Fruiturisme – eine neue touristische Nische?
Das kleine Dorf Aitona, etwa 20 km südwestlich von Lleida gelegen, lockt mit seinen pinkfarbenen Blütenmeeren neuerdings im Frühjahr viele Touristen an. Große Pfirsichplantagen rund um das Dorf ermöglichen dieses wunderschöne Farberlebnis: von blass-rosa bis dunkelviolett finden sich alle erdenklichen Farbvarianten.
Die Blütenwelt lässt sich über gut ausgeschilderte Wanderwege oder mit dem Fahrrad erkunden. Ausgangspunkt ist der Polideportivo von Aitona. Dort gibt es reichlich Parkmöglichkeiten, Fahrräder können ausgeliehen werden und hier starten auch verschiedene geführte Touren. Selbst Flüge mit dem Heißluftballon werden angeboten. In einer Halle ebenda werden verschiedene Waren und Leckereien rund um den Pfirsich zum Kauf angeboten. Eine Bar mit Terrasse lädt zu einer Kaffeepause vor dem Start ins Blütenabenteuer. Recht schnell erreicht man südlich des Dorfes das Flusstal des Segres oder etwas weiter weg den Stausee Utxesa, wo man noch auf eine recht intakte Vogelwelt stoßen kann. Das Wander- und Radwegenetz ist jedenfalls sehr umfangreich und gut gekennzeichnet, sodass man zahlreiche Möglichkeiten hat, einen aktiven Tag zu verbringen. Auch in den Sommer-monaten zur Erntezeit und im Herbst mit der Buntfärbung der Blätter bietet das Dorf weitere touristische Aktivitäten in seinen Obstbaumplantagen an.
Die Kehrseite der Medaille? Rund um Aitona werden auf 8500 ha überwiegend Pfirsiche und Nektarinen angebaut. Dieser monokulturelle Anbau ermöglicht erst die Blütenfülle. Der Pfirsichbaum (Prunus persica) stammt ursprünglich aus China, gelangte über Persien und Griechenland und schließ-lich durch die Römer nach Mittel- und Südeuropa. Das ist nun schon 1000 Jahre her, aber ist der Pfirsich in Spanien deshalb schon als heimisch zu bezeichnen? Mitnichten! Das Mittelmeerklima bietet diesen Pflanzen zwar das benötigte milde sonnige Klima, aber nicht die Niederschlagsmengen, die der Obstbaum braucht.
Ohne Bewässerung geht es also nicht. Wasserknappheit bedroht Spanien und das ist nicht nur durch den Klimawandel bedingt, sondern menschenge-macht durch den hohen Wasserverbrauch von Landwirtschaft und Tourismus.
Das Obstanbaugebiet von Aitona liefert jährlich zirka 150 Millionen kg Früchte, wovon 90% in den Export gehen. Für das gefüllte Obstregal europäischer Supermärkte zahlt Spanien einen hohen ökologischen Preis. Ökonomie contra Ökologie, ein nur schwer zu lösender Nutzungskonflikt.
Fazit: Ganz so rosarot ist die Welt nicht um das Dorf Aitona. Aber wunderbare Fotos und den süßen Duft der Blüten darf man gerne mitnehmen und wünschen, dass dem Dorf mit seinem Obsttourismus ein finanzieller Zugewinn entsteht, den es vielleicht sogar in nachhaltige Projekte reinvestieren kann.
von Uta Illing, März 2023
Schlagwörter: Familie, Umwelt