100 Jahre ALIBRI

Die Leiterin der deutschen Sprachabteilung Ann-Cathrin Messmer Foto: Evelyn Patz Sievers
Von Oktober bis Ende November 2022 befindet sich die 1925 gegründete, stadtbekannte Buchhandlung ALIBRI in Barcelona in hellem Aufruhr, denn kurz vor ihrem 100-jährigen Bestehen sollen ihre Türen für immer schließen.
Doch ein glücklicher Zufall bestimmt es anders: Am 10. De-zember 2022 meldet die Zeitung El Periódico, dass die Gesell-schaft für Literaturabonnements Bookish die Buchhandlung ALIBRI gekauft und vor der drohenden Schließung gerettet hat. Die gesamte Belegschaft wird zu den gleichen Arbeits-bedingungen übernommen. Der neue Firmenchef Tomás Casals hat einschneidende Modernisierungspläne für die hundertjährige Buchhandlung geplant. Diese soll in ein ge-räumiges Kulturzentrum umgewandelt, in ein nachhaltiges Ökosystem integriert und somit ein attraktiver Standort für kulturelle Veranstaltungen und Lesungen werden.
Der Ursprung dieser emblematischen Buchhandlung liegt im 1801 gegründeten HERDER-Verlag aus Freiburg im Breisgau, der ab 1887 auch spanische Bücher herausgibt. Deren gute Abnahme lässt die Idee reifen, einen Platz für eine Zweigniederlassung in Spanien zu suchen. Die Wahl fällt auf Barcelona, damals Zentrum des spanischen Verlagswesens. In Reichweite der Universität Barcelona (UB) an der Gran Vía eröffnet Antonio Valtl in der Calle Balmes, 22 im November 1925 die Librería Herder. In den 1920er und 1930er Jahren werden hier u.a. Eintrittskarten für die Theaterveranstaltungen der Asociación Cultural Alemana verkauft. Außerdem macht sich die Verlagsbuchhandlung mit ihrer 1930 eingerichteten Sprachenabteilung einen Namen. Während des Spanischen Bürgerkriegs wird die Buchhandlung von anarchistischen Gewerkschaften beschlagnahmt. 1939 kauft An-tonio Valtl die Buchhandlung aus einer öffentlichen Versteigerung zurück und verlegt sie ein paar Häuser weiter, Calle Balmes, 26. Aufgrund ihrer breitgefächerten Auswahl an englischen, deutschen, französischen, italienischen und sons-tigen Lehrwerken gilt die Herder-Verlagsbuchhandlung ab 1941 als Librería Universitaria.
Mit der Gründung des neuen HERDER-Verlagshauses in Calle Provença überlässt Antonio Valtl die Buchhandlung dem Geschäftsführer Leo Fletscher, der diesen Posten 1971 an Hermann Nahm aus Buenos Aires abgibt. In den 1970er Jah-ren bis 1987 werden die Räumlichkeiten durch den Erwerb eines Stockwerks über und eines Lokals links neben der Buchhandlung beträchtlich vergrößert. Die Buchhandlung erstreckt sich nunmehr auf eine Ladenfläche von ca. 1.400-1.500 m². Seit 1. März 1999 führt die Librería Herder den Namen ALIBRI.
Obwohl ich die Buchhandlung noch als „Herder“ kenne und in Studienzeiten oft besucht habe, möchte ich Aktuelles von der Leiterin der deutschen Sprachabteilung Ann-Cathrin Messmer erfahren, die mich am 14.3.2025 zum Gespräch einlädt. Bereits von 2006-2010 war die bei Herder in Deutschland (heute Thalia) ausgebildete Buchhändlerin bei ALIBRI und kehrte 2019 als Eventmanagerin zurück. Kürzlich organisierte Frau Messmer die vielbesuchte Lesung des dreisprachigen Bildbandes LAMEBA-Mein-mi-meva Barcelona, in dem über 70 Autoren ihre Eindrücke über die katalanische Metropole Barcelona geschildert haben.
Die Suskriptionsgesellschaft Bookish, die ALIBRI im November 2022 erwarb, ist neben Barcelona noch in Lleida und Madrid vertreten. Die hiesige Belegschaft zählt 27 Personen. In der Sprachabteilung sind insgesamt 12 Kollegen tätig. Eine kürzli-che Inventur der durch Treppe und Fahrstuhl auf 2 Ebenen verbundenen Buchhandlung ergab einen Bestand von ca. 94.000 Büchern. 1.000 Bücher sind deutsche Literatur.
Schwerpunkt der Buchhandlung bilden die Abteilungen Psychologie, Sprachen, Literatur, Geisteswissenschaften, Kinder- und Jugendbücher und Lebenshilfe. Die deutsch-englische Sprachabteilung ist die größte, in der Lehrbücher aller Sprachniveaus (A1/2, B1/2, C1/2), wie z.B. „Netzwerk-neu“, „Schritte“, „Begegnungen“, „Aspekte“, etc. zu finden sind. Die Zusammenarbeit mit Sprachakademien und Schulen ist zwar eng, aber oftmals arbeiten diese direkt mit den Verlagsgroßhändlern zusammen. Zweisprachige Literatur wird bei ALIBRI großgeschrieben, hauptsächlich vom dtv-Verlag. Die aufgedruckten Sternchen geben den Schwierigkeitsgrad an. Die Kundschaft besteht prinzipiell aus Studierenden, sowie Eltern und Großeltern, die Lehrbücher oder Kinder- und Jugendliteratur für ihre Kinder und Enkel kaufen.
Wichtig zu erwähnen, dass ALIBRI 1999 eine neue Katalogisierungsabteilung für Bibliotheken und die Universität Barcelona gründete. Zudem betreut ALIBRI 7 EOIs (Escuela Oficial de Idiomas) von Barcelona bis Garraf. In Drassanes betreibt die Buchhandlung einen festen ALIBRI-Laden. Im Goethe-Institut Barcelona werden ebenfalls Lehrwerke von ALIBRI verkauft. Ein Café, das zum Lesen, Plaudern und Ver-weilen einlädt, ist in Planung. Aber Balmes ist keine Flaniermeile, wie Frau Messmer treffend meint. Es sei deshalb eine schwierige Aufgabe, Platz dafür zu schaffen, zumal der Raum zur Fensterfront für Lesungen und Events reserviert ist.
Für das aufschlussreiche Gespräch bedanke ich mich und mache meinen gewohnten Rundgang durch die hellerleuch-teten Bücherhallen. Für meine Familie kaufe ich das zweisprachige dtv-Büchlein „Vamos a leer – Spanisch für Einsteiger“ und freue mich beim Hinausgehen, die modernisierte 100-jährige Bücherwelt bei ALIBRI wieder einmal erlebt zu haben!
Von Dr. phil. Evelyn Patz Sievers, März 2025
Infos
https://www.bookish.org/libreria/alibri/
Schlagwörter: Barcelona, Kultur, Literatur, Magazin, Moderne Welt, Traditionen