Einen Kaffee bitte
Viele von uns verbinden mit dem Genuss von Kaffee eine gewisse Lebensart, das dolce far niente der Italiener, den Wiener Kaffeehausschmäh, das heilige Recht auf Kaffeepausen in Finnland. Hier in Spanien ist es eher das Ausbrennen der Eingeweide, das dich für mehrere Stunden in den Status des Erweckten versetzt.
Warum ist der spanische Kaffee so gänzlich anders als im Rest von Europa?
Das beliebte Heißgetränk aus Afrika eroberte Europa im 17. Jahrhundert. Nach dem Erbfolgekrieg kam es mit den Italienern nach Spanien. 1764 wurde in Madrid das erste Café auf spanischem Boden eröffnet. Ab 1778 wurde Kaffee sogar auf Geheiß Karls III auf spanischem Boden, genauer auf den kanarischen Inseln kultiviert. Im Nordwesten der Insel Gran Canaria hält sich bis heute die einzige europäische Kaffeeplantage.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts trank man hierzulande allerdings lieber heiße Schokolade als Kaffee.
Im 19. Jahrhundert kam der größte Teil des in Spanien konsumierten Kaffees jedoch aus den spanischen Kolonien. Als auch Cuba mit dem Untergang des spanischen Kolonialreiches endgültig verloren war, wurde Kaffee aus allen südamerikanischen Ländern importiert. Soweit wich der Weg des Kaffees nicht sehr von dem im restlichen Europa ab. Der spanische Staat regulierte allerdings den Kaffeepreis per Gesetz, so betrug der Preis pro Tasse vor dem II. Weltkrieg 35 céntimos de peseta, umgerechnet in Euro den Bruchteil eines Cents (475 Tassen pro Cent). Das bewirkte wahrscheinlich die sehr, sehr kleinen Tassen. Auch gab es eine Zeitlang ein staatliches Handelsmonopol. Doch weder Herkunft noch Handelsregularien erklären den besonderen Geschmack des spanischen Kaffees.
Dieser liegt tatsächlich in einer besonderen Röstung begründet, dem torrefacto. Diese Röstart ließ sich der spanische Unternehmer und Erfinder José Gómez Tejedor 1901 patentieren. Er hatte sie auf einer Reise in Mexiko entdeckt. Die Besonderheit besteht darin, dass den Kaffeebohnen beim Rösten Zucker zugesetzt wird. Der Zucker karamellisiert und umschließt die Kaffeebohnen. Dadurch wird die Haltbarkeit um mehrere Monate verlängert. Gleichzeitig werden die Bohnen wesentlich brauner. Der Geschmack wird intensiver und süßlich.
Der Vorteil im täglichen Handel liegt allerdings nicht nur in der längeren Haltbarkeit. Wenn dem Kaffee 20 bis 25% Zucker beigemischt werden, wird das Ergebnis im Kilopreis deutlich billiger. Auch kann aufgrund des intensiven Aromas des verbrannten Zuckers Robusta-Kaffee statt der bekannten Arabica-Bohne verwendet werden. Dieser ist nur halb so teuer, weil er wie der Name schon sagt wesentlich weniger empfindlich ist, hat aber den doppelten Gehalt an Koffein. Zu guter Letzt gibt die Torrefacto-Röstung deutlich mehr Farbe ab, was viele Spanier mit höherer Qualität gleichsetzen, lo que mancha mas contiene mas café oder wenig Farbe gleich dünner Kaffee.
Der Torrefacto-Kaffee ist also von A bis Z eine Mogelpackung, schlechtere Qualität, mit Zucker gestreckt, dadurch für Diabetiker nicht geeignet, ein Prüfstein für den Magen und auch noch im Verdacht, durch das Verbrennen des Zuckers Acrylamid, einen vermutlich krebserregenden Stoff zu enthalten.
Warum also hält sich der Kaffee in dieser Form so hartnäckig in Spanien? Die Antwort ist Gewöhnung. Wenn es nicht schwarz und bitter im Magen brennt, ist es eben kein richtiger Kaffee.
Wer den Kaffee pur, café solo nicht verträgt, bestellt sich eine Mischung. Es gibt unzählige Varianten der Milchbeimengung, so z.B. einen café largo mit einem Zehntel Milch, einen cortado, der halb Milch, halb Kaffee ist, einen café corto de café, der zum Großteil aus Milch besteht. Damit das Genusserlebnis bleibt, wird die Milch aufgeschäumt und erhitzt.
Im Sommer kann man sich den Kaffee mit einem Glas großer kompakter Eiswürfel bestellen. Und am Ende des Abends oder morgens zum Warmwerden als carajillo, Kaffee mit Schuss. Als Schuss ist hierbei jede Form von Alkohol bis hin zum Kräuterschnaps gestattet. Ich kann den carajillo de Baileys sehr empfehlen, wenn Sie nicht mehr fahren müssen.
Wer den traditionellen Kaffee aus dem Rest der Welt möchte, bestellt sich einen café americano, aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie damit ein Fremder bleiben.
Von Kati Niermann, September 2022
Schlagwörter: Katalonien, Kochkunst, Traditionen