Victoria Woodhull
Die erste Frau, die US-Präsidentin werden wollte
Hillary Clinton hat gute Chancen, die erste US-Präsidentin zu werden. Aber sie ist längst nicht die erste Präsidentschaftskandidatin. Vor ihr gab es Charlene Mitchell, eine Afroamerikanerin, die 1968 für die kommunistische Partei antrat.
Die allererste Bewerberin in der Geschichte der USA jedoch war Victoria Woodhull. Sie trat ihre Kandidatur 1872 an, zu einer Zeit als Frauen nicht mal das Wahlrecht hatten. Sie war weitaus feministischer als Hilary Clinton. Ihre Ansichten waren damals wie noch heute tollkühn. Sie forderte nicht nur die Gleichberechtigung, sie propagierte auch die freie Liebe, Geburtenkontrolle und verlangte sexuelle Aufklärung an den Schulen. Sie stand auch für vegetarische Ernährung, was zur damaligen Zeit bei vielen auf Unverständnis stieß.
Victoria Claflin Woodhull wurde 1838 in Ohio als siebtes von zehn Geschwistern in einfachsten Verhältnissen geboren. Die Eltern waren im weitesten Sinne fahrendes Volk. Der Vater drehte ahnungslosen Kunden selbstgebraute Medizin an, und man hielt spiritistische Sitzungen ab. Victoria arbeitete mit Sicherheit als Schauspielerin, Gerüchte besagen auch als Prostituierte – auf jeden Fall heiratete sie mehrfach. Dies war alles höchst anrüchig.
So war es in New York ein großer Skandal, als die dortige Frauenbewegung sich um 1870 mit Victoria Woodhull zusammentat, denn die Damen der Frauenbewegung waren ein eher elitärer Zirkel von Feministinnen, die überwiegend aus der Oberschicht kamen.
Zu dieser Zeit betrieb sie mit Unterstützung ihres Förderers Cornelius Vanderbilt gemeinsam mit ihrer Schwester Tennie Claflin ein erfolgreiches Investment-Büro in der Wall Street. Die Schwestern ließen sich die Haare kurz schneiden und kleideten sich demonstrativ in Jacketts und Hosen.
Der Job im Investment-Büro reichte Victoria Woodhull jedoch nicht. So gab sie in dieser Zeit mit ihrer Schwester auch eine Zeitschrift heraus, die sich für das Frauenwahlrecht und Selbstbestimmung einsetzte. Viele heikle Themen wie Empfängnisverhütung, freie Liebe, Abtreibung oder Prostitution wurden angesprochen. In ihrer Zeitung wurde auch zum ersten Mal das Kommunistische Manifest auf Englisch veröffentlicht.
Victoria Woodhull entwickelte auch zunehmend politischen Ehrgeiz und ließ sich 1872 von der neugegründeten Egual Rights Party als Präsidentschaftskandidatin aufstellen, obwohl zur damaligen Zeit Frauen nicht kandidieren durften. Sie setze sich über das Verbot hinweg, zudem bestätigten ihr findige Anwälte, dass das Wahlrecht eigentlich allen „geborenen“ Amerikanern zustünde.
Vizepräsident sollte der schwarze Politiker Frederick Douglass werden. Damit setzte sie zugleich ein Zeichen für die Gleichberechtigung der Afroamerikaner. Ihrer Tochter, die ihr zeitlebens zur Seite stand, gab sie sogar den afrikanischen Namen Zulu.
Während des Wahlkampfes wurden mehrere Klagen gegen Victoria Woodhull eingereicht, am Wahltag selbst wurde sie inhaftiert, da der New Yorker Sittenwächter Anthony Comstock ihre feministischen Artikel als Pornographie verurteilte. So standen am Wahltag letztendlich weder der Name von Victoria Woodhull noch der von Frederick Douglass auf den Wahlzetteln. Damit endete die Kandidatur der ersten Präsidentschaftskandidatin der Vereinigten Staaten.
1876 starb ihr zweiter Mann James H. Blood. Ein Jahr später siedelte sie nach England über. Von 1892 an gab sie dort gemeinsam mit ihrer Tochter Zulu Maud Woodhull die Zeitschrift Humanitarian heraus. 1883 heiratete sie in dritter Ehe den Banker John Martin, dessen großes Vermögen sie nach seinem Tod erbte. Sie lebte auf dessen Landgut, wo sie eine Art Frauenzentrum eröffnete. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1927 Jahren setzte sie ihren politischen Kampf fort und konnte zu Lebzeiten noch die Einführung des Wahlrechtes für Frauen miterleben.
Von Gaby Goetting
Schlagwörter: Biografisches, Frauen