Lorca que te quiero Lorca
Am 27. März 1988 war ich gerade 15 Jahre alt und im Teatre Municipal von Girona wurde El Público (Das Publikum) aufgeführt. Da war es, Theater in seiner Reinform, das sich ins Bewusstsein einbrannte.
Der heutige Direktor des Teatre Lliure von Barcelona, Lluís Pasqual sagte: “Shakespeare erzählt uns aus welchem Material der Mensch ist; Tschechow zeigt uns, wie sich dieses Material verhält; und Lorca, von Lorca können wir sagen: ‘Wie kann dieser Mann wissen, was mir widerfährt’. Es ist nicht, dass er es wüsste, sondern dass ihm genau das gleiche geschieht, nur das er weiß, wie man es beschreiben kann.”
Der Tod von Lorca, vorzeitig mit nur 38 Jahren, gewaltsam und symbolhaft, war in den letzten 80 Jahren nicht nur ein Beispiel für die faschistische Barbarei, sondern auch für die Unfähigkeit der Demokratie, würdig mit dem Gedenken dieser Taten und vieler anderer, die nachfolgten, umzugehen.
Das Francoregime war interessiert daran, zu propagieren, dass die Ermordung Lorcas das Werk einiger übereifriger Täter war, verstieg sich sogar dazu, dass es eine Abrechnung gewesen sei, bis man 2015 durch eine bis dato unveröffentlichte polizeiliche Information erfuhr, dass die Operation direkt vom Gobierno Civil (Zivilregierung) inszeniert worden war, und dass Lorca sich die Strafe eingehandelt habe, weil er „Sozialist, Freund von Fernando de los Ríos und Freimaurer (war), und weil er homosexuelle und abnorme Praktiken vollzogen habe“. Am unbekannten Grab von Lorca werden vielleicht eines Tages seine Verse eingraviert. Doch nicht heute.
Lässt man die Geschichte seines abrupten Endes, die Widersprüchlichkeit des Mannes und seine Anstrengungen, seine schriftstellerische Tätigkeit zu professionalisieren, was bleibt uns? Der Poet. Noch immer glaubt man, Lorca sei der Dichter des 20. Jahrhunderts in Spanien, sowohl wegen seiner metaphorischen Kraft, wegen der Schöpfung seiner unerschütterlichen, kraftvollen und Zeiten überdauernden Bilder, als auch wegen des neuen Zeitgeistes, mit dem sein Werk angehaucht war.
Lorca ging in der Zeit zurück, um klassisch zu sein und wurde zeitgenössisch durch die Musik, die sein Gehör schärfte, auf der Straße und im Rhythmus der Romanze und der Volkslieder. Es wurde seine Gewohnheit, seine Zeit zu porträtieren, doch nicht mit der Verdrießlichkeit folkloristischer Aquarelle, sondern mit der Wucht der Leidenschaften, die ihn durchströmten, zum Beispiel durch die Zigeunermythologie (Romancero gitano) oder den Stierkampfhelden (Llanto por Ignacio Sánchez Mejías), mit dem Hauch der elegischen Ode. Lorca übernahm den Surrealismus (Poeta en Nueva York) und das absurde Theater, wenn man es denn so nennen will (El Público, Comedia sin título, Así que pasen cinco años), doch er war derjenige, der am besten die dichterischen Möglichkeiten zu lesen und zu verstehen wusste und den Schatz an Bedeutung, den man in dramatischen Konventionen verbergen kann. La casa de Bernarda Alba und Yerma sind shakespearehafte Stücke, angepasst an die spanische Dunkelheit. Doña Rosita la soltera ist wie ein Werk von Tschechow, in dem Blüten und Ernüchterung sprechen.
“Yo no soy un hombre, ni un poeta, ni una hoja, pero sí un pulso herido que sonda las cosas del otro lado“. “Ich bin kein Mann, kein Poet, nicht eine Seite, aber doch ein verwundeter Puls, der die Dinge von einer anderen Seite fühlt.“
Daher rührt das lorquische Geheimnis.
Von Begonya Pelegrin PHAROS Associació Cultural
Schlagwörter: Literatur