Editorial 155: Museen ohne Mauern
Als ich mir Gedanken zum Editorial dieser Ausgabe machte, kam mir ein Gedanke eines Philosophen in den Sinn: „Die Erde ist das schönste, und größte lebende Museum, aber es fehlt ihr ein guter Kurator“. Ende November hatte Ronald Grätz, der Leiter des Goethe Instituts Barcelona, zum Auftakttreffen einer Reihe zu Museen in der heutigen Zeit geladen. Im Museumsnetzwerk Barcelona wird seit langem kritisch und heftig diskutiert. In seinen Einleitungsworten bezeichnete er Museen als vorpolitische Räume des freien Meinungsaustausches, die dazu dienen, die Demokratie zu stärken. In Museen kann man Erfahrungen machen, auch unterhaltsame. Wie können die Museen der Zukunft aussehen? Grätz stellte die Leiterinnen dreier internationaler Museen vor, die bereits aktiv in den Dialog zur zukünftigen Rolle ihrer Museen eingetreten sind und Projekte angestoßen haben, um sie zu erneuern:
- Elvira Dyangani Ose, Direktorin des MACBA (Barcelona)
- Mabel Tapia, stellvertretende künstlerische Leiterin des Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía (Madrid), und
- Inés de Castro, Direktorin des Linden-Museums (Stuttgart).
Auf der Bühne erläuterte jede zunächst die eigenen, teils radikalen Ansätze ihrer Museumsarbeit. Denn sie wollen ihre Museen öffnen und neuem Publikum zugänglich machen. Die Rolle von Museen wird hinterfragt. Sie gehen sogar so weit, dass sie die Anwohner*innen der Viertel wie das Raval in Barcelona oder Lavapies in Madrid aktiv in die Ausrichtung von Außen- und Innenräumen einbeziehen. Was erwarten diese von den Kunsträumen in ihren Vierteln? Kann es einen Austausch geben? Wie kann der aussehen? Im Linden-Museum in Stuttgart mit seiner umfangreichen ethnografischen Sammlung geht es darum, Stuttgarter*innen, die aus Ländern der Exponate stammen, in die Präsentation von Objekten einzubeziehen. Auch wenn die drei Leiterinnen den Institutionen und der Verwaltung ihren Tribut zollen, die die Museen ins Leben gerufen haben und finanziell absichern, fordern sie, dass sie schweigen lernen, um anderen zu zuhören. Es muss doch noch mehr als das Klassische möglich sein: „el museo posible“- wozu ist ein Museum fähig, welchen Auftrag in der Gesellschaft kann es leisten? El museo situado – wie können mehr Menschen vor Ort aktiv einbezogen werden? Diese Debatte um Möglichkeiten und Herausforderungen bringt mich zurück zu den Gedanken von Petra Eissenbeiss zur COP27, wo trotz großer Anstrengungen weiter ein passender Kurator oder Kuratorin nicht gefunden werden konnte. Drücken wir den Museumswächter*innen die Daumen, dass sie mehr Glück bei ihren Projekten haben und Mauern einreißen werden.
Wir wünschen Frohe Weihnachten, Gutes Neues Jahr! und Gute Erde!
Schlagwörter: Kultur