer Welt kaum mehr handeln, sondern vollziehen. Die Unterscheidung kommt daher, dass ich sage: „Handeln“ ist, wenn ich auf eine Situation reagiere, nach meiner Urteilsfähigkeit. Ich nehme etwas wahr, bilde mir ein Urteil, brauche Erfahrung, Augenmaß und Fingerspitzengefühl. Ich handele dann auf der Basis meines Empfindens, wie ich es für richtig halte.
Ich stelle fest, dass das immer seltener der Fall ist. Weil wir Regeln einhalten müssen, Verfahren einhalten müssen oder ein Formular ausfüllen müssen. Ich nenne das Vollziehen statt Handeln. Das Vollziehen ist eine Form der Tätigkeit, bei der eigentlich die Verbindung zwischen meinem Urteil und meiner Empfindung und der Tätigkeit durchschnitten ist. Am Ende des Tages würde ich sagen, es ist eine Art Entfremdungserfahrung.
Können Sie die zentralen Punkte Ihrer Theorie zusammenfassen – jene, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Menschen haben das Gefühl, sie kriegen vom Leben nicht, was ihnen versprochen war. Was uns versprochen war, ist eben nicht nur eine Aufhäufung von Optionen oder Gütern, sondern eine bestimmte Art, mit dem Leben in Kontakt zu treten. Das nenne ich Resonanz. Und die Resonanz hat vier Momente. Das kennt jede und jeder aus seinen Lebenserinnerungen. Resonanz ist etwas das mich wirklich berührt, wo ich nicht das Gefühl habe, ich arbeite eine To-do-Liste oder Pflichten ab, sondern plötzlich höre oder sehe ich etwas, das mich angeht. Manchmal ist es so stark, dass wir Tränen in den Augen haben. Dann berührt mich etwas. Wir machen solche Erfahrungen mit der Musik oder in einer Landschaft, manche in der Kirche oder in der Literatur. Auch in der Begegnung mit Menschen oder manchmal auch in der Arbeit. Also das erste Moment ist, etwas berührt mich wirklich existenziell.
Das zweite ist: Ich antworte darauf. Ich gehe dem entgegen. Man sieht das an der körperlichen Haltung. Nicht dieses Verschlossene, Starre, das mit der Entfremdung einhergeht, sondern es kommt zu einer Öffnung. Wir wollen uns erreichen und berühren lassen und antworten dann darauf, indem wir anfangen zu leben. Dieses zweite Moment der Selbstwirksamkeit ist eine Antwort auf die Berührung. Ich mache etwas damit. Das macht etwas in mir.
Das erste Moment ist: Etwas berührt mich, Affizierung. Das zweite Moment ist Emotion oder Selbstwirksamkeit, ich antworte und tue etwas. Das dritte Moment ist Verwandlung oder Transformation, dadurch fühle ich mich verwandelt. Dieses Sich-Lebendig-Fühlen hat diesen Aspekt von „Ich bin so mit der Welt im Austausch, dass es mich verändert“. Ich gewinne eine andere Haltung zum Leben, andere Gedanken, eine andere emotionale Stimmung.
Und das vierte Element ist Unverfügbarkeit. Da liegt ein systematischer Fehler in unserem gesamten gesellschaftlichen System. Wir können es nicht herstellen, nicht mit bürokratischen Mitteln: „Jeder hat das Recht auf zwei Resonanzen pro Tag“, das geht nicht. Und wir können es auch nicht kaufen. Wir versuchen es immer. Wir kaufen Konzertkarten oder buchen eine Kreuzfahrt, oder Tickets für ein tolles Naturerlebnis. Wir können uns dieses Objekt, die Commodity, kaufen. Ob es zu dieser berührenden Verwandlung kommt, das kann ich nicht kaufen. Meine These lautet: Wir suchen solche Resonanzbeziehungen mit anderen Menschen oder mit Dingen. Wir wollen mit unseren Gefühlen, unserem Körper, unseren Erinnerungen in Resonanz treten.
Glauben Sie, dass es zwei Formen der Moderne gibt – eine gute und eine schlechte?
Das ist eine gute Frage. Das gehört zusammen. Ich nenne das eine soziale Formation. Die hat bestimmte Momente, die hat eine strukturelle Seite. Die institutionelle Verfassung ist durch den Kapitalismus stark ökonomisch geprägt. Das kapitalistische Wirtschaften schafft Reichtum, technischen Fortschritt, aber eben auch den erbarmungslosen Steigerungszwang. Das wir immer schneller laufen müssen. Zu viele Autos, zu viele Computer… Das könnte man als die schlechte Moderne bezeichnen, aber ich wäre vorsichtig, weil nicht alles daran schlecht ist. Diese ungeheure Wohlstandsschaffung, der technisch-wissenschaftliche Fortschritt ist damit verbunden.
Die andere Seite ist das Autonomieversprechen. Die Idee, dass mir niemand vorschreibt, wie ich zu leben habe. Was man Freiheit oder Autonomie nennen kann: Es ist nicht der König, der mir sagt, wie ich leben kann, aber auch nicht die Kirche oder die Natur. Die Idee der selbstbestimmten Lebensführung gehört auch zur Moderne. Ein System, das auf Steigerung beruht und ein kulturelles System, dass auf Selbstbestimmung gerichtet ist. Beides zusammen hat dazu geführt, dass wir Gefahr laufen, Resonanzfähigkeit zu verlieren. Natürlich würde ich lieber die Selbstbestimmungsseite erhalten, als den Steigerungszwang, aber ich glaube, dass zu einem gelingenden Leben nicht nur gehört, dass mir niemand etwas vorschreibt, sondern auch, dass ich in der Lage bin, mich von anderen berühren oder verwandeln zu lassen. Ich glaube, das brauchen wir auch, wenn Demokratie funktionieren soll. Also die Fähigkeit sich von anderen berühren und verwandeln zu lassen. Diese beiden Seiten der Moderne – ich will selbstbestimmt sein und ich lebe in einem Steigerungszwang, die sind gut und problematisch zugleich.
Sind Sie der Meinung, dass ein stärkeres Bewusstsein für Ihre Thesen über die Moderne unser menschliches Leben verbessern könnte?
Auch das ist eine gute Frage. Wir sehen in der Klimaforschung seit langem, dass der Graben zwischen Bewusstsein und Handeln größer wird. Wir sind uns bewusst, dass vieles nicht gut ist. Wir machen es dann trotzdem. Es ist noch nie so viel geflogen worden wie jetzt. Da sieht man, dass Bewusstsein allein nicht reicht, weil wir immer auch eingebunden sind in strukturelle Logik. Mit den Zwängen gehen auch Begehrensmuster einher: „Ich möchte auch mal auf die Seychellen fliegen.“ Es kommt nicht nur auf die Theorie an, sondern auf die Erfahrungsseite und da im Besonderen auch die Begehrens-strukturen und die Angststrukturen. Bewusstsein würde viel ändern, wenn wir wirklich begehrensgetrieben wären. Befürworter des kapitalistischen Marktes sagen, dass Menschen ja Bedürfnisse haben und sie sind gierig, sie haben nie genug. Sie wollen immer mehr haben. Nach meiner soziologischen Analyse sind wir eher angstgetrieben. Die Furcht davor, unseren Platz in der Welt zu verlieren, nicht mehr mithalten zu können, zu kurz zu kommen. Das treibt uns viel stärker an als die Gier. Gegen solch ein angstgetriebenes Handeln kommt man mit eigenem Bewusstsein nicht an. Trotzdem schreibe ich natürlich auch in der Hoffnung, einen Bewusstseinswandel zu erzielen, in dem ich mit der Resonanztheorie eine Vorstellung vom gelingenden Leben formulieren wollte, die sagt, guck mal: Euer Leben ist nicht dann gut, wenn ihr mehr und mehr und mehr habt, sondern es hängt von der Qualität eurer Beziehungen ab. Entlang meiner vier Achsen: Die Qualität sozialer Beziehungen, die Qualität materieller Beziehungen, die Beziehung zu euch selbst und die Qualität der Beziehung zum umgreifenden Ganzen, wie Jaspers es nennt, zur Natur, zum Universum, zum Leben. Darauf kommt es an. Der Bewusstseinswandel ist ein Teil der Transformation, die wir brauchen.
Wie reagieren Ihre Studenten und Studentinnen auf Ihre Theorien?
Es ist erfreulich, dass man alles im globalen Kontext sieht. Sie können beiden Theorien sehr viel abgewinnen. Der Zwang zur Beschleunigung wie auch Burnout haben ähnliche Symptome. Es ist ein weltweites System, gerade auch bei jungen Leuten. Die verstehen sehr schnell, wovon ich rede, wenn ich die Schattenseiten des Beschleunigungsregimes aufzähle. Was ich mit Resonanz meine, ist universell verstehbar. Die Sehnsucht, auf andere Weise verbunden zu sein, ist relativ schnell anschlussfähig. Wenn ich eine neue Theorie einführe, ist es mir sehr wichtig, dass die Studierenden das verstehen. Als Soziologe werde ich inspiriert von der jungen Generation, die ihre Fühler am Puls der Zeit hat. Ich formuliere es auch aus der Erfahrung mit jungen Menschen. Ich mache jedes Jahr eine Schülerakademie mit Jugendlichen, seit 30 Jahren.
Spielen Frauen in Ihrer Theorie eine besondere Rolle – etwa, weil sie emotionaler sind, resonanzfähiger?
In meinem Buch gibt es ein Kapitel: Ist Resonanz katholisch, weiblich und jung? Katholisch, weil der Protestantismus erstmal eine relativ resonanzfeindliche Form des In-der-Welt-Seins postuliert hat. Jung, weil junge Leute von Natur aus resonanzfähig sind. Kinder sind – bevor sie Sprachwesen sind – auf Resonanz aus, die Begegnung mit dem Blick oder der Stimme. Unsere ganze Bildung lebt davon, dass unsere Kinder durch einen Aspekt der Welt berührt und verwandelt werden wollen. Und weiblich aus dem von Ihnen genannten Grund. Das ist bei mir nicht biologisch gedacht, sondern in unserem kulturellen Reservoir wird seit Jahrhunderten das Weibliche verbunden mit Resonanzqualitäten. Oft wird gesagt, die Frauen sind emotionaler, die Männer rationaler. Da ist viel Klischee und stereotypisierendes Projizieren drin. So wird es in der Gesellschaft eingeübt. Frauen können auf ihr Gefühl hören, sie haben guten Zugang dazu. Damit verbunden ist, dass Frauen die Care-Arbeit aufgebürdet wurde oder sie haben sie übernommen. Aber das ist in meinem Sinn egal. Es sind diejenigen, die die Erziehungsarbeit lange, lange geleistet haben. Da brauchst du Resonanzqualitäten. Junge und alte Menschen sind darauf angewiesen. Das sehen wir auch im Pflegesektor, der lebt von den Fähigkeiten, in Resonanz zu treten. Frauen sind für die emotionale Seite der Familie zuständig.
Es gibt sehr viele Gründe dafür, dass in unserem kulturellen Reservoir das Weibliche mit der Resonanzfähigkeit und das Männliche mit dem, was ich stumme Weltbeziehung nenne, einhergehen. Ein Mann kennt keinen Schmerz, ein Junge weint nicht. Wir haben die beiden Aspekte getrennt, was ein Fehler ist. Männer sollten weiblicher sein, wenn sie resonanzfähiger sein wollen. Wir haben die Aspekte getrennt und auch noch unterschiedlich bewertet. Das Männliche wurde aufgewertet und das Weibliche abgewertet, was dazu geführt hat, dass wir in einer resonanzfeindlichen Umgebung leben. Die Gesellschaft sollte sich transformieren, wenn sie ihre Krisen überwinden will.
Einige sehen in Ihnen den intellektuellen Erben der Frankfurter Schule. Nehmen Sie diese Zuschreibung an?
Ja, ich vertrete sie sozusagen selbst. Mein Doktorvater Axel Honeth gilt als 3. Generation der Frankfurter Schule. Auch in Frankreich gelte ich als 4. Generation. Das ist mir ganz lieb, weil ich besonders dieses Kernanliegen der ersten Generation teile, von Herbert Marcus oder Erich Fromm. Ich teile ihren Ausgangspunkt, etwas stimmt nicht an der Existenzform des modernen Lebens. Es wurde unter dem Begriff der Entfremdung beschrieben und das ist mein Ausgangspunkt, den ich wieder beleben wollte. Ich wollte dem mit der Resonanztheorie ein positives Konzept entgegenstellen.
Viele Europäische Bürger sind überzeugt, dass die Bürokratie der größte Hemmschuh der EU ist. Stimmen Sie dem zu?
In meinem neuen Buch Situation und Konstellation: Vom Verschwinden des Spielraums, das im Januar erscheint, sage ich, nicht Brüssel oder die Demokratie ist das Problem. Die Art unseres Tätigseins in der Welt wandelt sich. Vom Handeln, wo ich die Verantwortung für mein Tun übernehme und versuche, Urteilskraft zu entwickeln und eine jeweils situationsangemessene Lösung zu finden. Bürokratie ist etwas, das mich häufig am Handeln hindert. Ich sehe eine Situation wie z.B. eine Schule, die Kinder wollen ein Fest machen. Tolle Idee! Aber dann gibt es die Brandschutzregeln, die Arbeitszeitregeln und die Hygieneregeln. Tausend bürokratische Vorgaben, die das Vorhaben killen. Das hemmt Kinder und Lehrer, sich als handelnde Akteure in der Welt zu erleben. Wir müssen dann nur noch vollziehen: Den Antrag ausfüllen usw. Das Problem ist, dass diese bürokratischen Regeln gute Gründe haben. In dem Moment, wo ich handele, habe ich keinen Spielraum. Es gibt gute Gründe, den Spielraum nicht erodieren zu lassen. Einen haben wir eben angesprochen: es gibt so viele Momente, wo Männer den Spielraum immer zu ihren Gunsten ausgenutzt haben.
Zum Beispiel bei der Rundfunkkommission. Es ist wissenschaftlich belegt, dass die immer mit Männern besetzt war. Männer haben geschworen: „Wir nehmen den am besten geeigneten Kandidaten.“ Zufällig war das dann ein Mann. (Er lacht) Es gab bürokratischen Regelbedarf, um das abzuschaffen. Spielräume können für Korruption benutzt werden, aber auch für Diskriminierung, Ungleichbehandlung. Der Wunsch Gerechtigkeit und Gleichheit herzustellen, zu optimieren, hat dazu geführt, dass wir bürokratische Regeln einführen. Die Folge davon war aber, dass Situationen immer komplexer sind als die bürokratischen Regelungen, wodurch die bürokratischen Regelungen selbst immer komplexer wurden. Bürokratie ist beides: Himmel und Fluch zugleich. Wir brauchen einen klugen Umbau der Bürokratie, die die Bürgerinnen und Bürger wieder zu handelnden Personen macht, nicht zu Vollzugsagenten. Bürokratieabbau ist kaum realisierbar, weil der voraussetzen würde, dass die Situation weniger komplex wird.
Ist der Aufstieg der extremen Rechten in Europa und darüber hinaus ein vorübergehendes Phänomen – oder wird er sich dauerhaft festsetzen?
Ich glaube nicht, dass es ein vorübergehendes Phänomen ist. Weil Rechtspopulisten, wenn sie denn mal abgewählt waren, wieder gewählt werden, wie Orban oder Trump. Wohingegen die etablierten Parteien schneller wieder verschwinden. Ich lese den Erfolg der Rechtspopulisten als Ausdruck einer massiven politischen Entfremdung. Menschen fühlen sich nicht mehr auf Resonanzbasis mit dem politischen Gemeinwesen verbunden. Deshalb ist die Transformation, über die wir eben gesprochen haben, dringend notwendig, sonst werden wir politisch dunklen Zeiten entgegensehen.
Beunruhigt Sie der Wandel in den Vereinigten Staaten, wo sich eine regelrechte politische Industrie herausbildet – oder halten Sie das für eine normale Entwicklung?
Die Frage ist, was normal heißt. Es ist überraschend. Eigentlich hätte ich nicht gedacht, dass sich die USA so schnell auch von etablierten Verfahren verabschieden würden. Meine Erklärung für den Aufstieg von Trump, aber auch von den Rechtspopulisten ist, dass sie versprechen zu handeln und nicht nur zu vollziehen. Trump setzt sich über alle Regeln, Vereinbarungen und Verträge hinweg wie ein souverän Handelnder. Diese Sehnsucht zu handeln, nicht nur zu vollziehen, befeuert diesen Rechtspopulismus.
Prof. Rosa, sind Sie ein glücklicher Mensch?
(Er lacht) Das ist wirklich eine interessante Frage. Ich habe heute Morgen darüber nachgedacht, dass ich als Kind häufig zu meinen Eltern gesagt habe: „Ich bin so traurig!“ Woher kam das und was habe ich damit gemeint? Meine erste Grundschullehrerin hat mir vor kurzem Briefe aus dieser Zeit geschickt, wo meine Eltern und sie sich ernsthafte Sorgen gemacht haben, dass ich depressiv veranlagt sei. Heute Morgen habe ich gedacht, ich würde mich als glücklich beschreiben. Ich hatte viel Glück im Leben, aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass meine Resonanzachsen trotz aller Schwierigkeiten in der Welt noch funktionieren. Die Musik ist für mich eine starke Quelle von Resonanz, ich liebe Berge, ich liebe Sterne, aber ich liebe auch das Unterrichten und das Schreiben. Ich habe das Gefühl ich habe viele Resonanzachsen und kann damit auch etwas bewirken. Wenn ich mich entscheiden muss, zwischen ja und nein, dann würde ich sagen ja.
Prof. Rosa, wir danken für das sehr interessante Gespräch und Ihre Zeit.
Gerne! Das Gespräch war auch für mich interessant, weil Fragen dabei waren, über die ich schon lange nicht mehr nachgedacht habe.
Von Ina Laiadhi, Oktober 2025
Schlagwörter: Moderne Welt
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