Nach hinten raus und weg – Parc del Garraf

Der Parc del Garraf bietet viel Möglichkeiten dem Alltagsleben zu entkommen, Fotos. Kati Niermann
Dossier Nr. 170: Parks und Gärten
Wandern gehen hieß für mich früher immer umständlich packen, alles bedenken, lange irgendwohin fahren, bevor es irgendwie losgeht.
Hier in Castelldefels ist wandern sehr einfach. Eine Wasserflasche schnappen, Hut auf, feste Schuhe an, Handy für die Orientierung nicht vergessen und loslaufen. Das große Naturschutzgebiet Parc del Garraf macht es möglich. Über 12.000 ha fast reine Natur zwischen den Gemeinden Castelldefels, Begues, Sant Pere de Ribes und Sitges liegen direkt vor der Haustür. Danke dafür!
Hauptsächlich Kalkstein bildet das typische Karstrelief, das zumeist von halbhohem Gestrüpp bedeckt wird. Steineiche, Mastix, Zwergpalme, Buchs und immer wieder der aromatische Rosmarin trotzen hier dem trockenen Klima, krallen sich im nährstoffarmen Boden fest und ziehen ihr Leben aus den unterirdischen Flüsschen. Spärliche Nahrung bildet die Grundlage für eine widerstandsfähige, aber sehr übersichtliche Fauna, überwiegend Kleinvögel, Adlerarten und Schlangen. Hinzu kommen die Höhlenbewohner, denen das zerklüftete Gestein Heimat bietet, allen voran die Fledermäuse.
Menschliche Besiedlung ist immer mal wieder versucht worden. Der letzte Versuch, mit Weinanbau die Gegend zu kultivieren, ist in den Jahren 1879/80 dank der Reblaus kläglich gescheitert. So gibt es nur noch einige Masias mit Ziegen und Schafen. Doch dieses Geschäft allein ist nicht einträglich genug und wird daher oft mit einer Arbeit in einem der Kalksteinbrüche aufgestockt. Beides ist rückläufig, und so bleibt uns ein Rückzugsort ohne Ablenkung, ohne konkretes Ziel.
Nun, ganz ziellos ist das Gebiet nicht. Es wird durchquert vom Küstenwanderweg GR92 und seinen Ablegern. Dieser auch „der Mediterrane“ genannte Weg zieht sich die gesamte spanische Ostküste entlang. Er ist allerdings nirgends so gut dokumentiert und kartografiert wie in Katalonien. Die weiß-rote Markierung ist dezent, aber unübersehbar. Ein sehr beliebter Abschnitt dieses Weges führt von Sitges nach Vilanova i la Geltrú. Man kann hinter dem Golfclub Terramar einsteigen und zwischen Bahn und Steilküste von einem Ort zum anderen wandern. Zurück geht’s dann im Zug. Man kann sich nicht verlaufen, weil der Weg von links und rechts durch Bahn und Steilhang begrenzt ist. Vorsicht ist allerdings an den Abhängen geboten und in der Nähe der Schienen, die nicht eingezäunt sind. Die Belohnung sind immer wieder spektakuläre Ausblicke die Steilküste hinunter auf das Meer. Zur Beliebtheit des Weges trägt auch bei, dass es auf der Hälfte der Strecke einen sogenannten Regenbogenstrand gibt, der LGBTIQ+ ist.
Im Hinterland trifft man auf den Wegen im Garraf zuvorderst auf Hundebesitzer, die ihren Lieblingen etwas mehr als die Runde um den Block bieten wollen. Auch der eine oder andere Trailrunner ist unterwegs. Alte alleinziehende grummelige Männer und sonnengegerbte Frauen mit Kräuterbündeln in der Hand fügen sich in die Landschaft ein, als würden sie dazu gehören. Alles hier strahlt Wildheit, Trockenheit, Härte aus. Wem das liegt, der kann sich an das Erklimmen der Morella wagen. Sie ist die höchste Erhebung inmitten der Natur. La Morella (etwa “die Dunkle”) mit etwas weniger als 600 Metern über dem Meeresspiegel wird von einem schönen Gipfelkreuz geziert. Von hier aus kann man den Weitblick über das Land bis hin zum Meer genießen, kleine Ortschaften ruhen wie Tupfen inmitten von sanften grünen Hügeln. Von Castelldefels, wie auch von Begues aus wird der 6 km lange Weg mit ca. 2 Stunden angesetzt. Es ist auf jeden Fall ratsam, etwas mehr Zeit einzuplanen, wenn man ungeübt ist. Das Auf und Ab auf losem Gestein ist ein wenig herausfordernd.
Wer nur eine kleine Rundwanderung machen möchte, kann das Auto in Castelldefels am Can Roca parken, die Treppenstufen zum Cal Ganxo, dem Umweltzentrum von Castelldefels, hinaufgehen und von hier aus sich rechts haltend die Hügelkette erklimmen. Vom Coll de Carros aus kann man nun einen Hügel nach dem anderen ersteigen, ohne zwischendurch wieder ganz hinab zu müssen. Die Gipfel liegen um 250 bis 300m über dem Meeresspiegel und haben tolle Ausblicke. Turó del Gall und Turó del Fanxó bieten etwas versteckt kleine Bänke, wo man ein wenig die Salzkruste auf dem Gesicht trocknen lassen kann, die sich unweigerlich aus eigenem Schweiß und Meerluft bildet. Von hier aus geht es über den Puig de Cervol und den Kletterfelsen Penya Senyal wieder hinunter nach El Poal, wo man hinunter an den Strand gehen und sich stärken kann. Zurück kann man durch das Dorf gehen oder noch einmal hinaufsteigen. Und wenn man einen Blick auf das Meer und die vorbeiziehenden Kreuzfahrtschiffe erhascht, auf denen Tausende Menschen zusammengedrängt sind, dann fühlt man sie – die Freiheit des Garraf.
Von Kati Niermann; Mai 2025
Schlagwörter: Ausflüge