Wir sind Blutsschwestern
Nun kommt deutsche Mode eigentlich immer etwas behäbig daher, praktisch, regenfest, bequem. Doch bei einem unserer Streifzüge kamen wir auf das relativ junge deutsche Label “blutsgeschwister”, das seitdem nicht mehr von unserer Einkaufsliste wegzudenken ist. Die Blutsschwestern, wie sich die Mitarbeiter der Firma selbst liebevoll titulieren, bringen wieder Leben in den Begriff “german Schick”. Mustermixend, farbenfroh und figurbetonend entwerfen die Designer freche Kleidungsstücke, die keinem Trend folgen, sondern als Lieblingsteile für immer angelegt sind.
Die blutsgeschwister GmbH wurde 2001 in Stuttgart gegründet, mit dem selbstgwählten Auftrag, Mode für Seelenverwandte zu entwerfen. Mittlerweile gibt es über 80 Festangestellte, seit 2009 eine Kreativabteilung in Berlin und seit letztem Jahr auch einen Hauptsitz in der Hauptstadt. Das label wächst mit seiner Verantwortung. Den Lebensentwürfen der Mitarbeiter tragen individuelle Beschäftigungsmodelle Rechnung. Weiterbildung wird für die im Schnitt recht jungen Mitarbeiter intern und extern angeboten. Für die Work-Life-Balance wird gemeinsam gekocht, gesportelt, entspannt.
Das entfaltet auch Außenwirkung. Freundliche Bedienung in kreativ liebevoll gestalteten shops kommt direkt beim Kunden an. Die Kataloge lesen sich wie Zeitschriften mit Editorial, Nachrichten aus den stores, Buchtipps, Leserbriefen. Da wird passend zur ostalgischen Sommerkollektion “East Side Story” eine Sightseeingtour durch Berlin beschrieben. Zur Herbstkollektion “Das liebende Klassenzimmer” gibt es eine Seite Materialkunde und einen Steckbrief aus dem Freundebuch von Karin Ziegler, der Designverantwortlichen. Und jedes Teil hat einen Namen, vom kiss me honni-Rock über das Verandafegershirt bis zur urbi et turbi-Mütze.
Es gibt neben der Damen- auch eine Kinderkollektion, eine Taschenkollektion und die wonderglasses-Brillenkollektion. Die Herrenkollektion wurde schweren Herzens aufgegeben. Die Männerwelt war noch nicht bereit für so viel Extravaganz.
Die Seefahrtsymbole Kreuz, Herz und Anker, die das Blutsgeschwisterlogo bilden, stehen für Individualität, Kreativität und Bodenhaftung, aber auch für den Blick über den Tellerrand. So ist die blutsgeschwister GmbH Mitglied im German Fashion Verband und in der Fairwear Foundation. Das heißt, es wird zwar in China und Indien gefertigt, was in den meisten Fällen die Schattenseite der Mode ist, aber es wird auch auf faire Bedingungen in den Nähereien geachtet.
Hier wird ein stimmiges Gesamtbild präsentiert, wo man durch den Kauf eines Kleidungsstücks quasi in die Familie aufgenommen wird. Man fühlt sich gleich besser in dem Wissen, dass hier auf fairen Handel und Qualität abgestellt wird. Die Kundenbindung ist programmiert. Neben Kleidung und Accessoires gibt es jetzt auch den typischen Mustermix als Tapete. Selbst die Stoffe leben bei blutsgeschwister in Familien. Für jeden Stoff gibt es passende Kombinationsvorschläge. Und wer die Kreationen mit eigenen Stoffen nachschneidern will, kann sich das Buch “Nähen macht glücklich” mit ausgewählten Anleitungen zulegen.
Wessen Herz für bunte ausgefallene Mode schlägt, der muss nicht mehr auf den nächsten shoppingtrip durch Barcelonas Desiguallandschaft warten. Und wer glaubt, Frolleinwunder, Pippi Langstrumpf, Hillbilly und Retrochic passen wunderbar zusammen, der kann sich die blutsgeschwister-Mode sogar hierher liefern lassen.
Ich freu mich schon auf das nächste Treffen mit meinen “Blutsschwestern”.
Da werde ich dann wohl meinen neuen blauen wild weather-Anorak mit weißen Polkadots tragen, der macht Lust auf grauen Herbst.
Von Kati Niermann
Schlagwörter: Frauen