Wir sind ein lernendes System
Interview Lukas Hano, Direktor der FEDA/EDU Barcelona

Lukas Hano, Direktor der FEDA/EDU Business School
Ich treffe Lukas Hano mitten in Barcelona auf der ruhigen Gartenterrasse des Hotel Alma, das nach der Schließung gerade wiedereröffnet hat. Die Anspannung der letzten Monate des Confinamientos sitzt uns noch in den Knochen, aber in diesem Ambiente können wir uns entspannt austauschen.
Die FEDA feiert ihr 40 -jähriges Jubiläum. Letztes Jahr erhielt die Schule das Label „Exzellente Deutsche Auslandsschule“. Erzählen Sie uns von Ihrer Schule.
FEDA ist eine deutsche Auslandsberufsschule, die seit einem Jahr – der TaschenSpiegel hat darüber berichtet – eine exzellente deutsche Auslandsschule ist. Wir erfüllen die von der ZfA in Deutschland vorgegebenen und evaluierten Qualitätsstandards: Unterricht, Zuverlässigkeit, Umgang, Respekt untereinander, Vorbereitung der Schüler auf ein Leben in dieser Gesellschaft.
Wir bilden nach dem dualen System aus, was den Vorteil hat, im engen Kontakt mit den Unternehmen und deren Tutoren zu stehen. Unsere Schüler werden nachher größernteils übernommen. Wir haben einen hohen Praxisanteil. Die Schüler lernen nicht nur Theorie, sondern werden auch in den Unternehmen von ihren Tutoren angeleitet. Wir besuchen die Schüler in ihren Unternehmen und sprechen mit ihren Tutoren, sodass wir gut wissen, was gebraucht wird, wo es hakt, wo wir nachsteuern können. Wir befragen unsere Schüler, wo etwas nicht so gut läuft. Es ist ein System, das weltweit in einigen Ländern seit vielen Jahren betrieben wird. In Spanien gibt es diese Form der dualen Ausbildung seit sieben Jahren. Der hohe Betriebsanteil unterscheidet eine duale Berufsschule von einer normalen Berufsschule.
Wie kam es zur Gründung vor 40 Jahren?
Da muss man in der Geschichte zum Jahr 1980 zurückgehen. Spanien ist bekannt für seine hohe akademische Bildung. Es gab viele deutsche Unternehmen, die in Spanien aktiv waren, aber einen Mittelbau vermissten. Also Schüler mit theoretischer und praktischer Ausbildung. Die Unternehmen haben damals die FEDA gegründet, um diesen Mittelbau mit hoher Qualitätsausbildung zu generieren, die speziell auf die Arbeit in den Unternehmen vorbereitet. Eine wirkliche Berufsausbildung. Das war das Interesse.
Eine Schule für duale Ausbildung nach deutschem Vorbild wie die FEDA gibt es nur in Spanien. Warum? Lässt sich das Modell nicht exportieren?
Es gibt die duale Ausbildung nach deutschem System auch in anderen Ländern, aber die sind als Abteilung an allgemeinbildenden Auslandschulen gegründet worden. In Barcelona und Madrid haben die Unternehmen eine eigene Schule gegründet. Sie wollten selbst mit darüber bestimmen, welche Inhalte oder Ausbildungsgänge vermittelt werden. Wir rekrutieren die Schüler für sie. Das ist nicht besser oder schlechter. Es hat sich hier bewährt in den letzten Jahren, denn die Schule ist dynamisch. Je nach Interesse haben wir die Ausbildungsberufe angepasst.
Lässt sich das Modell nicht exportieren?
Eine spannende Frage. Es gibt super viele Anfragen aus der ganzen Welt nach dem dualen System in Deutschland. Spanien gehört dazu. Viele Experten aus Deutschland beraten bei der Umsetzung. Es gibt aber Gründe, warum das nicht genauso umgesetzt wird. Jedes Land hat eine andere Historie im Bildungswesen, hat eine andere administrative oder Bildungsstruktur. Dass die Systeme so unterschiedlich sind, hat mit Geschichte, mit politischen Interessen oder dem Verständnis von Pädagogik zu tun. Man kann nicht sagen, dass das deutsche Modell besser ist. Es ist ein Modell, das super funktioniert, auch in Schweden, der Schweiz oder Österreich. In anderen Ländern wurde es eingeführt, war aber nicht erfolgreich und man ist andere Wege gegangen.
Sie haben Ihre Schule sehr positiv dargestellt. Was vermissen Sie?
Ich vermisse auf jeden Fall noch mehr Unternehmen, die dieses System mittragen, indem sie Ausbildungsplätze anbieten. In Unternehmen, die das nicht kennen, ist es unser größtes Problem, darzustellen, was Ausbildung im Betrieb bedeutet, welche Aufgaben hat das Unternehmen, welche Vorteile hat das Unternehmen – nämlich auf das Unternehmen zugeschnittene Mitarbeiter. Da würden wir uns über mehr Unterstützung freuen. Ein Problem ist die Sprache. Wir bilden auf Deutsch aus. Deutsch ist zweite Fremdsprache und wird häufig im Abitur nicht gewertet, d.h. in der weiterführenden Ausbildung wird Deutsch häufig abgewählt. Die Anzahl der Kandidaten, die das Niveau haben, das für die Berufsausbildung wichtig ist, ist nicht so groß. Zudem wollen nicht alle das Fach Wirtschaft machen, wir sind aber eine reine Wirtschaftsschule. Deshalb verstärken wir jetzt selbst die Deutschbildung. Ab Sommer 2020 können Jugendliche auch ohne Vorkenntnisse bei uns starten.
Wie bringen sich deutsche Unternehmen in der Schule ein?
FEDA/EDU ist eine private Schule, die vom Schulverein getragen wird. Die Unternehmen sind Mitglieder des Vereins, stellen den Vorstand, vergeben die Ausbildungsplätze, beraten uns in vielen Bereichen, finanzieren die Ausbildung.
Welche Unternehmen sind besonders kooperativ?
Es gibt Unternehmen die relativ viele Auszubildende haben. Andere sind schon sehr lange dabei und wieder andere schaffen es, immer wieder auch weniger leistungsstarke Auszubildende bei sich zu integrieren. Wir haben ein besonderes Projekt mit dem Unternehmen Brose, das seit vielen Jahren jeweils einen Auszubildenden im zweiten Lehrjahr für ein Jahr zur Ausbildung nach Spanien schickt. Wir erhalten sehr positive Rückmeldungen. Wir haben andere Schulpartnerschaften in Deutschland, die uns auch Schüler schicken, die wirklich etwas mitnehmen von diesem kulturellen Austausch.
Was kostet die Ausbildung die Schüler?
Für die Schüler ist der Kostenanteil gering, einen Großteil zahlen die Unternehmen. Aktuell ist der Betrag 2400€ jährlich. Für eine Privatschule liegt das im unteren Bereich. Die Schüler bekommen als Ausbildungsvergütung mindestens 300€ von ihrem Unternehmen. Unsere Ausbildungszeit ist auf 24 Monate verkürzt. Einige Unternehmen zahlen noch Extras wie Fahrtkosten, Wohnzuschuss. Das ist natürlich nicht mit der Ausbildungsvergütung in Deutschland zu vergleichen. Die Mitglieds-unternehmen tragen den überwiegenden Teil der Kosten der Ausbildung an der Schule. Das ist das sogenannte „Lehrgeld“, das gezahlt werden muss. Im Mittelalter zahlten es die Eltern.
Es gibt in Barcelona viele deutschsprachige Schulen wie die DSB, die Schweizer Schule oder die Zürich Schule. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Wir treffen uns regelmäßig mit diesen und lokalen Schulen, die Deutsch als Schwerpunkt haben. Wir stellen unsere Schule vor. Am Tag der offenen Tür können sich Schüler vor Ort bei uns informieren. Wir haben 2019 zwei Fortbildungen gemeinsam mit der DSB gemacht. Besonders beim Thema Digitalisierung tauschen wir uns aus.
Wie gehen Sie auf lokale Schulen zu?
Wir sind in einem Netzwerk an Schulen aktiv. Wir erklären immer wieder die duale Ausbildung, auch den Eltern. Besonders wie hochwertig die Ausbildung ist. Nicht jeder ist ein Akademiker. Es gibt deutsche Bundeskanzler, die ohne akademische Ausbildung ganz nach oben gekommen sind. Und auch in vielen Unternehmen gibt es sie. Es hängt sehr vom Unternehmen ab, ob interne Weiterbildung möglich ist. Wir haben den Kontakt zu vielen Schuldirektoren und Deutschlehrern aufgebaut, die ihren Schüler*innen etwas anbieten wollen, das mit Deutsch nach der Schule möglich ist.
Es vermindert sehr viele Reibungen, wenn man in der Wirtschaft auch in der Muttersprache des Ansprechpartners sprechen kann. Jede Sprache macht das Leben so viel reicher. Es öffnet einem viele Türen, weil man mehr Nuancen in Beruf, Wissenschaft, Kultur versteht. Glücklicherweise sind heute viele Jugendliche bereit, fremde Sprachen zu erlernen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Generalitat de Catalunya?
Wir sind als ausländische Berufsschule in Katalonien anerkannt. Wir dürfen formal diese Ausbildung erteilen, die eine spanischsprachige Ausbildung zum Verkäufer einschließt, welche nach dem spanischen und dem deutschen System läuft, mit doppelter Anerkennung. Wir melden unsere Daten und Statistiken. In der Corona-Krise war es wichtig, die Genehmigung für die Prüfungen zu bekommen. Regelmäßig tauschen wir uns auch zur dualen Ausbildung aus.
Sie leiten die Schule seit drei Jahren. Was sind Ihre Prioritäten als Pädagoge?
Eine schwierige Frage. Meine persönlich größte Herausforderung an der Schule ist immer, neben dem vorgegebenen Inhalt dazu beizutragen, dass die Schülerinnen und Schüler in unserer Gesellschaft, im Beruf gut zurechtkommen. Dazu gehören Kompetenzen im Umgang miteinander, mit Lehrern, mit Schülern, aber auch wie wir inhaltlich an Aufgaben herangehen. Wie kann ich neben dem Auswendiglernen Arbeiten gut erledigen? Wie bewege ich mich im Umfeld von Unternehmen? Wie gebe ich Rückmeldung an Vorgesetzte, also an Lehrer, aber auch im Unternehmen? Trau ich mich das? Diese Kultur haben wir bei uns stark gefördert, indem wir regelmäßig Feedback einholen. Selbst daraus zu lernen, aber auch die Schüler zu ermächtigen, qualifiziertes Feedback zu geben. Das muss geübt werden. Auch Lehrer holen sich Feedback ein. Das war vorher so nicht der Fall. Nicht immer hat der Lehrer recht, denn unsere Schüler*innen wissen selbst sehr viel. Es funktioniert wie ein lernendes System. So können wir jedes Jahr ein Stückchen besser werden. Wir setzen auf das Schwarmwissen: Viele wissen ganz viel und wir müssen dieses Wissen bündeln. Ein Schulleiter muss sich mit vielen Ideen, die im Umlauf sind, auseinandersetzen, weil natür-lich auch nicht alles richtig ist. Wir leben dieses Leitbild und bekommen darauf positive Rückmeldung. Man fühlt sich bei uns wohl und die Schüler werden respektiert.
Ihre Highlights aus drei Jahren Schulleitung?
Es gibt immer wieder Herausforderungen im Auslandsschuldienst. Ich hatte drei Highlights, die mich sehr gefordert haben. Das erste Jahr war geprägt von dem Attentat in Barcelona, dem Referendum und den Generalstreiks mit Schulschließungen. Das zweite Jahr stand im Zeichen der Vorbereitung auf die Bund-Länder-Inspektion, um die Schule und das ganze Team nochmals einen großen Schritt nach vorn zu bringen. Das neue Label „Exzellente Deutsche Auslandsschule“ hat unsere Anstrengungen dann belohnt. Das dritte Jahr war bedingt durch die Corona-Pandemie, online-Schule von heute auf morgen, ohne jemanden zu verlieren, weder Schüler noch Personal, aus Krankheitsgründen oder weil sie mit der neuen Situation nicht klarkommen. Das waren Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. In unserer Schule hat das Personal sehr gut mitgezogen! Auch der Vorstand hat in stundenlangen Krisensitzungen bei der Lösung der Probleme mitgewirkt.
Wie gut ist die Schule auf eine zweite Covid19-Welle vorbereitet?
Gehen wir mal in den März zurück. Am 12. März wurde uns mitgeteilt, dass die Schule geschlossen wird. Ab dem 13. März haben wir den kompletten Stundenplan im online-Unterricht geleistet. Die Prüfungen fanden dann wieder vor Ort statt. In den Ferien haben wir weitere Materialien vorbereitet und technisches Know-how erweitert. Es ist keine ideale Unterrichtsform, denn es ersetzt in keiner Weise das, was im Präsenzunterricht passiert. Darum arbeiten wir an diversen Möglichkeiten, den Unterricht zu gestalten. Alles, was in Gruppen passiert, kann online nicht abgebildet werden. Schule ist ein soziales Gefüge, wo Menschen aufeinander-treffen. Das kann nicht alles über Video-konferenzen umgesetzt werden.
Wir haben den Umgang mit Lernplattformen gelernt. Aber wir haben auch festgestellt, dass einige Schüler sich unglaublich schwer damit tun, sich im online-Unterricht sich zu konzentrieren, sich Hilfen zu holen. Man verliert sehr viel, wenn es über das online-Medium geht. Technisch waren wir gut vorbereitet, weil wir letztes Jahr unsere Technik schon sehr modernisiert und uns auch geschult hatten. Unsere Schülerschaft hat auch die technische Ausstattung, jeder hat seinen eigenen Rechner, sie haben das Know-how. Wir sind also in einer privilegierten Lage.
Wie sieht es mit der Zukunft der Schule aus?
Die FEDA hat sich seit Jahren gut vorbereitet und auf Veränderungen eingestellt. Die letzte große Veränderung war, dass an der FEDA ein Fachhochschulprogramm – die EDU – eröffnet worden ist. Darin ist die duale Ausbildung eingegliedert. Wir bieten die Ausbildung mit einem dualen Studium an. Das ist komplett integriert, sodass man auch ein dreisprachiges Bachelor-Studium machen kann. Die Corona-Krise hat uns gezeigt, dass Technik ein sehr wichtiger Faktor ist, in der Arbeitswelt und auch in der privaten Kommunikation. Seit einem Jahr planen wir eine neue Ausbildung im IT-Bereich, Fachinformatiker mit Wirt-schaftsinformatik: Berufsausbildung und duales Studium. Wir wollen unser Portfolio in der FEDA anhand der Bedürfnisse der Unternehmen und der Interessen der Schüler erweitern und in technische Bereiche vordringen, wo wir in 40 Jahren noch nicht Fuß fassen konnten. Es ist der richtige Schritt, die Ausbildung von der rein wirtschaftlichen Ausrichtung auf diesen Bereich zu erweitern.
Herr Hano, ich danke für das interessante Gespräch.
Von Ina Laiadhi, Juli 2020
Infos
FEDA/EDU -German Business School, Barcelona
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