Kirill Petrenko, Geschichtenerzähler der Töne
Das einzige Orchester der Welt, das seinen Chefdirigenten selbst wählt, entschied sich 2015 für Kirill Petrenko als Nachfolger von Sir Simon Rattle. Für Kirill Petrenko war es eine echte Herausforderung, die Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern im Jahre 2019 anzutreten.
Zum Auftakt dirigierte er Beethovens berühmte Neunte Sinfonie. Er hatte dieses Werk bewusst gewählt, nicht zuletzt, weil es für ihn das Werk ist, was sich als Menschheit auszeichnet. Die Freude, die weltumspannende Brüderlichkeit aller Menschen und das Überwinden von Grenzen und Gegensätzen. Dieses Antrittskonzert mit der Neunten Sinfonie fand weltweite Beachtung. Erst im Großen Saal der Berliner Philharmonie gespielt und dann unter freiem Himmel am Brandenburger Tor mit 35.000 Zuschauern mit live-Übertragung im Fernsehen.
Berlin war jedoch für Kirill Petrenko nicht ganz neu. Er war bereits Generalmusikdirektor der Komischen Oper von 2002 bis 2007. Auch mit den Berliner Philharmonikern hatte er schon früher einige Erfahrungen gesammelt genauso wie mit dem Bayrischen Staatsorchester.
Kirill Petrenko wurde 1972 in der sibirischen Stadt Omsk als Sohn einer Dramaturgin und eines Konzertmeisters geboren. Praktisch wurde ihm seine spätere berufliche Laufbahn schon in die Wiege gelegt. Mit elf Jahren trat er zum ersten Mal als Pianist mit dem Symphonieorchester von Omsk öffentlich auf. 1990 übersiedelte seine Familie nach Österreich, und er studierte dort erst am Konservatorium in Feldkirch und später dann an der Musikuniversität in Wien. Gleich nach dem Studium bekam er seine erste Anstellung als Repetitor und Kapellmeister an der Wiener Volksoper.
In der Zeit von 1999 bis 2002 war Kirill Petrenko Generalmusikdirektor am Meininger Staatstheater in der Residenzstadt Meiningen in Thüringen, wo er u.a. die Opern “La Traviata”, “Rigoletto” und den “Rosenkavalier” dirigierte. Internationales Aufsehen erregte er mit Richard Wagners “Ring der Nibelungen”. Er selbst bezeichnet seine Meininger Zeit als unschätzbare Lehrjahre und die Basis für seine darauffolgende Karriere.
Im Jahr 2002 trat Petrenko sein Amt als Generalmusikdirektor an der Komischen Oper Berlin an, wo er eine Reihe sensationeller Produktionen leitete. Neben seiner Arbeit in Meiningen und Berlin entwickelte sich seine internationale Karriere. Er arbeitete als Gastdirektor an der Wiener Staatsoper, an der Semperoper in Dresden, an der Opéra National de Paris, an der Metropolitan Opera in New York und im Jahre 2003 am Gran Teatre del Liceu in Barcelona, um nur einige anzuführen. Mehrere Male wurde er als “Dirigent des Jahres” gekürt.
Schwerpunkt seiner Arbeit in Berlin waren die Sinfonien Gustav Mahlers oder die Musik des spätromantischen tschechischen Komponisten Josef Suk. Stetes Gastieren mit immer prominenteren Orchestern sorgten dafür, dass er neben dem Opern- auch das Konzertrepertoire beherrscht. Die Erfahrung mit szenischer Musik wurde zu einem wichtigen Bestandteil von Kirill Petrenkos Interpretationen auch von wortlosen Werken und machte ihn zu einem “Geschichtenerzähler mit Tönen”.
Seit seinem Weggang von der Komischen Oper Berlin war Kirill Petrenko als Dirigent freischaffend tätig. In dieser Zeit leitete er unter anderem 2009 an der Bayerischen Staatsoper die Neuproduktion von Janáčeks “Jenůfa”. In Frankfurt interpretierte er Mussorgskys “Chowanschtschina”, Pfitzners “Palestrina” und Puccinis “Tosca”. Im Jahr 2011 folgten dann zwei Neuproduktionen von “Tristan und Isolde” zuerst an der Opéra National de Lyon und dann bei der Ruhrtriennale.
Dirigieren heißt immer auch Zuhören
Mit der Saison 2019/2020 hatte Kirill Petrenko offiziell sein Amt bei den “Berlinern” angetreten
und gleich einige bemerkenswerte symphonische Abende gestaltet, unter anderem das erste gemeinsame Silvesterkonzert. Am 27. August 2021 gab Kirill Petrenko dann auch sein Debüt in der Waldbühne. Auf dem Programm standen unter anderem Schuberts Große C-Dur Sinfonie, das als das bedeutendste Orchesterwerk Schuberts gilt. Trotz des grauen Himmels und des Nieselregens vermochte Petrenko seine Zuhörer bei Carl Maria von Webers “Oberon”-Ouvertüre in eine Sommernachtstraum-Stimmung zu versetzen.
Von Petra Eissenbeiss
TS 148
Schlagwörter: Kultur, Musik