Weihnachtspost

Bon Nadal
Nun ist sie also schon wieder da, die Zeit der vielen guten Wünsche und lieben Grüsse. Wohl selten hat die Post so viel zu tun wie zur Weihnachtszeit, wo man mal wieder alle Freunde und Verwandte mit einem Gruss bedenken möchte. Das ganze Jahr über ist man nicht so recht dazu gekommen, aber zum Glück gibt es ja Weihnachten. Und nun kommen sie ins Haus geflattert, die guten Wünsche, die Rundbriefe, die Grüsse von Leuten, mit denen wir zwar das ganze Jahr über keinen Kontakt haben, deren Nachricht zu Weihnachten uns aber aufrichtig freut. Und oft werden wir dabei ja auch mit hochinteressanten Neuigkeiten beglückt: Stell dir vor, Bubi Müller hat geheiratet. Mal nachdenken, dass war doch dieser kleine Bengel in der zweiten Klasse,der immer schrie: „Soll ich dir mal gegen´s Schienbein treten?“ Ach , wie fühlen wir uns mit unserem neuen Wissen zur Weihnachtszeit bereichert und stellen uns vor, wie Bubi nun seiner neuen Frau vors Schienbein tritt.
Zum Jahresende trudeln auch mal Grüsse ein von Leuten, von denen wir schon seit ewigen Zeiten nichts mehr gehört haben ( durch Zufall erfuhren wir, dass ihr nun in Spanien lebt) und von solchen, denen wir dieses Jahr total vergessen haben zu schreiben. Aber wie jeder verantwortungsbewusste Mensch , haben wir für solche Gelegenheiten noch einige Weihnachtskarten in Reserve und am nächsten Tag liegen Dank, Antwort, die besten Wünsche für Weihnachten und Neujahr und die Sicherheit, beim nächsten Weihnachtsfest mal wieder voneinander zu hören, im Briefkasten.
Wir lassen Leute, die uns geschrieben haben, gerne Wissen, dass wir ihre Post erhalten und uns darüber gefreut haben. Deshalb gibt es eine Art von Weihnachtspost, die furchtbar irritierend ist: Meist sind es UNICEF oder andere, der Wohlfahrt dienende Karten. Die Grüsse für ein frohes Fest und ein gutes Neues Jahr sind in vier verschiedenen Sprachen aufgedruckt und darunter befindet sich ein Strich, ein Haken, manchmal auch eine Welle – offensichtlich die eigenwillige Unterschrift des Absenders. Leider gelingt es meist auch nach längerem Rätselraten der ganzen Familie nicht, herauszufinden, wer so freundlich war, einen Gedanken, oder doch zumindest eine Karte an uns zu verschwenden. War es der Zahnarzt, der japanische Kollege oder der Nachbar? Oder doch jemand, über dessen Gedenken man sich wirklich gefreut hätte – wenn man seinen Namen hätte lesen können? Mit seiner Karte hat der Absender zumindest etwas Gutes für die hungernden Kinder dieser Welt getan, aber uns interessiert doch nun mal, wer uns da geschrieben hat und sei es nur, damit wir sagen können: Meine Güte, der Herr Soundso, wie unpersönlich seine Grüsse dieses Jahr!
Gehören Sie auch zu den Empfängern solcher gedanken – und lieblosen Grüsse – oder sind Sie etwa der Absender?
von Dixi Greiner, November 2020
Schlagwörter: Traditionen