Verbotene Bücher und Seligsprechung
Ramon LLull, ein ungewöhnlicher Intellektueller
Nach der erfolgreichen Präsentation seines ersten zweisprachigen – katalanisch-deutschen – Buches Erzählungen – Contes von Victor Català am 26. September 2015 im Teatre Q-ars, Barcelona sind ein Jahr später, Anfang September 2016, zwei neue Bände der “Petita Biblioteca Catalana” des Hamburger Lehmweg Verlages erschienen: Narcis Oller Erzählungen – Contes sowie Ramon Llull Llibre d’Amic I Amat – Das Buch vom Freund und dem Geliebten. Beide Bücher sollen dem Publikum Mitte November im Institut Ramon Llull, Barcelona vorgestellt werden. An dieser Stelle soll Ramon Llull und eines seiner herausragendsten Werke hervorgehoben werden.
Ramon Llull (Amat), bereits zu seinen Lebzeiten ein Mythos, war der große Universalgelehrte des Mittelalters. Aufgrund seiner mehr als zweihundertfünfundsechzig Werke, die er der Nachwelt hinterließ, gilt er als “Vater der katalanischen Literatur” sowie gleichermaßen als geistiger “Vater von Europa”. Geboren 1232 in Palma de Mallorca, stirbt er im Jahre 1316 auf einem Schiff im Mittelmeer kurz vor Mallorca auf der Rückkehr von seiner letzten Missionsreise nach Nordafrika, die er zur Verkündung des christlichen Glaubens unternahm. Zunächst Lebemann, dann Diplomat und Troubadour, wurde er nach seiner religiösen Bekehrung zu einem der bedeutendsten Missionare, Prediger, Philosophen, Theologen, Dichter und Intellektuellen des Mittelalters in Europa. Er ist zugleich Zeitgenosse von Dante. Ohne ein Universitätsstudium absolviert zu haben, lehrte er an Universitäten und war Universalgelehrter. Er setzte er sich unter anderem intensiv mit der Kunst (Ars compendiosa inveniendi veritatem, 1274), der Erziehung (Doctrina pueril, 1274-1276), dem Glauben der drei monotheistischen Religionen (Llibre del Gentil e dels tres savis, 1274-1276), der Tierwelt (Llibre de les besties, 1288-1299) und der Wissenschaft (Arbre de Ciència, 1295-1296) auseinander.
Ramon Llull war auf der ständigen Suche nach der moralischen und geistigen Vollkommenheit der Menschen und schrieb zur Verbreitung seiner Grundsätze und Erkenntnisse in altkatalanischer, lateinischer und arabischer Sprache. Das “Buch vom Freund und dem Geliebten” (Llibre d’Amic i Amat) ist Teil (Kapitel 99) des Werkes Llibre d’Evast e Blanquerna (1288) und besteht aus 365 Versen, einem für jeden Tag des Jahres. Es erzählt von der Betrachtungskunst in der Erfahrung des Mönchs Blanquerna und beschwört feinsinnig die muslimische Sufi-Tradition und die Dichtkunst der provenzalischen Troubadoure herauf.
Das Llibre d’Amic i Amat – Das Buch vom Freund und dem Geliebten ist ein Juwel über die geistige und religiöse Liebe. Diese Neuerscheinung haben wir in einer aktualisierten Übersetzung ins Deutsche herausgegeben und ergänzt durch Erläuterungen zu den Versen sowie eine Einführung in Leben und Werk des Dichters.
Von Dr. Evelyn Patz- Sievers
Schlagwörter: Europa, Geschichte, Katalonien, Literatur