Leidenschaftliche Ärztin und Schriftstellerin
Im Januar 2019 erzählte uns die aus Barcelona stammende Ärztin und Schriftstellerin Alicia Rodríguez-Martos von ihren Erfahrungen im Beruf und wie sie dazu kam, sich als Pensionärin dem Romanschreiben zu widmen. Sie engagiert sich besonders gegen Alkoholismus und Drogenabhängigkeit. Sie hat Fachbücher geschrieben und zwei Romane veröffentlicht.
Alicia Rodríguez-Martos hat zwar Medizin studiert, hatte aber immer auch eine literarische Ader. Da sie Märchen liebt, erzählt sie mit vier Jahren ihrer Mutter stolz ihr erstes eigenes Märchen. Mit neun Jahren nutzt sie eine Schulkladde, um weitere Märchen während der Zeit zu schreiben, als sie an Masern erkrankt war. Weitsichtig fügt sie auf der letzten Seite ein: Die zweite Serie folgt sobald. Es sollen aber noch einige Jahrzehnte vergehen, ehe sie sich wieder ganz dem Schreiben widmen kann.
Nach dem Abitur an der Deutschen Schule überlegt sie, ob sie Philosophie oder Medizin studieren soll, aber sie entscheidet sich für die Medizin, weil sie einen humanistischen Beruf bevorzugte. Das Studium schließt sie 1969 ab. Als sie ihre Karriere begann, waren nur 10 Prozent Frauen im Jahrgang. Heutzutage sind 70% eines Studienjahrgangs Medizin Frauen. Studenten und Patienten waren es Anfang der 70er nicht gewohnt eine Ärztin zu sehen und fragten sie häufig: „Wann kommt denn der Herr Doktor?“ Alicia interessierte sich für den Mensch als Wesen und nicht nur für die Medizin. Im psychiatrischen Krankenhaus, wo sie zunächst die einzige Ärztin war, kam sie in Kontakt mit Alkoholabhängigen. Sie interessierte sich für deren Schicksal und die Gründe des Krankheitsbilds und trat vehement gegen die gängigen, groben Praktiken ein, mit denen man versuchte, die Kranken von ihrer Sucht zu heilen. Sie bot stattdessen Gruppentherapien für Alkoholiker an und veröffentlichte auf Grund ihrer Erfahrungen ein Fachartikel und ein Fachbuch, um schon den Hausärzten und -ärztinnen einen Leitfaden an die Hand zu geben. Der hoch technologisierten Medizin von heute steht Alicia kritisch gegenüber, weil der Mensch scheinbar angesichts der Maschinen in den Hintergrund tritt.
Die Erfahrungen als Ärztin bereichern sie als Mensch. Sie lernt viel von ihren Patienten. Als Frau muss sie sich natürlich auch neugierigen Fragen der Patienten stellen: „Sagen Sie, waschen Sie auch ab?“.
Schreiben ist für Alicia mehr als ein Bedürfnis, es ist eine Kommunikationsform. Ihr Leben lang schreibt sie zu allen Zeiten, immer, verfasst Texte, wenn es ihr besonders gut oder weniger gut geht. Als sie als Pensionärin endlich mehr Zeit hat, will sie es noch einmal wissen. Sie meldet sich 2009 in der Escola d´Escriptura de l´Ateneu Barcelonès an, um das Schreiben von der Pike auf zu lernen. Ein neues Terrain, aber sie bleibt hartnäckig. 2015 veröffentlicht sie ihren ersten Roman mit dem Titel Si te llaman Mercedes. Es geht um Mercedes, eine Prostituierte, Alkoholikerin und alleinstehende Mutter, die ihre Tochter abgibt, um sie fern von ihrem schlechten Leben zu halten. Alicias Ziel ist es, den Roman als Plattform zu nutzen, um die Leser und Leserinnen dafür zu sensibilisieren, dass Alkoholiker sich rehabilitieren können und es viele mit Unterstützung schaffen. Es bleibt aber ein stetiger Kampf, der großen Respekt verdient.
Ihr zweiter Roman, Matrioskas, handelt von einer verbotenen Liebe, wo ein Mann sich in seine Nichte verliebt. Das Drama eines Menschen, der aber in der Lage ist, seine Leidenschaft zu sublimieren und unter Kontrolle zu halten. Mit dem Roman wirft Alicia die Frage auf, ob jede Liebe richtig ist und ob die Liebe auch Folgen für Dritte haben kann.
Alicia hat noch 1 oder 2 Romane in ihrer Schublade, mit denen sie uns eines Tages überraschen wird. Sie verabschiedete sich von uns mit einem schönen Gedanken: „Jedes Buch wird vom Leser beendet“.
Von Cristina Cano
Schlagwörter: Barcelona, Biografisches, Frauen, Klub Hannah in Barcelona