Aceredo: Das versunkene Dorf
Wenn es in Galicien im Nordwesten Spaniens lange sehr trocken ist, dann taucht es auf, das Geisterdorf Aceredo
Im Jahr 1992 wurde in Portugal, knapp vor der Grenze zu Spanien, die Talsperre Alto-Lindoso errichtet. Der Damm staute den Fluss Lima, der die Grenze zu Spanien bildet, zu einem See auf, um Strom zu erzeugen und Felder zu bewässern. So wurden auf spanischer Seite das Dorf Aceredo und vier weitere Ortschaften in der Region Orense geflutet: A Reloeira, Buscalque, O Bao und Lantemil. Sie alle versanken in dem neuen Lindoso-Stausee.
Trotz guter Entschädigung leisteten viele der 160 Einwohner von Aceredo großen Widerstand, mussten aber dann doch den Wassermassen weichen. So verschwand Aceredo mit seinen zirka 70 Häusern, Straßen und Gärten in den Fluten. Es gab nur für ein Gebäude Rettung. Die Kirche wurde Stein für Stein abgetragen und andernorts wieder aufgebaut. Auch die Verstorbenen wurden umgebettet.
Bei niedrigem Wasserstand tauchten im Gegensatz zu den 4 anderen versunkenen Ortschaften die Dächer von Aceredo immer wieder mal aus dem Wasser auf. Doch dieses Jahr mit seiner langanhaltenden Trockenheit führte dazu, dass der Wasserspiegel des Stausees extrem sank und der See nur noch 15 Prozent seiner ehemaligen Kapazität hat.
Und so ging mit dem sinkenden Pegelstand ein erstaunliches Schauspiel einher. Das ganze Dorf ist aufgetaucht und Besucher können durch ein Geisterdorf spazieren gehen. Man kann sogar die Häuser betreten. Vor einem ehemaligen Lebensmittelladen stehen noch Bierkästen, man sieht verrostete Autos und persönliche Gegenstände. Ganz kurios: der alte Trinkwasserbrunnen in der Mitte des Dorfes funktioniert noch. Es kommen auch manchmal Einheimische, die wehmütig auf die Reste ihrer ehemaligen Heimat blicken, die sie damals unfreiwillig verlassen mussten.
Das versunkene Aceredo ist mittlerweile zu einer Touristenattraktion geworden und Besucher kommen von weit her, solange das Dorf nicht wieder in den Fluten verschwindet.
Der preisgekrönte Dokumentarfilm „Os dias afogados“ von César Souto und Luis Avilés (2015) erzählt den Untergang der beiden Ortschaften Aceredo und Buscalque. Ein Werk, das den Bewohnern, die sich lange gegen den Verlust ihrer Dörfer gewehrt hatten, für immer eine Erinnerung sein wird.
Das versunkene Dorf weist auf ein gravierendes Problem in Spanien und der ganzen Welt hin: Die extreme Dürre und Wärme in diesem Winter sind eine Folge des Klimawandels. Bis zu 25 Grad im Winter, wie gerade in Galizien, sind zwar schön für Spanien-Urlauber, aber für die Agrarwirtschaft und Wasserversorgung ein großes Problem.
Von Gaby Götting, März 2022
Schlagwörter: Ausflüge, Umwelt