Die Familie Europa auf dem Prüfstein
Als die neue Ausgabe 151 gerade am Entstehen war, traf plötzlich die Nachricht von der russischen Invasion in die Ukraine ein. Entsetzliche Bilder sehen wir seitdem zu jeder Tages- und Nachtzeit in allen Medien. Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir so etwas nie wieder hier in Europa sehen würden, weil wir uns durch unsere Rechts- und Verfassungsstrukturen gewappnet sahen. Ich überlasse es lieber den Politkern und Politikerinnen, sich mit dieser politischen Situation auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden. Da wir in dieser Ausgabe als Dossier Die Familie haben, schließe ich mich dem Thema mit einem Exkurs zur europäischen Familie an. Was prägt sie? Mich hat dieser spontane Enthusiasmus zu helfen überrascht. Freiwillige stehen stundenlang und tagelang bei eisigen Temperaturen an den Grenzen, um die Ankommenden zu begrüßen. An Bahnhöfen sind Verteilstationen entstanden. Wer weiß, wo er hinwill? Wer braucht Unterstützung? Wir sehen in allen Ländern eine sehr große Solidarität mit den ukrainischen Geflüchteten, Frauen, Kinder, alte Menschen und alle die haben fliehen können. Die Hallen füllen sich so schnell mit Kleidung, Lebensmitteln, Medikamenten und Hygieneartikeln, dass die Organisatoren nach wenigen Tage schon bitten, nichts mehr ohne konkrete Aufforderung anzuliefern. Selbst im Raval in Barcelona, einem eher armen, von Immigranten und Immigrantinnen geprägten Viertel, werden kartonweise Spenden angefahren. 100 Taxifahrern und Taxifahrerinnen holen hunderte ukrainische Geflüchtete aus der Grenzregion persönlich ab und bringen sie auf eigene Kosten nach Madrid. Nachbarschaftsinitiativen checken, wo noch Geflüchtete untergebracht werden können. Da wird einem warm ums Herz. Mir kommt ein Satz von Jean Monet in den Sinn, einem der Gründerväter der Europäischen Gemeinschaft: „Europa wird in Krisen entstehen und es wird die Summe der Lösungen sein, die für diese Krisen gefunden werden”. Diese unerwartete Krise wird sicher die Bindungen zwischen den Europäern und Europäerinnen und ihren Institutionen verstärken. Außerdem wird sie den Extremisten und Extremistinnen, die dachten, Europa sei am Ende, den Weg versperren. Man könnte sagen, dass das Europa der Völker gerade geboren wurde. Die schwierigen Prüfungen, die wir heute durchleben, zeigen, wie stark das Bewusstsein der Völker Europas für die universellen Werte der Demokratie, Freiheit und Menschenrechte ist.
Editorial 151
Von Ina Laiadhi, Chefredakteurin
Titelkomposition 151:
Foto Lukas Hano, Adaptation Heli Martínez
Schlagwörter: Europa