Wir werden nicht alle wie Verner Panton sein
Interview mit Dánae Esparza, Professorin und Studiendirektor-in für den Studiengang Design an der Elisava Barcelona
Ina Laiadhi, März 2022
Ich treffe Dánae Esparza, Professorin und seit 2018 Studiendirektorin des Studiengangs Design an der Elisava-Fakultät für Design und Ingenieurwesen in La Rambla. Am Internationalen Frauentag, der voller Protestaktionen ist, sprechen wir über aktuelles Design und die Rolle der Schulen im kreativen Prozess.
Wie sind Sie zum Design gekommen?
Ich mochte immer schon zeichnen, gestalten, bauen, das Herstellen von Dingen mit meinen Händen. Wegen der Kreativität habe ich angefangen, Design zu studieren. Ich schwankte zwischen Psychologie und Design. Diese Studien ähneln sich, denn auch beim Design ist ein wichtiger Teil die Forschung. Es geht darum, zu wissen, an wen es sich richtet, an den Nutzer des Projekts. Es ist eine Laufbahn, die mir wirklich Spaß gemacht hat, weil ich mit meinen Vorlieben verbunden war. Genau wie bei der Arbeit in einem Team.
Design als Teamarbeit? Oft fällt einem nur der Name eines Designers ein.
Ja, die bekannten Stars, die nicht die Mehrheit repräsentieren, aber in den Medien stark präsent sind. Aber Design ist Kreativität. Wir müssen über Vorschläge und Schwierigkeiten nachdenken, mit einem Briefing. Dafür ist Teamarbeit gut. Der Forschungsanteil ist wichtig. Die Projekte, an denen Designer beteiligt sind, werden immer komplexer. Es geht nicht nur darum, einen Stift zu entwerfen. Man muss den Kontext kennen, in dem er produziert werden soll, und die Nutzer, die ihn verwenden werden. Wir müssen mit verschiedenen Bereichen interagieren, damit das Projekt funktioniert. Bei allen unseren Projekten ist die Kommunikation wichtig: wie man mit dem Kunden, dem Endnutzer, spricht. Manchmal wird gemeinsam mit den beteiligten Akteuren entwickelt. Prototypen oder Modelle werden gemeinsam gebaut.
Design ist ein sehr weites Feld.
Letztlich ist alles designt. Von der Tür, über den Stuhl, die Tische, die Kleidung bis hin zu dem, was wir im Supermarkt sehen. Alles. Manchmal sprechen wir über Design nur in Form von anerkannten Design-Ikonen. Aber es geht nicht nur um „das Design“, sondern um alles, an dessen Form der Mensch gedacht hat.
Wie kann man die Arbeit eines Designers definieren?
Im Allgemeinen haben Designer eine Aufgabe, einen Auftrag von einem Kunden, einer Institution, einen Bedarf. Andere Projekte werden auf kreativere und ausdrucksvollere Weise durchgeführt, wie ein Kunstwerk. Ein Designer beschäftigt sich mit einem Thema, macht sich Gedanken darüber und ist daran interessiert, eine interaktive Installation zu schaffen, um dieses Thema zu vermitteln. Die häufigste Art ist der professionelle Auftrag mit einem Briefing dahinter. Als Studiendirektorin möchte ich, dass die Studierenden beides ausprobieren: entweder an dem Thema zu arbeiten, das sie interessiert und das sie zum Ausdruck bringen wollen, oder einen Auftrag anzunehmen, der begrenzter ist.
Haben Ihre Entwürfe in dieser globalisierten Welt eine kulturelle Identität?
Als Designerin habe ich mich mehr mit Forschung als mit eigenen Entwürfen beschäftigt. Das Design hat aufgrund der Materialien, aus denen die Stücke gefertigt sind, einen kulturellen Aspekt. Alles spricht aus einem kulturellen Kontext.
Was beeinflusst den Designer? Das alltägliche Leben? Ein anderer großer Designer oder etwas anderes?
Ich denke, dass alles einen Einfluss hat. Das alltägliche Leben kann ein inspirierendes Element sein, weil man Dinge sieht, die man verbessern kann. Andere Designer sind sehr gut über die neuesten Designs informiert, sie verfolgen die neuesten Designtrends in Blogs oder sozialen Netzwerken. Es ist eine Mischung, und es hängt stark von der Person oder dem Projekt ab. Es gibt kein einheitliches Muster, das für alle passt. Persönliche Interessen inspirieren den Designer im kreativen Prozess.
In Ihrer Doktorarbeit haben Sie sich mit der Pflasterung von Städten beschäftigt. Erzählen Sie uns davon.
Ich denke, das ist ein wichtiges Merkmal Ihrer Identität. Wenn Sie Ihre Augen schließen und an eine Straße in Barcelona denken, wie würden Sie sie mir beschreiben?
Ich denke an die Fliese mit der stilisierten Blume oder die Gaudí-Fliese.
Ja, wir denken an die Platanen, die Laternen und das Pflaster, den so genannten Panot, die Blume Barcelonas. Die 20 x 20 cm große Fliese, die den größten Teil der Straßen bedeckt. Aber in Paris ist es genauso, wir sehen die Bürgersteige aus schwarzem Asphalt. In Lissabon gibt es das charakteristische schwarz-weiße Pflaster, das das Bild, das wir von der Stadt haben, prägt. Die Bürgersteige sind Teil dieser Landschaft, die wir als Teil der Identität der Stadt erkennen. Es handelt sich jedoch um ein unbedeutendes Thema, das wenig untersucht wurde. Es ist nachgeordnet. Wenn wir von Städten sprechen, sehen wir die Gebäude, die Architekten, die großen Namen einer Stadt, aber dieses Thema des Pflasters, über das wir gehen, ist nebensächlich. Für mich ging es darum, ihm Bedeutung zu verleihen, um zu verstehen, warum es Identität schafft und was seine Geschichte ist. In Barcelona wurde es zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingeführt und wird auch heute noch verwendet. Im Eixample wurde damals schnell gebaut, aber die Urbanisierung der Straßen war sehr langsam, sie waren nicht gepflastert. Wenn es regnete, war alles schlammig. Die Einwohner Barcelonas werden “De Can Fanga” genannt, eine Anspielung auf das katalanische Wort für “Schlamm”. Dieses Viertel, das eigentlich luxuriös sein und viele Touristen für die Weltausstellungen anziehen sollte, war in dieser Hinsicht eine Katastrophe. Die Stadtverwaltung von Barcelona hat zahlreiche Tests mit verschiedenen Materialien wie Holz, Asphalt, Zement und Steinen aus Montjuïc durchgeführt. Jeder Hausbesitzer legte das Material, das ihm gefiel, vor sein Haus. Am Ende entschied man sich für die Form, die Größe und dafür, dass vor den Häusern bis zum Bordstein gepflastert werden sollte. Diese Pflasterung ermöglichte eine schrittweise Urbanisierung. Das sind Fliesen, die man für alles verwenden kann. Sie können leicht wieder entfernt oder mit anderen Abschnitten verbunden werden.
Ist Design für alle da oder ist es ein Phänomen der Eliten? In diesem Raum stehen einige sehr symbolträchtige rote Stühle.
Ja, das sind die Stühle von Verner Panton. Sie würden es einen Design-Stuhl nennen. Es ist eine Design-Ikone. Aber für mich ist dieses Verständnis von “Design” ein Irrglaube. Alles wird entworfen, selbst der Stuhl, den Sie bei Leroy Merlin kaufen oder den Sie von Ihrer Großmutter geerbt haben und der von einem Handwerker hergestellt wurde. Für mich ist alles Design. Selbst Verpackungen, die wir im Supermarkt kaufen, wurden von einem Grafikdesigner entworfen. Design ist demokratisch. Es gibt Produkte, die eine sehr ästhetische Funktion haben, wie dieser Stuhl, und andere, die funktional und wirtschaftlich sein müssen und sich an unseren Lebensstil anpassen. Viele Unternehmen investieren in Design und haben eigene Designer, um die Kosten für Herstellung, Transport und Verpackung zu senken.
Kann Design nachhaltig sein?
Das muss es sein. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir uns Gedanken darüber machen, wie wir die Umweltauswirkungen der von uns entworfenen Stücke verringern können, und dass wir den gesamten Lebenszyklus dieser Teile berücksichtigen. Nicht nur bei der Verwendung, sondern auch bei der Reparatur, der Wiederverwendung, dem Recycling und der Frage, wie sie als Material in den Prozess zurückgeführt werden können. Die ausgebildeten Designer werden einen großen Einfluss darauf haben, den Unternehmen den Wandel zu nachhaltigeren Produkten zu erleichtern.
Die Grenzen zwischen Büros und Wohnungen haben sich im Zuge der Pandemie verwischt. Planen die Architekten, in den Wohnungen der Zukunft auch Büros einzurichten?
Ich glaube schon. Es gibt einen Trend dahin. Wir haben aus der Pandemie gelernt, effizienter zu arbeiten. Zu Hause können wir uns besser konzentrieren, oder wir sparen Zeit für den Transport, viele Sitzungen können telematisch abgewickelt werden. Wir brauchen dafür vorbereitete Häuser, mit Beleuchtung, Möbeln und Platz. Dies wird uns helfen, effizienter und nachhaltiger zu arbeiten.
Sprechen wir über das Patriarchat der Ideen. Finden Frauen ihren Platz im Design? Gibt es feministisches oder weibliches Design?
Designerinnen waren bisher kaum sichtbar. Wir erinnern uns nicht an viele bekannte Frauen. Die Star-Designer, die wir kennen, sind in der Regel Männer. Aber es gab viele Frauen, die an der Seite ihrer Männer eine wichtige Rolle gespielt haben, ohne dass sie die Möglichkeit hatten, ihren Namen zu nennen.
Ja, wie Lilly Reich, neben Mies van der Rohe im Pavillon, die den berühmten Stuhl entworfen und das Textilwerk geschaffen hat.
Wir kämpfen gegen diese fehlende Bekanntheit in vielen Bereichen und auch im Design. Ich weiß, dass Designer für den Endverbraucher entwerfen, egal ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Es gibt immer mehr Produkte, die für Frauen bestimmt sind. Unsere Aufgabe ist es, das Produkt zu verbessern, nicht nur, es besser zu verkaufen.
Barcelona ist die Stadt des Designs. Es gibt viele Designschulen. Kann man dort Kreativität lernen?
Kinder sind kreativ. Wir Erwachsenen haben das vergessen. Man hat uns nicht erlaubt, kreativ zu sein. Sie können lernen, kreativ zu sein. Man kann üben. Es gibt Werkzeuge und Methoden, die es uns ermöglichen, Ideen zu generieren. Dann wird der kreative Prozess vom Designlehrer sehr breit gefächert, vom Briefing über die Vorschläge, die Forschung, die Entwicklungsstudien bis hin zur Herstellung. Von der Konzeption eines Produkts bis zu seiner Herstellung. Es kommt auf den Charakter und die Fähigkeiten der Student*innen an, darauf, wo sie bei der Gestaltung stehen. Wir werden nicht alle wie Verner Panton sein. (Sie lacht.) Jeder ist an dem Punkt im Prozess, an dem er den größten Beitrag leisten kann.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit von Elisava mit anderen europäischen Schulen?
Wir verfügen über ein Netzwerk der Zusammenarbeit mit 80 internationalen Schulen. Dazu gehören auch Erasmus-Vereinbarungen mit Studierenden und Lehrkräften. In diesem ersten Semester haben wir ca. 50 Studenten von anderen Schulen unter den 1000 Studenten in den Studiengängen (Design und Ingenieurwesen) aufgenommen. Dieser Austausch ist sowohl für die Student*innen als auch für die Lehrkräfte eine Bereicherung, da sie andere Arbeits- und Sichtweisen kennen lernen.
Außerdem arbeiten wir in vielen von der EU finanzierten Projekten mit Partneruniversitäten zusammen. Eine Initiative heißt Karussell: Sie schicken eine Gruppe von 10 Studenten an eine Universität und empfangen eine Gruppe von einer anderen Universität für eine Woche. Wir bieten auch gemischte Programme an, die Präsenz- und Online-Lernen kombinieren. Ab dem dritten Jahr arbeiten wir viel mit Unternehmen zusammen: ein echtes Briefing innerhalb eines Unternehmens, das uns einen Vorschlag unterbreitet. Wir arbeiten auch mit der Verwaltung und sozialen Einrichtungen zusammen, zum Beispiel mit Möbelfirmen oder bei Innenräumen für Hochgeschwindigkeitszüge.
Können wir die europäische Idee mit Design verstärken?
Dies ist eine Herausforderung, die Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, angenommen hat. Die Idee, ein neues europäisches Bauhaus zu schaffen. So wie das Bauhaus zu seiner Zeit transformativ war und ausgehend von der Architektur in Zusammenarbeit mit der Industrie die Ästhetik definierte. Derzeit läuft ein sehr breit angelegtes europäisches Programm, das diese Initiativen einbezieht und zeigt, wie Schulen ein Raum sein können, in dem das neue Design definiert wird, das vor allem Nachhaltigkeit und Multidisziplinarität beinhalten muss und verschiedene Teams in den Prozess einbezieht.
Dánae Esparza, vielen Dank für den Gedankenaustausch.
Ina Laiadhi, März 2022
Infos
https://www.elisava.net/es
Schlagwörter: Barcelona, Frauen