Interview der Redaktion Birgit Carls-Eisenberg
Dieses Mal wollte ich keiner Einzelpersönlichkeit das Wort geben, sondern der ganzen Redaktion, um die aktuelle Situation anhand einer Anekdote und ein paar Fragen zu philosophieren… Idee von Ina Laiadhi
• Viele Leute sprechen vom Vor- Corona und dem Nach-Corona. Glaubst Du an ein Nach-Corona? Warum?
• Was hat Dir am meisten gefehlt/ fehlt Dir am meisten?
• Was hat Dich am Ehesten gerettet? Kinder, Lesen, telefonieren, Poesie, kochen?
• Es erheben sich jetzt Stimmen, die sagen, dass das Coronavirus die Frauen wieder mehr ins Haus bringt und das sei gut so. In wirtschaftlicher, erziehungsmäßiger, kulinarischer Hinsicht. Teilst Du diese Idee?
• Die Krise in einem Wort.
Anekdote: Ich wohne im Stadtgebiet von Braunschweig, nebenan ist ein Feld und circa 300m entfernt einen kleinen Wald. Dank dem Coronavirus gibt es kaum noch Autoverkehr und auch die Spaziergänger sind weniger geworden. Daher haben wir in den letzten Wochen oft ungewöhnliche Besucher. Plötzlich stand ein wunderschöner Fasan bei uns im Garten und gestern konnte ich zwei Rehe beobachten, die in der Abenddämmerung genussvoll unsere Rosenknospen verspeisten. Auch ein Storchenpaar hat in der Nähe ein Nest gebaut und fliegt jetzt häufig über unseren Garten. Wir wohnen jetzt 24 Jahre hier und haben diese Besucher vorher nicht gehabt und so hat das Virus uns auch etwas Schönes gebracht.
Der direkte Kontakt mit meinen Freunden fehlt mir sehr. Ich bin in mehreren Gruppen aktiv und wir können uns jetzt nicht mehr treffen, gemeinsam kochen, reden und malen. Mich gemeinsam mit anderen über etwas zu freuen, gemeinsam zu lachen, aber auch mal jemanden tröstend in den Arm zu nehmen oder selbst in den Arm genommen zu werden, das alles geht nicht digital. Ich musste operiert werden und ins Krankenhaus und niemand konnte mich begleiten oder besuchen, das war hart.
Eigentlich müsste man ja annehmen, dass Frauen jetzt mehr anerkannt werden, denn in den sogenannten systemrelevanten Berufen – Krankenschwestern, Ärzte, Pflegeberufe, Verkäufer… – arbeiten ja vorwiegend Frauen. Allerdings mache ich gerade eher die Beobachtung, dass die Frauen auch wieder verstärkt in die Aufgabe der Kinderbetreuerin, Lehrerin und Hausfrau geschoben werden und zusätzlich auch noch als Blitzableiter für ihre Männer und Söhne herhalten müssen. Die Töchter sind eher bereit mitzuarbeiten. Mehrere in diesen Berufen tätige Frauen, haben mir erzählt, dass ihre in Homework arbeitenden Männer auch noch umsorgt werden wollen und wegen ihrer vielen Meetings via Zoom und co, keine Zeit für die Hausaufgabenbetreuung ihrer Kinder haben. Wir sollten uns das nicht gefallen lassen und darauf achten, dass die zusätzlichen Aufgaben gerecht verteilt werden!
Das Coronavirus zeigt die Schwachstellen in unserer Gesellschaft, aber auch die Kraft, die wir haben, wenn wir zusammenhalten. Ich hoffe, dass diese Kraft erhalten bleibt und auch für andere wichtige Bereiche, z.B. Klimaschutz, Stärkung der Rechte von Schwächeren und anderes genutzt werden kann und dass nicht statt dessen reaktive Kräfte und Verschwörungstheoretiker die Oberhand gewinnen und zu einem weiteren Rechtsruck in unserer Gesellschaft führen.
Von Birgit Carls-Eisenberg
Schlagwörter: Frauen, Gesundheit