Allegorien der Vergänglichkeit
Zeit spielt eine entscheidende Rolle in der Kunst. Der Großteil der Kunstwerke wurde geschaffen, um Auftraggebern und Künstlern Ruhm und Ehre über den eigenen Tod hinaus zu garantieren. Persönlichem Machtstreben und der Angst vor dem zeitlich begrenzten irdischen Dasein wurde mit Kunstwerken begegnet, die für die ‚Ewigkeit’ geschaffen wurden.
Aber nicht nur die Werke sollten für die Ewigkeit sein, sondern auch die Menschen sollten diese durch die dementsprechende Lebensweise erlangen. Die Ikonographie schrieb moralisierende Bildinhalte vor, die auf die Endlichkeit des menschlichen Daseins verweisen. Allgemein gelten sie als Mahnung, sich von Sünde und Laster fernzuhalten, um so nach dem irdischen Leben ins Paradies einzugehen. Tod und Vergänglichkeit sind Themen, die wir Menschen gerne verdrängen, die uns aber besonders in Zeiten von Kriegen und Pandemien bedrohlich ins Bewusstsein rücken. Künstler haben schon immer auf die unterschiedlichste Art und Weise auf Krisen reagiert.
Eine heute etwas in den Hintergrund getretene Kunstform ist das Vanitas Stillleben. Der Höhepunkt der Stilllebenmalerei war die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts. Es wurden Prunkgegenstände, Pflanzen und Tiere dargestellt, um auf der einen Seite die Kunstfertigkeit des Malers zu dokumentieren und auf der anderen Seite den Reichtum des Auftraggebers zur Schau zu stellen.
Inhaltlich interessant werden die Stillleben aber erst, wenn sie mit einer Botschaft versehen wurden. Ab den 1620er Jahren erlangt das Vanitas Stillleben große Bedeutung. Dies ist eine Zeit, in der der 30-jährige Krieg in Europa wütete, die Niederlande wieder einen Krieg mit den Habsburgern führten und 1624/25 und 1636 die Pest wütete.
Der Begriff Vanitas kommt aus dem Lateinischen und kann mit Eitelkeit und Nutzlosigkeit übersetzt werden. In der Form des Stilllebens werden sie zu allegorischen Dokumenten. Vanitas Stillleben sollen den Betrachter zu einer Meditation über die Zeit, den Tod und das ewige Leben anregen. Um dies zu erreichen, mussten Künstler gezielt Embleme und Symbole verwenden, die allgemein verständlich waren. Dazu gehören unter anderem Totenköpfe, abgebrannte Kerzen, tote Tiere, zerbrochene Gläser, eine Sanduhr und viele Dinge mehr, die auf die Endlichkeit des Lebens hindeuten. Dargestellt werden daneben aber auch Prunk und Luxusgegenstände, wie Schmuck und Geschmeide, Silber, Porzellan und kostbare Stoffe, die uns die Vergänglichkeit weltlicher Vergnügungen vor Augen führen sollen.
Die Niederländer Pieter Claesz (1597-1661) und Willem Kalf (1616-1693) gehören zu den ganz großen Stilllebenkünstlern. Beide haben sich auf diese Gattung spezialisiert. Es gibt nur wenige Künstler neben Willem Kalf, die die unterschiedlichen Materialien und Texturen derart naturgetreu wiedergeben können. Pieter Claesz hingegen versteht es wie kein Zweiter, die Symbolik seiner Gegenstände zu verdeutlichen.
In der spanischen Barockmalerei dominieren Speisen und Getränke die Stillebenmalerei. Mit Antonio de Pereda y Salgado (1611-1678) gibt es aber auch einen Meister des Vanitas Stilllebens. Seine ‚Allegorie der Vergänglichkeit’ aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien von 1634 stellt eine Fülle von symbolhaften Gegenständen dar, die durch den Engel im Hintergrund in eine weitere Bedeutungsebene transferiert werden. Der Bote Gottes gemahnt den Betrachter, die Zeit des irdischen Lebens zu nutzen, um das ewige Leben zu erlangen.
Zeit, besonders das Vergehen der Zeit macht den meisten Menschen Angst. Die Kunst kann dies visualisieren, aber auch geschickt die Ängste der Menschen manipulieren.
Von Gabriele Jahreiß, Kunsthistorikerin, Juli 2021
Schlagwörter: Kultur